Drei Personen haben René Benko dabei unterstützt, sein undurchsichtiges Konstrukt von über 1000 Gesellschaften aufzubauen. Trotz Insolvenz sind sie alle weiterhin auf Posten. Kann das gutgehen?
René Benko lebt mit seiner Familie in Igls, einem kleinen Ort oberhalb von Innsbruck. An einem Sonnenhang, wo früher das Schlosshotel Igls stand, hat er ab 2016 eine Luxusvilla errichten lassen. Genauer gesagt: Bauen liess auf dem 5500 Quadratmeter grossen Anwesen die eigens gegründete Schlosshotel-Igls-Betriebs-GmbH. Die Gesellschaft gehört Benkos Laura-Privatstiftung, die nach einer seiner Töchter benannt ist.
Die Kosten für die Luxusvilla von kolportierten 130 000 Euro pro Monat scheint Benko aber nicht mehr selbst zu bezahlen. Seit dem 1. Dezember 2021 tritt die Signa Holding formell als Mieterin auf. Das ist die Dachgesellschaft des weitverzweigten Signa-Konstrukts, an der neben Benko auch weitere Investoren wie der Schweizer Lindt-&-Sprüngli-Präsident Ernst Tanner oder der Kaffeemaschinen-Unternehmer Arthur Eugster beteiligt sind. Wie kommen diese dazu, für Benkos privaten Wohnsitz zu bezahlen?
Ganz einfach: Die Person, die die Verträge auf beiden Seiten unterschreiben konnte, trägt ein und denselben Namen. Marcus Mühlberger ist einerseits Geschäftsführer der Signa Holding. Anderseits amtiert er auch als Geschäftsführer der Schlosshotel-Igls-Betriebs-GmbH. Es ist eine Doppelrolle, die Interessenkonflikte birgt.
Im innersten Zirkel
Mühlberger gehört zu einem engen Kreis von Benko-Vertrauten, die dem heute 47-Jährigen ab den 2000er Jahren geholfen haben, ein komplexes Reich von über 1000 Immobilien- und Handelsgesellschaften aufzubauen. In den Ebenen unterhalb der bekanntesten Signa-Firmen Holding, Prime und Development schufen sie ein Schattenreich, das selbst den meisten Signa-Investoren verborgen blieb.
Nach dem Zusammenbruch der Firmen Ende vergangenen Jahres stellten die Insolvenzverwalter fest, dass das vorläufige Organigramm der Signa-Gruppe 46 A3-Seiten umfasst. Es ist ihnen bis jetzt nicht gelungen, sich einen vernünftigen Überblick über das Firmenkonstrukt zu verschaffen.
Zu Benkos engstem Vertrautenkreis gehören neben Mühlberger auch Manuel Pirolt und Karin Fuhrmann, wie mehrere Quellen der NZZ bestätigen. Diese drei Personen tauchen in einer Vielzahl von Rollen an den zentralen Schaltstellen des Signa-Konstrukts auf. Und obwohl eine Signa-Firma nach der andern insolvent wurde, sind sie immer noch auf ihren Posten aktiv. Wer sind diese Personen, und welche Rolle spielen sie jetzt bei den Aufräumarbeiten im gescheiterten Signa-Reich?
Marcus Mühlberger – der Chefunterzeichner
Auf den ersten Blick ist Marcus Mühlberger der vielleicht mächtigste der Benko-Vertrauten. Der Jurist, der seit 2003 an der Seite des Tiroler Unternehmers ist und zu seinen ersten Mitarbeitern zählt, hat als Co-Geschäftsführer der Signa Holding formal das Sagen im Signa-Reich. Zudem dient er in über hundert Tochterfirmen als Geschäftsführer, wie aus dem Handelsregister hervorgeht.
Gleichzeitig ist Mühlberger auch für die Privatperson René Benko aktiv. So bildet er – zusammen mit Karin Fuhrmann – den Vorstand der Familie-Benko-Privatstiftung, in der Benko seine Anteile an der Signa-Gruppe verwaltet. Diese Mehrfachrolle führt zu Interessenkonflikten. So muss Mühlberger als Verwalter von Benkos Privatvermögen dessen Anliegen vertreten. Hingegen muss er als Geschäftsführer von vielen Signa-Gesellschaften, bei denen andere Investoren und Kreditgeber involviert sind, auch deren Interessen wahren.
Der 61-jährige Mühlberger, der kaum je in der Öffentlichkeit auftritt, dürfte aber mehr Erfüllungsgehilfe denn Mastermind im Signa-Imperium sein. Er hilft Benko laut Insidern seit zwanzig Jahren, seine Pläne umzusetzen. Er zeichnet die Verträge ab, die Benko nicht mehr selber unterschreiben kann, seit er 2013 nach einer Verurteilung all seine formellen Ämter in der Signa-Gruppe abgegeben hat. Intern hat ihm das den Übernamen CSO eingebracht: Chief Signing Officer.
Manuel Pirolt – der Herr des Geldes
Als «Herr des Geldes» gilt Manuel Pirolt. Der 41-jährige Tiroler ist die wohl wichtigste Person an der Seite Benkos. Pirolt kontrollierte – in enger Abstimmung mit Benko –, wo bei Signa das Geld hereinkam und wohin es weiterfloss. Nur Pirolt und Benko dürften die komplexen finanziellen Verflechtungen zwischen den zahllosen Signa-Gesellschaften durchschauen.
