Nach fast vier Jahren Abwesenheit spaltet sich Sunrise von seinem Mutterkonzern ab und kommt zurück an die Schweizer Börse. Investoren winkt eine stattliche Dividende – doch es gibt auch Risiken.
Für André Krause ist es in gewisser Hinsicht ein Déjà-vu: Der Sunrise-CEO soll den zweitgrössten Schweizer Telekomkonzern Ende des Jahres an die Börse bringen – zum zweiten Mal in seiner Karriere. 2015, als Sunrise erstmals den Schritt aufs Parkett wagte, war Krause bereits als Finanzchef an Bord.
Doch dieses Mal, findet Krause, sei alles anders. «Wir haben eine viel bessere Startposition. 2015 hatten wir bei weitem nicht die Marktanteile, die wir heute haben.» Tatsächlich hat sich seit dem letzten Börsengang einiges verändert: Sunrise wurde 2020 von dem internationalen Konzern Liberty Global übernommen und mit dem Kabelnetzbetreiber UPC zusammengelegt. Aus dem reinen Mobilfunkunternehmen wurde ein fusionierter Konzern, der neben Handy- auch Festnetz- und TV-Abonnements anbietet.
Um die Fusion durchzuführen, nahm Liberty Sunrise im Frühjahr 2021 von der Börse. Nun, dreieinhalb Jahre später, sei das «heavy lifting» abgeschlossen, sagt Krause: Kundenstämme wurden migriert, IT-Systeme zusammengefügt und überzählige Mitarbeiter entlassen. Die Marke UPC ist aus der Öffentlichkeit verschwunden. Für Liberty Global ist der Zeitpunkt gekommen, die Tochter abzuspalten und in die Freiheit zu entlassen.
Der Weg zur Swisscom ist weit
Für Anleger bedeutet das, dass sie künftig neben den Titeln der Swisscom einen weiteren breit aufgestellten Schweizer Telekomkonzern in ihrem Portfolio halten können. André Krause kommt die Aufgabe zu, mit Sunrise, das er stets als «Herausforderer Nummer eins» bezeichnet, so weit wie möglich zur Hauptkonkurrentin Swisscom aufzuschliessen.
Der Weg zur Nummer eins ist weit, die Marktanteile der Swisscom sind nach wie vor beachtlich. Und die Wachstumsmöglichkeiten im Schweizer Telekommarkt sind für Sunrise wie auch für die Konkurrenz begrenzt. Besonders der Mobilfunkmarkt gilt als gesättigt, das Research-Haus Ampere Analysis errechnet für die nächsten Jahre eine Schrumpfungsrate von 0,4 Prozent pro Jahr. Im Endkundengeschäft sinken die Erlöse: Bei der Swisscom lag das entsprechende Umsatzminus im ersten Halbjahr 2024 bei 4 Prozent, bei Sunrise bei 2,2 Prozent.
Immer mehr Konsumenten steigen auf günstigere Zweitmarken wie Wingo (Swisscom) oder Yallo (Sunrise) um. Damit bleiben die Kunden zwar beim Unternehmen, doch der Umsatz je Nutzer sinkt – im Fall von Sunrise in den vergangenen drei Jahren um 6 Prozent, sowohl im Mobilfunk als auch beim Breitband. Das bereinigte operative Ergebnis ging in etwa derselben Grössenordnung zurück und lag im Jahr 2023 bei 1,04 Milliarden Franken.
Ist ein Wachstum realistisch?
Am Kapitalmarkttag am Montag versuchte der CEO André Krause daher, potenzielle Investoren davon zu überzeugen, dass es durchaus noch Wachstumspotenzial gebe. Neben den beiden Marken Sunrise und Yallo setzt Krause dabei auf steigende Umsätze mit Geschäftskunden. Gerade bei IT-Services für mittelständische Unternehmen sehe er Potenzial, erklärt er im Gespräch. Zudem steige der Bedarf an Dienstleistungen etwa im Bereich Cybersicherheit.
Jüngst erzielte Sunrise mit Geschäftskunden rund einen Viertel des Umsatzes, der Bereich wuchs im vergangenen Halbjahr um 7,1 Prozent. Bei der Swisscom waren die Wachstumsraten in den jüngsten Quartalen ebenfalls positiv, allerdings weniger hoch. Aber auch im Endkundengeschäft könne man Anteile gewinnen, so Krause – etwa durch weitere Bündelangebote oder das Geschäft mit Pauschalabos für neue Smartphones. Dieses und nächstes Jahr sollen für Sunrise noch Übergangsjahre ohne Wachstum werden, mittelfristig peile man ein stabiles Umsatzwachstum im niedrigen einstelligen Bereich an.
Verschuldung und Governance verunsichern Investoren
Ein Dorn im Auge dürfte vielen Investoren der Verschuldungsgrad des Unternehmens sein. Zum Ende des ersten Quartals 2024 belief sich die Verschuldung mit rund 5,5 Milliarden Euro auf das 5,1-Fache des operativen Ergebnisses (Ebitda). Die Verschuldung der Swisscom ist deutlich tiefer, selbst nach der kostspieligen Übernahme von Vodafone Italia beträgt sie nicht mehr als das 2,6-Fache des Ebitda. Um die Verschuldung von Sunrise zu senken, will Liberty noch vor dem Spin-off 1,5 Milliarden Franken in das Unternehmen investieren.
Das zeigt: Auch wenn der Mutterkonzern Sunrise formal zu 100 Prozent abspaltet, wird die Schweizer Tochter doch nicht vollständig eigenständig sein. So erhalten die beiden Liberty-Bosse John Malone und Mike Fries über eine separate Aktienkategorie B Titel, die nicht auf den Markt kommen. Über diese sind sie zu rund einem Viertel am Schweizer Konzern beteiligt. Fries wird darüber hinaus den Verwaltungsrat von Sunrise präsidieren. Aus Governance-Sicht dürfte dies einigen potenziellen Anlegern missfallen.
Alle anderen Liberty-Aktionäre erhalten eine Sunrise-Aktie für fünf Liberty-Papiere. Daran dürften nicht alle der international ausgerichteten Liberty-Aktionäre Interesse haben, weshalb ein Teil der Aktien als Überhang an die Börse kommt – zunächst in den USA, nach einer Übergangsphase von etwa neun Monaten dann in der Schweiz. Damit die Titel nicht unter Druck geraten, befindet sich Liberty laut der Nachrichtenagentur Reuters im Gespräch mit Investoren, die sich verpflichten könnten, bereits im Vorfeld Pakete zu kaufen und zu halten.
Sunrise lockt mit Dividende
Das Unternehmen versucht, neben den versprochenen Wachstumsmöglichkeiten mit einer attraktiven Dividende zu locken. Sunrise erwirtschaftete im Jahr 2023 einen bereinigten freien Cashflow von 352,5 Millionen Franken oder 12 Prozent des Jahresumsatzes. Mindestens 240 Millionen Franken will das Unternehmen jährlich als Dividende ausschütten – das entspricht einer Ausschüttungsquote von 70 Prozent, ebenso viel wie bei der Swisscom. Mittelfristig soll der Cashflow auf 410 Millionen Franken steigen.
Ob die Dividendenaussichten reichen, um grosse Investoren an Bord zu holen, wird sich zeigen. Der CEO André Krause hat noch einige Wochen Zeit, um sein Unternehmen im bestmöglichen Licht zu präsentieren. Der genaue Termin für den Börsengang steht noch nicht fest, er soll jedoch im vierten Quartal stattfinden. Im Oktober sollen die Liberty-Aktionäre die Pläne an einer ausserordentlichen Generalversammlung genehmigen.