Die Angstmacherei der Gegner des Stromgesetzes verfing nicht. Mit dem neuen Stromgesetz lösen sich die Versorgungsprobleme jedoch nicht in Luft auf.
Landschaften, zugepflastert mit Windrädern und Solarpanels, Stromrechnungen, die für Otto Normalverbraucher bald nicht mehr bezahlbar sind, und eine Bevölkerung, die beim Bau von Kraftwerken nicht mehr mitreden kann. Mit diesen düsteren Bildern hat eine versprengte Gruppe von Natur- und Landschaftsschützern zusammen mit der SVP versucht, das Stromgesetz zu bodigen. Wie sich nun zeigt, verfing die Angstmacherei nicht. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sprechen sich in deutlicher Mehrheit für die Vorlage aus.
Und das völlig zu Recht: Mit dem Stromgesetz legt die Schweiz einen Grundstein, um ihre Versorgungsprobleme zu lösen. Zurückzuführen sind diese nicht zuletzt auf die Energiestrategie von 2017, die sich viel zu stark auf den Import von ausländischem Strom verliess. Welche Risiken die Schweiz damit einging, zeigte sich im Herbst vor einem Jahr, als die Schweiz nur knapp an einer Strommangellage vorbeigeschrammt ist. Der Volksentscheid vom Sonntag korrigiert nun diese Fehler und schafft die Grundlage für den Ausbau der Produktion von einheimischem Strom aus Wasser, Sonne und Wind. Unschön bleibt allerdings, dass die Subventionswirtschaft fortgesetzt wird.
Das Ja zum Stromgesetz ist auch ein bedeutender Schritt, um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen. Denn will die Schweiz von den fossilen Energien wegkommen, geht das nur, wenn dafür genügend einheimischer Strom zur Verfügung steht. Der Löwenanteil der Energie wird dabei auf bereits bestehender Infrastruktur produziert werden. Doch braucht es auch neue Grosskraftwerke. Gelingt es, die im Gesetz verankerten 16 Wasserkraftprojekte zu realisieren, dürfte dies zur Entspannung der Versorgungslage im Winter beitragen.
Eine schlechte Figur machte im Abstimmungskampf die SVP. Stand die Partei im Parlament noch hinter dem Stromgesetz, wechselte sie unter der Führung des neuen Parteipräsidenten Marcel Dettling drei Monate vor der Abstimmung flugs die Seiten. Haften bleibt der Eindruck, dass die Partei keine zuverlässige Kraft ist in der Energiepolitik. Statt mitzuhelfen, die drängenden Versorgungsprobleme zu lösen, inszeniert sie sich lieber in der Endlosschlaufe als Oppositionspartei.
Es verwundert nicht, dass massgebliche Teile der SVP-Basis unter diesen Vorzeichen dem Kurs ihres Magistraten Albert Rösti folgten. Mit dem Ja zum Stromgesetz feiert der Berner seinen wichtigsten Sieg in seiner noch jungen Karriere als Bundesrat. Dieser schmeckt umso süsser, als er trotz erbittertem Widerstand von Martullo-Blocher und Co. zustande kam. Im Parlament gelang ihm das Kunststück, ein Kompromisswerk zu schmieden, das von allen Parteien sowie auch den massgeblichen Umweltverbänden mitgetragen wurde. Im Abstimmungskampf agierte er souverän und hielt die abtrünnigen Parteikollegen argumentativ locker in Schach.
Allerdings sollte man sich keine Illusionen machen: Mit dem neuen Stromgesetz werden sich die Versorgungsprobleme der Schweiz nicht in Luft auflösen. Umweltschützer und andere Bedenkenträger werden auch in Zukunft immer Gründe finden, um den Bau neuer Kraftwerke mit Beschwerden zu verzögern. Das zeigt sich beim Triftstausee ebenso wie beim Projekt Gornerli, bei dem Landschaftsschützer bereits Widerstand angekündigt haben. Der Ausbau der Stromproduktion muss deshalb weiter beschleunigt werden, indem etwa die vielteiligen Bewilligungsverfahren gestrafft werden.
Ebenso wichtig ist es, dass die Schweiz nicht länger den Bau neuer Kernkraftwerke als Option ausschliesst. Denn ob sich unser Land den Ausstieg aus der Kernenergie längerfristig leisten kann, wenn es seine Klimaziele erreichen und eine sichere Versorgung gewährleisten will, bleibt nach wie vor sehr fraglich. In den kommenden Monaten eröffnet sich den bürgerlichen Parteien die Chance, in der Energieversorgung die die Wiederherstellung der Technologieoffenheit anzugehen. Sie sollten sie nutzen.