Aus zwei Typen kombinierte Solarzellen sind viel effizienter als konventionelle Siliziumzellen. Forscher haben jüngst grosse Fortschritte erzielt. Nun wollen Unternehmen in die Fertigung ganzer Module einsteigen.
Rot ist die Farbe der Leidenschaft, sie steht für Feuer, Wärme, Energie. Blau dagegen strahlt Kühle, Ruhe und Gelassenheit aus. Physikalisch gesehen verhält es sich jedoch umgekehrt: Blaues Licht schwingt mit kürzerer Wellenlänge und damit schneller als rotes. Deshalb sind blaue Lichtteilchen energiereicher.
Die heute den Photovoltaik-Markt beherrschenden Siliziumsolarzellen schwächeln allerdings bei Blau – sie verwerten vor allem den roten und den infraroten Anteil des Sonnenlichts. Deshalb haben Wissenschafter schon vor Jahrzehnten damit begonnen, nach Photovoltaik-Halbleitern zu suchen, die den energiereicheren Teil des Lichtspektrums für die Stromerzeugung erschliessen. In den letzten zehn Jahren haben sie sich hier vor allem auf die Materialgruppe der Perowskite konzentriert.
Sie setzen dabei auf ein Huckepackkonzept: Die Perowskite werden auf eine konventionelle Siliziumsolarzelle aufgetragen. Dort nutzen sie in erster Linie das blaue und das grüne Licht. Die rote Strahlung lassen sie zur darunterliegenden Siliziumschicht durch.
Die Effizienz ist höher als bei herkömmlichen Solarzellen
Mit dieser Zellen-Kombi ist es Wissenschaftern gelungen, die Effizienzgrade herkömmlicher Solarzellen weit hinter sich zu lassen. So hat ein Forscherteam der ETH Lausanne und des Schweizer Innovationszentrums CSEM mit einer solchen Tandemzelle im Sommer 2022 einen Wirkungsgrad von rund 31 Prozent erzielt. Das war damals Weltrekord. Mittlerweile liegt der Spitzenwert bei fast 34 Prozent, erreicht vom chinesischen Photovoltaik-Hersteller Longi. Die weltbeste Siliziumsolarzelle kommt derzeit nur auf gut 27 Prozent.
Die Kluft zwischen den beiden Solarzellentypen zeigt sich auch beim theoretischen Maximum: Der höchste physikalisch mögliche Wirkungsgrad von Perowskit-Silizium-Tandemzellen liegt laut Forschern des deutschen Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme bei 39,5 Prozent, der von herkömmlichen Siliziumzellen nur bei 29,4 Prozent.
Angesichts der schnellen Fortschritte im Labor nimmt die Solarbranche nun die Produktion ganzer Module mit Tandemzellen ins Visier. «Es gibt heute kaum grössere Hersteller von Siliziumsolarzellen, die sich nicht mit dem Einstieg in die Fertigung von Perowskit-Silizium-Modulen beschäftigen», sagt Michael Saliba, Leiter des Instituts für Photovoltaik der Universität Stuttgart.
So arbeiten zum Beispiel das koreanische Unternehmen Hanwha Qcells und das Helmholtz-Zentrum Berlin mit Partnern daran, in Ostdeutschland eine kleine Produktion aufzubauen, um Erfahrungen mit den Fertigungstechnologien zu sammeln. Das Projekt wird von der EU und dem Schweizer Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation gefördert.
Auch das britische Startup Oxford PV richtet derzeit in Deutschland eine erste Fertigung von Tandemzellen ein. Anfang des Jahres hatte das Unternehmen den Prototyp eines gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme entwickelten Perowskit-Silizium-Moduls vorgestellt, das immerhin auf 25 Prozent Wirkungsgrad kommt – 4 Prozentpunkte mehr, als Standardmodule heute im Durchschnitt erreichen.
Es gibt noch keine etablierte Methode für die Fertigung
Um Perowskit-Silizium-Module in Serie produzieren zu können, habe die Branche allerdings noch einige Aufgaben zu lösen, sagt der Perowskit-Spezialist Christian Wolff von der ETH Lausanne. Vor allem bei der Beschichtung: «Die Perowskite müssen sehr gleichmässig auf der gesamten Siliziumfläche verteilt werden», sagt der Forscher. Das bedeute für die Fertigung eine Herausforderung, da es noch keine etablierte Methode gebe.
