Die Terrorgruppe Islamischer Staat Khorasan hat den Anschlag auf Khalil Haqqani für sich reklamiert. Dieser gehörte einem der mächtigsten Clans Afghanistans an. Die USA hatten ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar ausgesetzt.
Es ist unklar, wie der Attentäter am Mittwoch samt Sprengstoff durch alle Sicherheitskontrollen ins Regierungsviertel vordringen konnte. Das Gelände mitten in Kabul ist eine der am besten gesicherten Gegenden in ganz Afghanistan. Dennoch schaffte es der Selbstmordattentäter in die Nähe des Ministers für Flüchtlinge und Repatriierung, Khalil Haqqani. Als dieser angeblich eine Moschee verliess, riss der Attentäter Haqqani und mindestens drei weitere Personen mit sich in den Tod.
Den Anschlag hat wenig später der Islamische Staat Khorasan (IS-K) für sich reklamiert, ein Ableger des IS, der seit 2015 aktiv ist und sich nach der historischen Provinz Khorasan benennt. Diese umschliesst den nordöstlichen Teil Irans, Afghanistan und Turkmenistan. Der IS-K hat unter anderem zum Ziel, sich dieses Gebiet zu unterwerfen.
Seit die Taliban vor gut drei Jahren die Macht übernommen haben, ist das Selbstmordattentat der gewichtigste Vorfall zwischen den Taliban und dem IS-K. Der Anschlag wird in gewissen Kreisen als Kriegserklärung an die Taliban gewertet. Die Tatsache, dass dem IS-K der Anschlag gelungen ist, lässt zudem Zweifel daran aufkommen, ob die Taliban tatsächlich die Sicherheitslage in Afghanistan im Griff haben, wie es jüngst hiess. Das Attentat könnte auch zur Schlussfolgerung verleiten, dass der IS-K stärker ist als bisher angenommen.
Warlord, Spendensammler, gesuchter Terrorist
Mit Khalil Haqqani hat es nicht irgendeinen Minister getroffen, sondern ein bedeutendes Mitglied des berüchtigten Haqqani-Clans. Khalil Haqqani, vermutlich um die 60 Jahre alt, hat viele Bezeichnungen. Er war ein paschtunischer Warlord und ein von den USA gesuchter Terrorist. Er war Politiker und nicht zuletzt der Bruder von Jalaluddin Haqqani, dem Gründer des sogenannten Haqqani-Netzwerkes. Dieses wird von Kennern als eine der bedeutendsten militanten Gruppen weltweit bezeichnet.
Über die Jahre ist das Haqqani-Netzwerk zu einem halbautonomen, paramilitärischen Arm der Taliban geworden. Die Truppen galten als die am besten ausgebildeten und ausgerüsteten Milizionäre während des Afghanistankriegs von 2001 bis zum Abzug der westlichen Besetzer. Der Haqqani-Clan steht angeblich in enger Verbindung mit dem pakistanischen Geheimdienst, der auch mithelfen soll, die Haqqani-Truppen auszubilden. Seit August 2021 stellt der Clan eine wichtige Fraktion innerhalb der Taliban.
Khalils Neffe (und Jalaluddin Sohn), Sirajuddin Haqqani, bekleidete das Amt des Militärchefs der Miliz, bevor er 2021 zum Innenminister ernannt wurde. Die Haqqanis gelten innerhalb der Taliban-Führung in gesellschaftspolitischen Belangen als eher gemässigte Fraktion. So setzen sie sich angeblich dafür ein, dass Mädchen auch eine weiterführende Schulbildung absolvieren und Frauen arbeiten dürfen. Beides ist derzeit in Afghanistan verboten. Es soll deswegen mit den Hardlinern um den «Emir von Afghanistan» zu Spannungen gekommen sein.
Enge Verbindungen mit al-Kaida
Der Haqqani-Clan unterhielt lange auch enge Verbindungen zu al-Kaida. Mitglieder des Clans sollen mitgeholfen haben, Usama bin Ladin nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in Pakistan zu verstecken. Dort wurde bin Ladin 2011 von amerikanischen Spezialeinheiten gefunden und getötet.
Khalil Haqqani hatte innerhalb des Netzwerks lange die Rolle des Geldbeschaffers. Bis die Amerikaner 2011 auch ihn auf ihre Terrorliste setzten, flog der nun ermordete Minister regelmässig nach Europa, Russland und in die Golfstaaten, um Kontakte zu pflegen und Spenden zu sammeln. Die Amerikaner hatten ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt.
Das Haqqani-Netzwerk ging in den 1980er Jahren aus der von der CIA finanzierten antisowjetischen Mujahedin-Bewegung hervor. Der Gründer Jalaluddin Haqqani stand angeblich jahrelang persönlich mit CIA-Agenten in Kontakt, wendete sich dann aber vom Westen ab und schwor 1995 den Taliban die Treue. 2018 starb er nach langer Krankheit. Sein Bruder fiel nun einem Attentat zum Opfer.








