Seltene Erden sind gar nicht so selten, wie viele meinen. Doch China dominiert den Markt – so stark, dass Sicherheitsexperten vor gravierenden Konsequenzen der jüngsten Kontrollen warnen. Was der Westen aus früheren Konflikten lernen kann.
Im Handelskrieg mit den USA glaubt die chinesische Regierung einen Hebel gefunden zu haben: Sie hat seit diesem Monat als Gegenmassnahme zu den US-Zöllen den Export von sieben der insgesamt siebzehn seltenen Erden eingeschränkt. Und das nicht nur für Ausfuhren in die USA, sondern alle Welt.
Von den Exportkontrollen betroffen sind die Metalle Samarium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Lutetium, Scandium und Yttrium. Diese sind wichtige Bestandteile von Maschinen und technischen Gütern, etwa als Magnete in Elektromotoren.
Staubsauger, Plasmafernseher und Mikrowellen haben alle geringe Mengen an seltenen Erden verbaut. Aber auch Rüstungsgüter, etwa Lenkraketen oder Radarsysteme. In einem Kampfjet F-35 stecken etwa 400 Kilogramm seltene Erden. Wofür diese genau gebraucht werden, ist für Aussenstehende schwer nachzuvollziehen, da der Zusammenbau von Rüstungsgütern strengen Geheimhaltungspflichten untersteht.
Das Center for Strategic and International Studies (CSIS), eine wichtige Denkfabrik in der Sicherheitspolitik, warnte diese Woche vor den Konsequenzen der chinesischen Exportkontrollen. Die amerikanische Rüstungsindustrie, die der chinesischen gemessen an den Produktionsmengen schon heute nachhinke, drohe ohne den Zugang zu den seltenen Erden den Anschluss zu verlieren.
Die Lieferungen sind an den chinesischen Häfen blockiert
Noch ist unklar, wie einschneidend die Einschränkungen überhaupt ausfallen werden. Wollen chinesische Firmen die betroffenen Metalle weiterhin exportieren, brauchen sie künftig eine staatliche Lizenz. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg rechnen die Handelsfirmen mit 45 Tagen, bis sie auf ein solches Gesuch eine Antwort erhalten. Lieferungen, die seit der Bekanntgabe der Massnahmen hätten exportiert werden sollen, hängen derzeit an den chinesischen Häfen fest.
Die Massnahme sei nötig, um die «nationale Sicherheit und Interessen besser zu schützen», schrieb das chinesische Handelsministerium.
Kevin Hassett, Wirtschaftsberater des US-Präsidenten, nannte Chinas Exportkontrolle «besorgniserregend». Die Regierung werde untersuchen, mit welchen Massnahmen sie sich dagegen wehren könnten. Donald Trump hat schon mehrfach bewiesen, dass ihm Rohstoffe wichtig sind. Er möchte Grönland, wo es Vorkommen der Metalle gibt, unter amerikanische Kontrolle bringen: «Wir brauchen Grönland für die internationale Sicherheit. Wir müssen es haben», sagte der US-Präsident. Zudem will er sich mit einem Rohstoffabkommen die Bodenschätze in der Ukraine sichern. Laut der «Financial Times» arbeitet die US-Regierung an einem Dekret, das den USA die Hortung von Metallen aus dem Meeresboden des Pazifischen Ozeans erlauben würde.
Chinas Dominanz bei den kritischen Rohstoffen
Zumindest geologisch sind die seltenen Erden zwar nicht so selten, wie es der Sprachgebrauch suggeriert. Sie kommen relativ häufig in der Erdrinde vor, und das in verschiedenen Teilen der Welt.
Das Problem: Die seltenen Erden sind breit verstreut. Bohrt man an einem Ort nach ihnen, sind sie dort oft nur in geringem Ausmass verfügbar, womit die Förderung kaum Gewinn verspricht. Zudem sind aufwendige und umweltbelastende Verarbeitungsschritte nötig, um die Metalle in ihre Reinform zu bringen. Praktisch niemand tut sich das an – ausser chinesische Unternehmen.
90 Prozent aller seltenen Erden, die heute auf dem Weltmarkt verfügbar sind, werden von chinesischen Firmen gefördert. Bei der Verarbeitung von schweren seltenen Erden hat China eine Monopolstellung.
Auch in Europa ist die Abhängigkeit von China gross. EU-Kommissar Wopke Hoekstra kündigte vergangene Woche eine engere Zusammenarbeit mit Brasilien an. Er sagte: «Wir haben es mit chinesischem Selbstbewusstsein zu tun – manche werden sagen, mit chinesischer Aggression. Wir müssen Europa widerstandsfähiger gegen Druck von aussen machen.»
Ungewissheit in Schweizer Industrie
Die Schweizer Industrie ist von Chinas Ausfuhrkontrolle vor allem indirekt betroffen. Inländische Firmen kaufen verhältnismässig geringe Mengen an seltenen Erden ein – aber durchaus Komponenten, Zubehör und Technologieteile, die die entsprechenden kritischen Rohstoffe enthalten, wie Swissmem mitteilt. Zu den jüngsten Ausfuhrbeschränkungen Chinas habe der Branchenverband von seinen Mitgliedern bisher noch keine Anfragen oder Warnrufe bekommen. Dafür sei es noch zu früh, es zeichne sich keine klare Entwicklung ab.