Neben technischen Hürden gibt es ein weiteres Hindernis für die Tandemmodule: die Dominanz der etablierten Silizium-Photovoltaik. Deren Kosten sind mit dem Bau zahlreicher Multi-Gigawatt-Werke in Asien in den letzten Jahren stark gefallen. Perowskit-Silizium-Module zu produzieren, wird, bezogen auf die Leistung, wohl zunächst um einiges teurer sein, trotz der höheren Effizienz – vor allem, weil die Stückzahlen anfangs sehr viel geringer sein werden.
Die hohen Produktionskosten würden die Hersteller aber nicht davon abhalten, Tandemmodule intensiv auf ihre Markttauglichkeit zu prüfen, äussert der Stuttgarter Forscher Saliba seine Erwartungen. «Wartet die Konkurrenz mit wettbewerbsfähigen, hocheffizienten Perowskit-Silizium-Modulen auf, riskieren zögerliche Unternehmen, sich einen Zukunftsmarkt entgehen zu lassen.»
Wie verhalten sich die Zellen über lange Zeiträume?
Manche Unternehmen dürften den Einstieg in dieses Segment aber schon deshalb scheuen, weil sich heute noch nicht abschätzen lässt, wie sich die Tandems über lange Zeiträume verhalten werden. Sie sind nämlich empfindlicher gegenüber Umwelteinflüssen als reine Siliziumzellen, so dass sie schneller an Leistung verlieren können.
«Wissenschaft und Industrie haben mit Blick auf die Langzeitstabilität in jüngerer Zeit zwar viel erreicht, unter anderem durch eine bessere Verkapselung der Zellen», sagt Wolff. Ob das genüge, werde sich aber erst in einigen Jahren zeigen.
Hier sei Mut gefragt, so Saliba: «Wer zuerst eine belastbare Garantie für Tandemmodule ausweisen kann, sichert sich einen Vorsprung am Markt, der die Konkurrenz in Zugzwang versetzen würde.» Dabei muss es gar nicht eine Garantie über 30 Jahre sein, wie sie bei den konventionellen Modulen heute üblich ist.
«Für Projektierer von Solarparks dürften schon 15 Jahre Garantie interessant sein. Nach dieser Zeit könnten sie die Module der ersten Generation im Rahmen eines sogenannten Repowerings gegen solche austauschen, die mit der Weiterentwicklung der Tandemmodule dann noch effizienter sein werden», meint Christian Wolff von der ETH Lausanne.
Manche Hausbesitzer könnte eine kürzere Lebensdauer abschrecken – auch wenn die Kosten pro erzeugte Kilowattstunde Strom wegen der höheren Wirkungsgrade niedriger sein sollten als bei den Standardmodulen. Gerade Eigentümer von Elektroautos und Wärmepumpen würden aber von den ertragreicheren Perowskit-Silizium-Modulen profitieren, da ihr Strombedarf gross, die Dachfläche aber begrenzt ist.
Neben der höheren Effizienz kommt den Tandemzellen im Wettbewerb mit der etablierten Silizium-Photovoltaik noch ein weiterer Umstand zugute: «Sie benötigen verglichen mit den Siliziumzellen bis zu 75 Prozent weniger kritische Rohstoffe wie Silber oder Indium», sagt Wolff.
Das sei vor allem im Hinblick auf die Zukunft wichtig. Denn diese Materialien würden zurzeit nicht in ausreichendem Masse abgebaut, um die Photovoltaik-Ausbauziele, die man sich gesetzt habe, zu erreichen. Weiten die Hersteller die Fertigung konventioneller Module stark aus, könnte es zu Rohstoffengpässen und steigenden Preisen kommen.
Nicht zuletzt dürfte das Tandemkonzept davon profitieren, dass die EU eine Photovoltaik-Fertigung in Europa aufbauen will, um sich unabhängiger von Importen aus Fernost zu machen. Da ist es sinnvoll, auch auf eine Technologie zu setzen, die gegenüber der herkömmlichen Photovoltaik noch viel Entwicklungspotenzial hat. Saliba ist überzeugt: «Perowskit-Silizium-Zellen sind ein Hightech-Produkt, mit dem wir Europäer uns von den chinesischen Herstellern abheben könnten.»
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