Pirolt stiess 2011 von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO zur Signa und agierte ab 2013 als Finanzchef von Signa Prime und Signa Development. An dieser Schaltstelle half er mit, das intransparente Firmengeflecht aufzubauen. Pirolt amtiert als Geschäftsführer in Hunderten von Untergesellschaften im Signa-Schattenreich.
Gleichzeitig agiert Pirolt ebenfalls im privaten Umfeld von Benko. Er ist seit 2015 Geschäftsführer der Laura-Privatstiftung, in der Benko sein privates Vermögen verwaltet, etwa seine Jacht «Roma», seine Kunstsammlung oder den erwähnten Wohnsitz in Innsbruck. Pirolt dürfte faktisch auch in der Signa-Holding der Finanzchef sein. Er gilt als mit allen Wassern gewaschen und als kreativ im Strukturieren von Finanzen und im Darstellen von Finanzkennzahlen. So sahen die Signa-Gesellschaften bis kurz vor dem Untergang gut kapitalisiert aus.
Karin Fuhrmann – die Steuer- und Rechtsexpertin
Was Pirolt für die Signa-Finanzen darstellte, war Karin Fuhrmann laut Insidern für die (steuer-)rechtliche Strukturierung des Unternehmens. Die 57-jährige Juristin ist eine Expertin für Immobilienrecht. Sie hat mehrere Fachbücher mitverfasst und wurde in Österreich mehrmals als «Steuerberaterin des Jahres für Immobilien und Bauwirtschaft» ausgezeichnet.
Fuhrmann beriet Signa nicht nur bei Firmenkäufen und -verkäufen. Sie bemühte sich mit ihrer Kanzlei TPA auch darum, dass die Signa-Holding eine drohende Konsolidierungspflicht umschiffen konnte, wie Dokumente zeigen, die die österreichische Zeitschrift «News» veröffentlichte. Die wichtigsten Konzerngesellschaften mussten dank dem TPA-Input keine Konzernbilanz erstellen. Dieses hätte es Investoren und Banken erlaubt, ein transparentes Gesamtbild zu bekommen.
Fuhrmann besorgt mit TPA bis heute die Buchhaltung der Signa-Holding. Das Unternehmen bereitet die Zahlen auch für die Revision auf, bevor BDO sie offiziell prüft und testiert. Als Privatperson sitzt Fuhrmann aber auch seit 2011 im Vorstand der Familie-Benko-Privatstiftung. Das wirft die Frage nach Interessenkonflikten auf.
René Benko – der faktische Geschäftsführer
Der eigentliche Mastermind hinter dem Signa-Geflecht ist und bleibt René Benko. Formell hat er seit Ende 2013 keine Funktion mehr im Signa-Konstrukt. Aber mittlerweile haben Mitgesellschafter wie der österreichische Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner klargestellt, dass Benko faktisch auch danach weiterhin Geschäftsführer der Signa-Gruppe war. Der Firmengründer wollte laut Insidern stets genauestens über alles informiert sein. Er griff in Management-Entscheidungen ein. Vor allem um Finanzierungsfragen kümmerte er sich bis zum Schluss allein.
Benkos geschäftliche Verbindungen zu seinem Kernteam waren stets eng. Man wohnte in Innsbruck. Pirolt und Mühlberger hatten ihre Büros gleich nebeneinander im selben Gebäude. Privat befreundet schien man aber nicht zu sein – dies wohl deshalb, weil Benko das Private nie interessierte. Hingegen dürften Benkos Weggefährten ausgesprochen loyal zu ihm sein. Sie haben kaum eine andere Wahl: Mühlberger und Pirolt haben viele Dinge unterschrieben, während das Benko seit zehn Jahren nicht mehr tut. Keiner der Benko-Vertrauten wollte offiziell Stellung zu Fragen der NZZ nehmen.
Heikle Zusammenarbeit mit den Insolvenzverwaltern
Mittlerweile sind alle grossen Signa-Gesellschaften – die Holding und die Immobiliengesellschaften Prime und Development – insolvent. Bei den drei in Österreich domizilierten Unternehmen haben Sanierungs- bzw. Insolvenzverwalter offiziell das Ruder übernommen.
Doch die drei Weggefährten Benkos sind immer noch in ihren alten Rollen.
Diese Situation irritiert Investoren und Gläubiger der Signa-Gesellschaften. So berichten Mitgesellschafter der Holding, dass an Informationsveranstaltungen vonseiten Signa ausschliesslich Mühlberger präsent sei, manchmal auch sein Co-Geschäftsführer, aber nicht der beauftragte Insolvenzverwalter.
Sowohl Mitgesellschafter als auch Gläubiger fragen sich, ob die Insolvenzverwalter vom bisherigen Management die nötigen Informationen bekommen und genügend Durchgriff haben. Verfolgt das «Team Benko» mit seinen Mehrfachrollen und seinem grossen Informationsvorsprung womöglich weiterhin die Interessen des Firmengründers?
Für die Arbeit der Insolvenzverwalter wäre das hinderlich und für die Gemütslage der Gläubiger zersetzend: Sie müssten befürchten, dass historische Verfehlungen vertuscht werden und Benko sich noch Werte sichert – auf ihre Kosten.