Ein Zyklon richtete in Mayotte und in Moçambique massive Zerstörung an. Während die französische Überseeinsel auf Unterstützung aus Paris bauen kann, bleibt Moçambique auf internationale Hilfe angewiesen.
«Chido» kam unerwartet schnell und mit einer unheilvollen Kraft. Mit über 220 Kilometern pro Stunde fegte der Zyklon am Wochenende über die zu Frankreich gehörende Insel Mayotte hinweg. Der Sturm richtete auf der Insel grosse Verwüstung an. Danach zog er über den indischen Ozean und steuerte auf das afrikanische Festland zu. Über dem Ozean wurde der Sturm noch stärker. Am Sonntag traf er mit mehr als 240 Kilometern pro Stunde auf die Küste von Moçambique, begleitet von heftigen Regenfällen und Gewittern. Zeitweise fielen 250 Liter Regen pro Quadratmeter.
Die Folgen sind für die betroffenen Gebiete fatal. In Mayotte sind laut ersten Berichten 31 Personen ums Leben gekommen. Die Behörden befürchten weit höhere Opferzahlen. Der französische Innenminister Bruno Retailleau erklärte bei einem Besuch vor Ort: «Eine genaue Zahl lässt sich noch nicht nennen.»
In der Region herrscht Chaos. Tausende Haushalte haben keinen Strom. Die Wasserversorgung stockt, das Telefonnetz fällt aus. Blockierte Strassen machen viele Gebiete unzugänglich.
Mayotte ist seit 2011 ein Übersee-Departement und damit Teil der Französischen Republik. Und Frankreich reagierte nach dem Sturm schnell. Bereits am Montag starteten erste Hilfslieferungen. Ärzteteams und Hilfsgüter erreichen die Insel nun täglich mit drei Flügen. Ein Feldspital wird aufgebaut, um die medizinische Versorgung sicherzustellen.
Der Sturm trifft die ärmste Region von Moçambique
Die kleine Insel Mayotte rückte nach dem Zyklon in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Moçambique, nur 100 Kilometer weiter westlich, blieb hingegen fast unbeachtet und in vielen Berichten lediglich eine Randnotiz. Doch auch dort richtete der Zyklon verheerende Schäden an.
«Die internationale Aufmerksamkeit fehlt», sagt Ben Blumenthal, Landesverantwortlicher für Moçambique bei der Schweizer Entwicklungsorganisation Helvetas. Er ist seit Oktober in der Hauptstadt Maputo stationiert. Während Mayotte auf Hilfe aus Paris zählen könne, fehle Moçambique das Geld. «Die Organisation der Hilfeleistungen hier ist schwierig», sagt Blumenthal.
Durch «Chido» sind laut ersten Meldungen mindestens 45 Personen ums Leben gekommen. Die Lage in den betroffenen Gebieten ist besonders prekär. Moçambique gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Es wurde 1975 von Portugal unabhängig. Doch die grosse Armut und ein langer Bürgerkrieg erschwerten die selbständige Existenz. Auch heute herrschen im Land politische Unruhen, die Entwicklung stagniert. Der Zyklon traf Cabo Delgado, eine der ärmsten Provinzen des Landes. Dort leiden die Menschen seit Jahren unter einem bewaffneten Konflikt. Jihadistische Terrorangriffe haben Hunderttausende in die Flucht getrieben.
Wer geblieben ist, lebt in einfachen Lehmhütten mit Wellblechdächern. Die einfachen Behausungen hatten gegen den Sturm keine Chance. «Die Infrastruktur lässt sich wieder aufbauen», sagt Blumenthal. «Aber das Hab und Gut der Menschen ist verloren.» Der Zyklon zerstörte mehr als 35 000 Gebäude, darunter Wasserversorgungsanlagen, Schulen und Kliniken. Fast 200 000 Personen sind betroffen. Für das krisengebeutelte Land ist der Zyklon ein weiterer Rückschlag.
Moçambique spürt die Folgen des Klimawandels besonders stark. Das Land liegt auf einer Zyklonschneise und wird immer wieder von heftigen Stürmen getroffen. Im Frühjahr 2023 wütete der Zyklon «Freddy» durch das Land und forderte mindestens 176 Todesopfer.
Die Regierung tätige zwar Investitionen, um das Land besser auf tropische Wirbelstürme vorzubereiten, sagt Blumenthal. Ein Frühwarnsystem sei eingeführt worden, und beim Wiederaufbau kann man in Zukunft «zyklonsichere» Gebäude errichten. Doch das reiche nicht. «Moçambique fehlen die finanziellen Mittel, um alle notwendigen Massnahmen umzusetzen», sagt Blumenthal. Das Land bleibe auf internationale Hilfe angewiesen, um sich nachhaltig entwickeln zu können. Blumenthal kennt sich mit Zyklonen und deren Folgen aus. Vor seiner Zeit in Moçambique war er für Helvetas in Bangladesh stationiert. Das Land in Südasien wird ebenfalls häufig von heftigen Tropenstürmen heimgesucht.
Gefahr weiterer Cholera-Ausbrüche
Das Wichtigste sei nun schnelle Hilfe, sagt Blumenthal. «Die Menschen brauchen sauberes Wasser, Unterkünfte und Nahrung.» Die Strassen in die ländlichen Gebiete seien wegen des Sturms blockiert. Infolge des anhaltenden Konflikts mit bewaffneten Aufständischen, die teils zum Netzwerk des Islamischen Staates gehören, arbeiten bereits zahlreiche Hilfsorganisationen in der Region. Dies ermöglicht es, den Betroffenen rasch Hilfe zukommen zu lassen. «Bei aller Tragik kann man fast von Glück im Unglück sprechen», sagt Blumenthal. Trotzdem bleibe die Lage kritisch.
Schon vor dem Zyklon war die humanitäre Situation alarmierend. Laut dem Uno-Kinderhilfswerk Unicef benötigen 4,8 Millionen Menschen in Moçambique Unterstützung. Besonders der Norden kämpft immer wieder mit Cholera-Ausbrüchen. Die Folgen des Zyklons verschärfen die Gefahr.
Zudem gibt es in den betroffenen Gebieten keine Elektrizität. Der Strom sei aus Sicherheitsgründen abgeschaltet worden. Internet und Telefon funktionierten seit Tagen nicht. Es gebe derzeit keine verlässlichen Zahlen zu den Todesopfern, sagt Blumenthal. Er erwartet, dass sich das volle Ausmass der Katastrophe erst in den kommenden Tagen zeigen wird.
Macron will für Mayotte eine Staatstrauer ausrufen
In Mayotte haben derweil unter der Mithilfe von Frankreich die Aufräumarbeiten begonnen. Die französische Nationalversammlung und das Europaparlament legten am Montag jeweils eine Schweigeminute für die Betroffenen in Mayotte ein.
Am Mittwoch landete der französische Präsident Emmanuel Macron auf der Insel, um sich selbst ein Bild der Lage machen. Dafür sagte er seinen EU-Gipfel-Besuch in Brüssel ab. Zuvor erklärte er auf dem Kurznachrichtendienst X: «Angesichts dieser Tragödie, die uns alle erschüttert hat, werde ich eine Staatstrauer ausrufen.»