Das Zürcher Ginmaku-Filmfestival wirft einen Blick auf Japans Ureinwohner. Einmal mehr fokussiert das Filmprogramm auf Menschen am Rand der japanischen Gesellschaft.
Es gibt wohl keine homogenere Gesellschaft als die japanische. Den grossen Gegensatz dazu bilden die USA, wo die Bevölkerung kaum gemischter sein könnte. Von überall her sind die Menschen nach Nordamerika eingewandert. Und verdrängten bekanntlich die Ureinwohner – die Native Americans, wie man heute die Indianer korrekterweise nennt.
Die Amerikaner waren keineswegs schon immer dort. Und das gilt auch für die heutige Bevölkerung Japans. Die Japaner besiedelten den Archipel von der koreanischen Halbinsel oder auch vom Südpazifik her. Und verdrängten dabei wie in Nordamerika die Menschen, die bereits lange vor ihnen dort lebten: die Ainu.
Heute leben sie in Hokkaido, der nördlichsten der japanischen Hauptinseln. Es sind noch zwischen 25 000 und 200 000 Personen, die sich selber als «Ainu» – Menschen – bezeichnen. Die Ainu haben sich in den letzten Jahrhunderten stark mit den Japanern vermischt. Die ursprüngliche Physiognomie dieses alten Volkes von Fischern, Jägern und Sammlern, die in Augenform und Haarwuchs fast schon europäisch anmutende Eigenheiten aufwies, verblasst immer mehr.
Coming-of-Age-Geschichte
Und noch immer sind die Ureinwohner in Japan Diskriminierung ausgesetzt. Weswegen ihre Zahl auch weit höher sein könnte als offiziell registriert. Lange galten die Ainu als aussterbendes Volk. In jüngster Zeit allerdings zeichnet sich eine Umkehrung dieser Entwicklung ab. Mehr und mehr Ainu besinnen sich ihrer eigenen kulturellen Tradition. Und im besten Fall gilt es unter Schulkindern sogar als cool, Ainu zu sein.
Diskriminierung ist denn auch nicht das Thema des Schwerpunkts am Eröffnungsabend des diesjährigen japanischen Filmfestivals Ginmaku in Zürich. Vielmehr geht es dabei um die Suche nach Identität. Worin aber besteht denn Identität eigentlich, wenn Rituale den jungen Menschen immer fremder werden und traditionelle Handwerkskunst vor allem für den japanischen Tourismus gepflegt wird?
«Ainu Mosir» – Land der Ainu – ist ein Spielfilm von Takeshi Fukunaga, in dem Ainu auftreten, die sich selber spielen. Im Grunde ist der Film zweierlei: ein Film über Ainu-Identität und auch ein Coming-of-Age-Film. Denn dem 14-jährigen Kanto stellt sich die Frage, ob er als Ainu leben will oder ob er sein Heimatdorf verlassen und in der japanischen Gesellschaft seine Zukunft suchen soll.
Er empfindet das Ainu-Sein als beengend und sogar als «nicht normal», wie er einmal sagt. Die Touristen sehen in seiner Mutter, die einen Souvenirladen führt, eine lebende Attraktion, die man fotografieren darf. Und sind erstaunt über ihr perfektes Japanisch.
Am Rand der Gesellschaft
Die Sprache der Ainu sprechen längst nur noch die Alten. Und auch das Bären-Ritual , bei dem ein Braunbär geopfert wird, kennt die jüngere Generation höchstens noch von alten Videoaufzeichnungen. Bis es wiederbelebt werden soll. Das stürzt Kanto, der den gefangenen Bären Chibi füttert, in einen Gewissenskonflikt. Schliesslich erfährt er in seinem tiefsten Innern, was Identität wirklich bedeuten kann.
Mit solchen Filmen tut sich das Ginmaku-Festival seit Beginn im Jahr 2014 hervor. Die Initiantin Mizuki Mazbara möchte dabei ein anderes Japan fernab von westlichen Klischeevorstellungen zeigen. Die sorgfältige Filmauswahl fokussiert auf die Ränder der japanischen Gesellschaft und spricht immer wieder Themen an wie Armut, Fremdenfeindlichkeit oder auch abweichende sexuelle Orientierung. Mit dem Fokus auf Japans Ureinwohner gelingt das dem Festival von neuem.
Ginmaku – japanisches Filmfestival, in den Kinos Houdini und Riffraff, Zürich, 28. Mai bis 1. Juni. Am Eröffnungsabend, 28. Mai, wird «Ainu Mosir» um 18.30 Uhr im Kino Riffraff gezeigt.