Alessandra Hool, Geschäftsführerin der Stiftung Entwicklungsfonds «Seltene Metalle», sagt jedoch, der Schweiz fehle eine klare Übersicht über die Importabhängigkeiten bei den Rohstoffen: «Wenn die Zulieferer vollständig in einer Abhängigkeit zu China stehen, betrifft das die Schweiz genauso.»
Inmitten der geopolitischen Zuspitzung fordern manche Politiker, der Bund solle sich stärker um die Versorgung mit kritischen Rohstoffen kümmern. Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter hat im März in einer Interpellation gefragt, welche konkreten Massnahmen der Bundesrat zur Überprüfung und Minderung der Risiken bei der Rohstoffversorgung plane.
Swissmem sieht keinen Bedarf für staatliche Aufsicht. Der Branchenverband schreibt, er betrachte die Beschaffung kritischer Rohstoffe als unternehmerische Aufgabe: «Den Firmen ist die Herausforderung bezüglich der Sicherstellung der Versorgung mit Vorprodukten sehr bewusst.» Allen voran seit den Lieferkettenproblemen aus Zeiten der Corona-Pandemie, als Importe aus China unverhofft ausfielen, hätten die Firmen ihre Beschaffungskanäle diversifiziert.
Lektionen aus früheren Druckmassnahmen Pekings
Es ist nicht das erste Mal, dass China dem Westen die Abhängigkeiten von chinesischen Rohstoffen vorhält.
Bereits vor zwei Jahren führte China eine Lizenzpflicht für Exporte des Metalls Gallium und des Halbmetalls Germanium ein. Die beiden Elemente gehören nicht zu der Gruppe der seltenen Erden, sind aber wichtige Bestandteile von Halbleitern, Radarsensoren und anderen Einzelteilen von Rüstungsgütern. Im vergangenen Dezember ging die chinesische Regierung sogar noch weiter: Sie verbot den Export von Gallium, Germanium und dem Halbmetall Antimon in die USA.
Kurzfristig haben diese Massnahmen die Rohstoffe verteuert. Für westliche Käufer sind die Elemente heute zwei- bis dreimal so teuer, wie sie für chinesische Firmen sind. Selbst in den USA ist aber keine grössere Panik um die Versorgung ausgebrochen – zumindest bis jetzt.
Jack Bedder, Berater bei Project Blue, nannte der britischen Zeitschrift «Economist» drei Gründe dafür: Erstens hätten viele Käufer vor dem Exportverbot strategische Reserven angehäuft. Zweitens habe China bestehende Lieferverträge nicht aufgehoben, so dass bereits zugesicherte Kapazitäten nach wie vor ausgeliefert würden. Und drittens erhalten die USA auf indirektem Weg über Drittstaaten die Rohstoffe aus China.
Bezogen auf die jüngsten Ausfuhrkontrollen der seltenen Erden ist ungewiss, wie streng die chinesische Regierung bei der Vergabe der Exportlizenzen sein wird. Wäre sie bereit, Drittstaaten für ihre Weiterlieferung an die USA zu bestrafen? Oder gar sämtliche Exporte zu unterbinden?
2010 hat China den Export von seltenen Erden nach Japan ausgesetzt, nachdem es zwischen den beiden Staaten zu einem Streit um Hoheitsgewässer gekommen war. Japan habe danach eifrig nach Alternativen zu den seltenen Erden gesucht, sagt Alessandra Hool. Erstens investierte Japan in Forschungsprojekte, um die in Gütern verbauten seltenen Erden mit anderen Komponenten zu ersetzen. Zweitens schloss Japan Partnerschaften mit anderen Staaten ab, um die Förderung von seltenen Erden ausserhalb Chinas voranzutreiben. Ähnliches könnte laut Hool passieren, wenn China einen Lieferstopp gegen den Westen verhängen würde: «Die chinesische Regierung könnte dadurch längerfristig ihren Hebel verlieren.»
Wie wichtig sind die seltenen Erden überhaupt?
Zwei Weisheiten aus der jüngeren Vergangenheit könnten also lauten: Exportkontrollen sind selten so umfassend, wie sie scheinen. Und eigentlich hat selbst China kein Interesse daran, die Ausfuhren von seltenen Erden vollständig zu stoppen.
Gesamtwirtschaftlich gesehen ist der Verbrauch der seltenen Erden zudem relativ gering. Die USA haben 2024 gemäss der amerikanischen Geologiebehörde (USGS) seltene Erden im Wert von 170 Millionen Dollar importiert. Zum Vergleich: Amerikas Einfuhren von Wolle und Tierhaar hatten im gleichen Zeitraum einen Wert von 250 Millionen Dollar. Die Warner aus der Rüstungsindustrie dürfte das jedoch kaum beruhigen.