Der linke Anti-Establishment-Kandidat hatte nach seinem Erfolg bei der Präsidentenwahl im September das Parlament aufgelöst und vorgezogene Neuwahlen angesetzt. Überraschend fielen diese in Regionen aus, wo überwiegend Tamilen und Muslime leben.
Der Sieg ist absolut für Sri Lankas Präsidenten Anura Kumara Dissanayake. Sein linkes Parteienbündnis National People’s Power (NPP) hat bei der Parlamentswahl am Donnerstag nicht nur eine Zweidrittelmehrheit errungen, sondern auch in allen Teilen des Landes punkten können. Besonders bemerkenswert war der Erfolg im Norden und Osten der Insel, wo überwiegend Tamilen und Muslime leben. Gerade die Tamilen standen Dissanayakes Partei bisher ablehnend gegenüber, da diese lange gegen mehr Rechte für die Minderheit war.
Der Erfolg der NPP zeigt, wie gross der Wunsch nach Wandel in Sri Lanka ist. Die alten Eliten sind durch die Staats- und Wirtschaftskrise von 2022 diskreditiert. Bei der Wahl wurden die Parteien des Establishments durch die Bank abgestraft. Dissanayakes NPP errang 61,6 Prozent der Stimmen, während das Bündnis United People’s Power (SJB) von Sajith Premadasa mit 17,7 Prozent deutlich abgeschlagen auf den zweiten Platz kam. Andere Parteien blieben im einstelligen Bereich.
Premadasa, ein langjähriger Minister und Abgeordneter, war Dissanayake bei der Präsidentschaftswahl am 21. September klar unterlegen. Der linke Anti-Establishment-Kandidat konnte bei der Abstimmung die Stimmen der Unzufriedenen auf sich vereinen. Nach seinem Sieg löste er das alte Parlament auf, in dem seine Partei nur drei Sitze gehabt hatte, und setzte vorgezogene Neuwahlen an. Sein Kalkül war es, sich auf diese Weise auch im Parlament eine Mehrheit zu sichern.
Selbst in Jaffna hat der Präsident gewonnen
Dieses Kalkül ist nun aufgegangen. Die Wähler haben Dissanayake ein starkes Mandat gegeben, um sein Programm umzusetzen. Sein Bündnis wird künftig über 159 der 225 Sitze im Parlament verfügen. Es ist das erste Mal unter dem derzeitigen Wahlsystem, dass eine Regierung über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügt. Die NPP gewann nahezu alle Wahlkreise auf der Insel – nur in Batticaloa an der Ostküste wurde eine tamilische Regionalpartei stärkste Kraft. Für besonderes Aufsehen sorgte, dass die NPP auch in Jaffna gewann.
Die Stadt an der Nordspitze der Insel war über Jahrzehnte eine Hochburg der Tamil Tigers, die sich bis zu ihrer Niederlage 2009 einen blutigen Bürgerkrieg mit der Armee lieferten. Noch nie hat dort eine Kraft gewonnen, die die singhalesisch-buddhistische Mehrheit repräsentiert. Der Erfolg ist umso erstaunlicher, als Dissanayakes People’s Liberation Front (JVP) – die stärkste Kraft im NPP-Bündnis – lange einen extremen singhalesischen Nationalismus vertreten hat.
Im Wahlkampf versprach Dissanayake den Tamilen in Jaffna, ihnen das Land zurückzugeben, das während des Bürgerkriegs von der Armee sowie der Forst- und der Archäologiebehörde besetzt worden war. Dissanayake sicherte ihnen auch zu, die Rechte der Fischer zu verteidigen, die von der Konkurrenz aus Indien bedroht sind. Neben diesen Versprechen kam der NPP aber auch zugute, dass die Opposition im Norden gespalten und schlecht organisiert war.
Eine ganze Politikergeneration tritt ab
Die Wahl bedeutet das Aus für eine ganze Politikergeneration. Knapp zwei Drittel aller vorherigen Abgeordneten traten gar nicht mehr an, unter ihnen viele führende Politiker. Nicht nur Dissanayakes Vorgänger Ranil Wickremesinghe verzichtete auf eine Kandidatur, auch praktisch der gesamte Rajapaksa-Clan stellte sich nicht mehr zur Wahl. Als Präsidenten hatten die Brüder Gotabaya und Mahinda Rajapaksa über Jahrzehnte die Geschicke des Landes geprägt.
Doch als der damalige Präsident Gotabaya nach der Covid-Pandemie eine Reihe verfehlter Wirtschaftsreformen erliess, stürzte die Insel in die Krise. Lebensmittel und Treibstoff wurden knapp. Nach einem monatelangen Volksaufstand musste Gotabaya im Juli 2022 ins Ausland fliehen. Sein Nachfolger Wickremesinghe stabilisierte zwar mit der Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IMF) die Finanz- und Wirtschaftslage, doch rutschten viele Einwohner in die Armut ab.
Heute lebt rund ein Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die Wirtschaftslage bleibt prekär, die Weltbank rechnet für dieses Jahr nur mit einem Wachstum von 2,2 Prozent. «Der Spielraum von Dissanayake ist begrenzt, wenn er im Rahmen des IMF-Programms bleiben will», sagt der Politikexperte Paikiasothy Saravanamuttu vom Centre for Policy Alternatives (CPA) in Colombo. Der Präsident hat zwar versprochen, mit dem IMF die Bedingungen des Hilfsprogramms neu zu verhandeln. An dem 2,9-Milliarden-Dollar-Paket will er aber festhalten.
Dissanayake wird rasch liefern müssen
Nach dem fulminanten Wahlsieg sind die Erwartungen hoch an den Präsidenten. «Er wird daran gemessen werden, ob er sein Versprechen zur Bekämpfung der Korruption einlösen kann», sagt Saravanamuttu. Allerdings sei die Korruption so tief im Staatsapparat verwurzelt, dass es da keine leichten Erfolge geben werde. Womöglich werde Dissanayake daher versuchen, einen grossen Fisch hinter Gitter zu bringen, um zumindest einen symbolischen Erfolg vorweisen zu können.
Der wahre Test werde aber ohnehin sein, ob er die versprochene Reform der Verfassung umsetze, sagt Saravanamuttu. Insbesondere hat er angekündigt, das unbeliebte Präsidialsystem abzuschaffen, das dem Staatschef übergrosse Macht gibt. Seine Abschaffung ist seit langem eine zentrale Forderung aus der Zivilgesellschaft. Viel Zeit habe der Präsident nicht, sagt der Politikexperte Saravanamuttu. Wenn er nicht binnen eines Jahres liefere, sei nicht ausgeschlossen, dass aus den Rängen der eigenen Partei eine neue Protestbewegung entstehe.