Die schwedische Regierung hat sich gegen den Bau von dreizehn Windparks in der Ostsee entschieden und argumentiert mit der nationalen Sicherheit. Das sehen längst nicht alle so.
Die grüne Wende schreitet langsam voran – zu langsam, darin sind sich viele Wissenschafter einig. Erst vor wenigen Wochen schlugen mehrere nordeuropäische Forscherinnen und Forscher Alarm. Die seichte Ostsee ist so warm wie noch nie um diese Jahreszeit, und die hohe Temperatur bedroht das fragile Ökosystem.
Zur gleichen Zeit streitet Schweden über den Ausbau erneuerbarer Energien. Die Diskussion dominiert jedoch ein anderes Thema als der Klimawandel: die nationale Sicherheit. Eine Analyse der schwedischen Streitkräfte kam zu dem Schluss, dass Windparks in der Ostsee die Verteidigung des Landes erschweren würden. Diese Woche lehnte die schwedische Regierung deshalb die Baugesuche von dreizehn Windparks ab. Nur ein Projekt kann weiterverfolgt werden.
Der Verteidigungsminister Pal Jonson sagte an einer Medienkonferenz, dass die Windparks es im Konfliktfall schwieriger machen würden, Raketen mithilfe der schwedischen Patriot-Batterien aufzuspüren und abzuschiessen. «Das wäre mit inakzeptablen Risiken verbunden.» Die einzige verantwortungsvolle Reaktion sei es, die Windkraft in der Ostsee nicht auszubauen. Doch nicht alle Anrainerstaaten sehen es so.
Deutschland als Pionier
Schwedens Nachbarländer Dänemark und Deutschland gelten als Pioniere, wenn es um die Offshore-Windenergie geht. In Estland – das als kleines Nachbarland Russlands stets um seine Sicherheit fürchtet – kursieren schon länger Pläne, die Windkraft im Meer stark auszubauen. Die Balten argumentieren ganz anders als die Schweden: Die Windkraft gilt als Schlüsselfaktor für die Energieunabhängigkeit von Russland und damit als Gewinn für die nationale Sicherheit. Im Sommer hat das Parlament dem schnellen Bau von Offshore-Windparks zugestimmt.
Die Sicherheitsrisiken sind nicht nur in Schweden ein Thema. Aber in anderen Ländern arbeiten die Windparkbetreiber mit den Streitkräften zusammen. In Polen etwa wurden Radar- und Überwachungsanlagen in den Windparks installiert. Für Stockholm kommt das nicht infrage. Der Verteidigungsminister Jonson sagte an der Medienkonferenz, dass sich ein solches Vorgehen nicht mit der heutigen schwedischen Verteidigungspolitik vereinbaren lasse.
Die einzige Region, in der Schweden derzeit den Bau von Windparks erlaubt, ist die Westküste. Die Regierung hat lediglich der Poseidon-Farm nördlich von Göteborg, einem von vierzehn Projekten, grünes Licht erteilt. 81 Turbinen sollen dort künftig bis zu 5,5 Terawattstunden pro Jahr produzieren. Dies ist vergleichbar mit der Leistung des Kernkraftwerks Beznau in der Schweiz.
Im Mai 2023 bewilligte Schweden zudem zwei weitere Parks – Galene und Kattegat Syd. Sie liegen beide südlich von Göteborg am Kattegat. Weitere zehn Projekte warten noch auf eine Beurteilung der Regierung.
Atomkraft? Ja, bitte!
Der Entscheid gegen die Windkraft führt Schweden in ein Dilemma. Innert zwei Jahrzehnten muss das Land seine Stromproduktion verdoppeln, denn die Nachfrage nach sauberem Strom dürfte mit dem Ausstieg der Industrie aus den fossilen Brennstoffen stark ansteigen. Doch wo soll die Energie herkommen?
Um dem steigenden Verbrauch nachzukommen, will die Regierung die Atomkraft ausbauen. Bis 2035 sollen Atomkraftwerke zusätzliche 2500 Megawatt Energie liefern. Geht alles nach Plan, werden zehn Jahre später zehn neue Reaktoren in Betrieb sein. Damit geht Schweden einen ähnlichen Weg wie das Nachbarland Finnland, das ebenfalls auf Kernenergie setzt. Dass AKW im Kriegsfall zum Ziel und damit zum Sicherheitsrisiko werden könnten, scheint die beiden Länder nicht zu beunruhigen.