Bereits vor Beginn der Hochsaison sind die Balearen mit Touristen überlaufen. Die Einheimischen reagieren mit Protesten, die Politiker sind hilflos.
Der beliebteste und schönste Strand Mallorcas heisst Caló des Moro und liegt in der Nähe des Städtchens Santanyí. Der 40 Meter lange Sandstreifen ist von Felsen eingerahmt und ein beliebtes Sujet für einen Instagram-Post. Im Sommer kommen jeden Tag 3000 Besucher. Sie warten bis zu drei Stunden, um einen freien Flecken in der winzigen Bucht zu ergattern. Sie sonnen sich, baden, fotografieren, posten. Und locken mit den pittoresken Aufnahmen noch mehr Touristen an.
Die Einheimischen, die Mallorquiner, finden am Caló des Moro kaum noch Platz. Geht es nach ihnen, muss die Politik dringend handeln. Am vergangenen Sonntag besetzten 300 Einheimische von der Bürgerplattform «Mallorca Platja Tour» bereits um acht Uhr morgens den Strand und schwenkten ein Banner, auf dem «Ocupem les nostres platges» stand. Auf Deutsch: Lasst uns unsere Strände besetzen.
Der Protest am Caló des Moro richtete sich gegen die «touristische Kolonisierung» der Insel, wie die Mallorquiner den Massentourismus nennen. Die Aktion verlief friedlich, doch viele Touristen mieden wegen der Demonstranten den Strand. Auf Mallorca steht ein schwieriger Sommer bevor: Der Tourismus ist die wichtigste Einnahmequelle der Balearen, der Inselgruppe mit Mallorca, Menorca, Formentera und Ibiza. Doch die Einheimischen fühlen sich von den Touristen zunehmend bedroht.
Touristen erschweren den Alltag
Allein die Kreuzfahrtschiffe haben im Monat Mai die Rekordzahl von 240 000 Passagieren in den Hafen von Palma de Mallorca, der Hauptstadt der Balearen, transportiert. Tausende Passagiere pro Tag füllen die Strassen der Altstadt, kaufen billige, importierte Souvenirs. Die traditionellen Geschäfte profitieren kaum. Eine Spielzeugladen-Besitzerin sagte der lokalen Zeitung «Diario de Mallorca», sie würden gar weniger verkaufen, wenn zu viele Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig im Hafen lägen, weil die Einheimischen dem Zentrum an solchen Tagen fernblieben.
Ende Mai marschierten in Palma de Mallorca 15 000 Personen durch die Stadt und demonstrierten gegen den Massentourismus. Die Bürgerinitiative «Menys turisme, més vida» hatte zum Protest aufgerufen. Auf Deutsch heisst sie: Weniger Tourismus, mehr Leben. Auf Plakaten stand: «Mallorca steht nicht zum Verkauf» und «Zu viele Touristen, zu viele Autos, zu viele Jachten und zu viel Müll».
Die Einheimischen Mallorcas fordern die Politik auf, Massnahmen zu ergreifen, die den Tourismus auf der Insel eindämmen. Sie fürchten um ihre Lebensqualität und um den Verlust ihrer Heimat.
Doch die Verdrängung von Einheimischen und lokalen Geschäften hat längst begonnen. In den vergangenen zehn Jahren haben sich auf Mallorca die Mietpreise verdreifacht. Eine Durchschnittsfamilie kann sich kaum mehr eine Wohnung leisten. Das Angebot wird immer kleiner, viele der traditionellen Mietwohnungen werden in Ferienwohnungen umgewandelt. Mallorca hat eine Million Einwohner. Offiziell gibt es auf der Insel 115 000 Ferienwohnungen, doch die Regierung geht davon aus, dass Wohnungen auch ohne Genehmigung an Feriengäste vermietet werden.
Die Balearen sind ein teilautonomes Gebiet Spaniens. Der konservative Präsident des Inselrats will erreichen, dass wieder mehr Wohnungen für Mallorquiner frei werden, und geht deshalb gegen die illegalen Vermietungen vor. Denn die Nachfrage nach Wohnraum ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, die Bevölkerung ist innert drei Jahren um 50 000 Personen gewachsen.
Dass die konservative Volkspartei die Folgen des Massentourismus als Problem benennt und es lösen will, ist auf den Balearen neu. Früher besetzten die Linken und die Regionalisten im Parlament das Thema. Doch die Konservativen wirken hilflos. Die Präsidentin der Balearen, Marga Prohens, sagte: «Das Limit ist erreicht, die Branche muss sich wandeln.» Allerdings, so Prohens, lasse sich ein solcher Prozess nicht in einem oder zwei Jahren bewältigen.
Idee, den Flughafen zu blockieren
Die Rekordmarke von Touristen auf den Balearen liegt bei 85 Millionen Gästen in einem Jahr. Und bereits jetzt steht fest, dass in diesem und im kommenden Jahr noch mehr Touristen auf die Balearen kommen werden. Die Airlines haben für die Zeit von April bis Oktober 33,2 Millionen Sitzplätze reserviert, das sind 8 Prozent mehr als im Vorjahr.
Nebst den Bürgerinitiativen und Umweltverbänden zweifeln gar Hoteliers daran, ob der boomende Tourismus noch gut ist für die Inseln. Carmen Riu, die Tochter des mallorquinischen Hotelpioniers Luis Riu, mahnte im vergangenen Jahr vor den Exzessen der Branche. «Spanien ist eine touristische Grossmacht. Aber jetzt ist der Moment gekommen, in dem wir entscheiden müssen, wie viele Touristen wir in unserem Land haben wollen», sagte Riu.
An Versammlungen der Bürgerinitiativen kommt angesichts der Buchungszahlen immer wieder die Idee auf, den Flughafen Son Sant Joan in Palma de Mallorca zu blockieren. Ein genervter Einwohner schlug vor, dass sie als Gruppe zum Flughafen fahren sollten, um einen Stau zu verursachen.
Bisher waren es nur Gedankenspiele. Doch britische Zeitungen, deren Land neben Deutschland die meisten Touristen auf Mallorca stellt, warnten vor einem «Stillstand im Sommer». Der «Daily Star» schrieb von einem drohenden «Ferienchaos» im Sommer wegen Protesten am Flughafen.
Die Regionalregierung versucht, die Spekulationen zu stoppen, und drohte, dass Teilnehmer von Blockaden auf Strassen oder am Flughafen mit hohen Geldbussen zu rechnen hätten. Die nächste Grossdemonstration auf allen vier Inseln ist am 21. Juli geplant.