Unter Druck durch den Stopp der amerikanischen Militärhilfe hat der ukrainische Präsident klein beigegeben. Nun liegt der Ball wieder in Washington.
Vier Tage nach dem hässlichen Streit im Weissen Haus hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski einen politischen Rückzieher gemacht. Die von amerikanischen Regierungsmitgliedern geforderte Entschuldigung für seine Rolle bei der verbalen Entgleisung im Oval Office leistete Selenski zwar nicht. Aber in einer am Dienstagabend veröffentlichten schriftlichen Stellungnahme äusserte er sich versöhnlich und voller Anerkennung für Donald Trump.
Das Treffen am Freitag sei nicht verlaufen, wie es hätte verlaufen sollen, schrieb Selenski, und dies sei bedauerlich. Es sei Zeit, die Dinge in Ordnung zu bringen. Mit etwas gutem Willen kann die amerikanische Seite darin die Anerkennung eines Fehlers sehen, während die Ukrainer ihr Gesicht wahren, da sie die Amerikaner zumindest nicht ganz aus einer Mitschuld am Eklat entlassen.
Schmeichlerische Worte an die Adresse von Trump
In einer Formulierung, die einem Kniefall nahekam, betonte Selenski die Bereitschaft, «unter Präsident Trumps starker Führerschaft» auf einen dauerhaften Frieden hinzuarbeiten. Das klang völlig anders als beim verunglückten Treffen der beiden, in dem Selenski die Tauglichkeit von Trumps Verhandlungsoffensive fundamental angezweifelt hatte.
Selenski zeigte nun auch nochmals seine Wertschätzung für die bisherige amerikanische Hilfe. Dabei erwähnte er schmeichlerisch die Lieferung von Javelin-Panzerabwehrwaffen während Trumps erster Amtszeit – eine Episode, die im Trump-Lager mythisch überhöht wird, aber seinerzeit wegen der geringen Mengen nur einen symbolischen Wert hatte.
I would like to reiterate Ukraine’s commitment to peace.
None of us wants an endless war. Ukraine is ready to come to the negotiating table as soon as possible to bring lasting peace closer. Nobody wants peace more than Ukrainians. My team and I stand ready to work under…
— Volodymyr Zelenskyy / Володимир Зеленський (@ZelenskyyUa) March 4, 2025
Selenski beliess es jedoch nicht bei einer blossen Charmeoffensive. Er verband seine Botschaft an Trump geschickt mit einem konkreten Vorschlag in Richtung Frieden. Er regte einen partiellen Waffenstillstand Russlands und der Ukraine an, der einen Verzicht auf Angriffe aus der Luft und zur See sowie auf die Energieinfrastruktur der beiden Kriegsländer umfassen würde.
Für die Ukrainer hiesse dies, ihre regelmässigen Schläge mit Langstreckendrohnen gegen russische Raffinerien und Treibstofflager zu unterlassen. Betroffen wären auch die Präzisionsangriffe mit amerikanischen Atacms-Raketen im russischen Hinterland, die Trump ohnehin ein Dorn im Auge sind.
Weitreichendes Zugeständnis
Selenskis Vorschlag ist fast identisch mit jenem, den der französische Präsident Emmanuel Macron zu Wochenbeginn ins Spiel gebracht hatte. Damit zeigt sich Kiew konstruktiv gegenüber beiden Partnern, den Amerikanern und den Europäern. Für die ukrainische Führung ist es jedoch ein weitreichendes Zugeständnis. Denn sie hatte in der Vergangenheit immer vor einem Waffenstillstand gewarnt, der nicht glaubwürdig abgesichert ist. Kiew befürchtet mit gutem Grund, dass Trump eine Waffenruhe bereits genügt und er sie als Frieden feiern würde, ohne zu einem wirksamen Schutz der Ukraine vor einem neuen russischen Angriff beizutragen.
Trump behauptet, dass allein schon das geplante amerikanisch-ukrainische Rohstoffabkommen und die Förderung von seltenen Erden in der Ukraine durch amerikanische Investoren eine abschreckende Wirkung gegenüber Russland entfalten würden. Aber die Ukrainer argumentieren, dass nur umfangreiche, langfristige Militärhilfe ein glaubwürdiges Signal wäre. Immerhin bekräftigte Selenski nun seine Bereitschaft, die am Freitag geplatzte Unterzeichnung des Rohstoffabkommens nachzuholen.
Eine Reaktion Moskaus auf den Vorschlag eines teilweisen Waffenstillstands liegt noch nicht vor. Im Vordergrund steht nun ohnehin die Frage, ob sich die amerikanische Führung mit Selenskis Halb-Entschuldigung zufriedengeben wird oder ob sie den Druck auf Kiew aufrechterhalten möchte. Der ukrainische Vorstoss erfolgte, wenige Stunden bevor Präsident Trump seine seit langem geplante Rede vor beiden Häusern des Kongresses halten wollte.
Das Weisse Haus schien es am Dienstag nicht eilig zu haben, auf Selenskis Versöhnungsangebot zu reagieren. Der republikanische Senator Lindsey Graham begrüsste die Geste des ukrainischen Präsidenten. Graham postete auf X ein Daumen-hoch-Emoji und schrieb dazu: «Es stehen uns bessere Tage bevor.» Der Senator gehört zu den grössten Fürsprechern der Ukraine in Washington. Und er engagierte sich, um Trump von dem Rohstoffabkommen mit Kiew zu überzeugen. Nach dem Streit am Freitag im Weissen Haus machte er jedoch Selenski für die Eskalation verantwortlich. Dieser müsse zurücktreten oder sich ändern, erklärte Graham.
Hinter den Kulissen scheint es derweil Bewegung zu geben. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete, dass die USA und die Ukraine das Rohstoffabkommen noch am Dienstag unterzeichnen könnten. Trump wolle dies gemäss seinen Beratern in seiner Rede am Abend vor dem Kongress verkünden. Reuters stützte sich jedoch auf anonyme Quellen im Umkreis des Präsidenten. Offiziell bestätigt ist noch nichts.