Weniger als zwei Wochen nach dem Sturz des Asad-Regimes will die Regierung in Wien syrischen Flüchtlingen den Schutzstatus aberkennen. Sie kündigt rasche Rückführungen an, doch das ist vorläufig unrealistisch.
Nur 24 Stunden waren vergangen seit dem Sturz des syrischen Despoten Bashar al-Asad, als Österreichs Regierung bereits ankündigte, alle laufenden Asylverfahren für Syrer auszusetzen. Das war zwar ein gebotener Schritt: Für die Bewertung der Fluchtgründe ist die Lage im Herkunftsland entscheidend, und diese verändert sich gerade fundamental. Ein Grund für die rasche Reaktion von Bundeskanzler Karl Nehammer, die er sogar in einem Video auf seinen Social-Media-Kanälen erläuterte, dürften aber auch die Jubelfeiern Tausender von Syrern am Vortag gewesen sein. Bei einigen sorgten die Grosskundgebung und das syrische Fahnenmeer vor dem österreichischen Parlament für Unmut.
Nun prescht Wien erneut vor. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hat Verfahren eingeleitet, mit denen in Österreich lebenden Syrern das Asylrecht aberkannt werden könnte. Das Magazin «Profil» berichtet, dass erste Flüchtlinge bereits Schreiben erhalten hätten, mit denen sie zu einer neuerlichen Einvernahme durch die Behörden eingeladen würden. Die Umstände im Herkunftsland hätten sich geändert, heisst es in dem Brief. «Sie haben keine politische Verfolgung mehr zu befürchten.» Das Innenministerium bestätigte das Vorgehen.
Die Lage im Land ist zu volatil für Abschiebungen
Betroffen sind Syrer, die in den vergangenen fünf Jahren ins Land gekommen sind – innerhalb dieser Zeitspanne ist eine Aberkennung des Schutzstatus möglich, wenn sich die Asylgründe geändert haben. Rund 40 000 syrische Flüchtlinge fallen in diese Gruppe. Das «Profil» vermutet, dass die Schreiben bereits jetzt verschickt wurden, um diese Frist nicht zu verpassen.
«Jetzt geht es ganz schnell», schreibt das Boulevardblatt «Heute». Das ist allerdings nicht zu erwarten. Zwar heisst es seitens des BFA, die Entscheidung in den betroffenen Fällen erfolge unverzüglich, sobald dafür eine fundierte Grundlage vorliege. Juristen und Nahostexperten sind aber einig darin, dass sich die Entwicklung der Sicherheitslage in Syrien derzeit nicht verlässlich einschätzen lässt.
Der BFA-Direktor Gernot Maier erklärte vor einer Woche im ORF-Radio, der Hauptgrund für Asylgewährungen sei weggefallen: die Zwangsrekrutierung für die syrische Armee und die Beteiligung an Kriegsverbrechen. Diese spielten keine Rolle mehr in dem Land. Aber erst wenn Stabilität und Sicherheit herrschten, könnten Personen zur Rückkehr verpflichtet werden. Derzeit könnten solche Entscheidungen wegen der sehr volatilen Lage nicht getroffen werden. Zuvor hatte Innenminister Gerhard Karner angekündigt, zwangsweise Abschiebungen würden vorbereitet.
Österreich gewährt eine Rückkehrprämie von 1000 Euro
Am Rande des EU-Gipfels vom Donnerstag äusserte sich auch Kanzler Nehammer differenzierter als in seinen Social-Media-Postings, in denen er ebenfalls rasche Rückführungen in Aussicht gestellt hatte. Es brauche jetzt ein Lagebild, um beurteilen zu können, wo in Syrien es sicher sei, um die Rückkehr dorthin zu ermöglichen. Derzeit müsse aber alles freiwillig erfolgen. Entscheidend sei, Syrer, die in ihr Land zurückkehren wollten, dabei aktiv zu unterstützen. Schon vor einer Woche hatte die Regierung beschlossen, in solchen Fällen eine Rückkehrprämie von 1000 Euro zu gewähren. Syrien brauche jetzt seine Bürger für den Wiederaufbau, erklärte der Kanzler.
Angesprochen auf die vom BFA eingeleiteten Aberkennungsverfahren, sprach Nehammer von einem rechtlich so vorgesehenen Prozess. Der Hauptfluchtgrund sei der Terror des Asad-Regimes gewesen, und dieser sei nun nicht mehr gegeben. Der Asylstatus werde auf Zeit gewährt und sei deshalb nun zu überprüfen. Die markigen Ansagen sind denn auch vor allem innenpolitisch zu sehen. In den letzten Monaten haben syrische Jugendbanden ebenso Schlagzeilen gemacht wie Familien, die viel Sozialhilfe beziehen. Dennoch ist die Strategie riskant, weil sie falsche Erwartungen rascher Abschiebungen schürt.