Giorgia Meloni geht mit einer starken Meinungsmacht ins Wahljahr 2024. Wie hat sie das geschafft?
Es herrschen Kriege auf der Welt, doch in der Hauptnachrichtensendung des wichtigsten öffentlichrechtlichen Fernsehkanals in Italien sind Nudeln das Hauptthema. Im Studio sitzt der Schwager von Giorgia Meloni. Als Landwirtschaftsminister hat Francesco Lollobrigida eigentlich mehr mit den Bauernprotesten zu tun als mit Weltraummissionen. Doch er will die Brücke schlagen und spricht über Pasta, die speziell für die Konsumation im Weltraum entwickelt wurde. Er sagt: «Wir erobern mit dem italienischen Hartweizen den Weltraum.»
Der Auftritt von Lollobrigida löste in den sozialen Netzwerken Belustigung («Minister im Mond») und bei der Opposition Empörung aus. Dort stört man sich auch an tendenziösen Schlagzeilen. So titelte die Nachrichtensendung über einen Kabinettsbeschluss: «1000 Euro mehr für alte Leute». Die Regierung hatte eine Erhöhung der Sozialhilfe für pflegebedürftige Senioren über 80 Jahren beschlossen. Zugutekommen wird die Unterstützung aber nicht allen, sondern nur einem geringen Prozentteil der alten Leute – etwa 29 000 Rentnern.
Für Ärger sorgt auch, dass im öffentlichrechtlichen Fernsehen rechtsextremistischen Kräften Raum gegeben wird. Ein regionaler RAI-Kanal berichtete neulich über den Neofaschisten Roberto Fiore, der seine Kandidatur für die Partei Forza Nuova bei den bevorstehenden Europa- und Regionalwahlen angekündigt hatte. Erst vor einem Monat war Fiore zu acht Jahren Haft verurteilt worden, weil er mit seinen Mitstreitern die römische Gewerkschaftszentrale gestürmt und verwüstet hatte.
Spötter nennen RAI nun «Tele-Meloni»
Giorgia Meloni ist 15 Monate nach ihrem Regierungsantritt einem Ziel sehr nah gekommen: Der rechtspopulistischen Regierungschefin gelang es, sich den öffentlichrechtlichen Rundfunk fügsam zu machen. In den Chefetagen wurden Gefolgsleute als Topmanager, Programmdirektoren und Nachrichtenchefs installiert. Das öffentlichrechtliche Fernsehen ist in Italien von beiden politischen Lagern verpolitisiert worden. Auch linke Regierungen haben jeweils ihre Gefolgsleute bei der RAI platziert.
Meloni hatte sich vorgenommen, die «kulturelle Hegemonie der Linken» in Italien zu brechen. Da ist es dann normal, dass der RAI-Programmdirektor Paolo Corsini als Mitglied ihrer Fratelli d’Italia auf einer Parteiveranstaltung in Rom auftritt und von der Bühne die Oppositionsführerin Elly Schlein angreift. Die Anhänger Melonis haben beim Staatssender inzwischen eine eigene Gewerkschaft gegründet. Ihr Chef Francesco Palese sagt: «Die Neuausrichtung der RAI hat gerade erst begonnen.»
Sie schlägt sich in der politischen Berichterstattung der drei RAI-Kanäle bereits deutlich nieder. Ihre Nachrichtensendungen räumten Meloni im Dezember 87 Minuten ein, während sie ihrer Rivalin Schlein, der Vorsitzenden des Partito Democratico, ein Drittel der Zeit einräumten. Das private TV-Imperium Mediaset ist dem rechten Lager traditionell gewogen – es gehört der Familie Berlusconi, die Melonis Koalitionspartner Forza Italia finanziert.
Allerdings kommt «Tele-Meloni», wie Spötter die RAI nun nennen, bei den Zuschauern nicht so gut an. Die Einschaltquoten gehen zurück. Viele populäre Zugpferde verliessen den Sender. Ihre Nachfolger floppten fast durch die Bank. Das Ergebnis: Erstmals hat die staatliche RAI ihren Vorsprung auf den privaten Mediaset-Konzern eingebüsst. Corrado Augias, der Grandseigneur des italienischen Fernsehens, sagte bei seinem Weggang von der RAI: «Eine meist inkompetente Regierung hat bei der Zerstörung des öffentlichrechtlichen Fernsehens maximale Effizienz bewiesen.»
«Champagner-Journalisten»
Neuerdings verschärft Meloni ihre Angriffe gegen regierungskritische Zeitungen. Ins Visier nahm die Regierungschefin insbesondere den Fiat-Erben John Elkann, der über die Familienholding Exor die römische Zeitung «La Repubblica» und die Turiner «La Stampa» kontrolliert. Ihm wirft Meloni eine «antiitalienische Konzernführung» vor. Die Parlamentarier ihrer Partei Fratelli d’Italia wurden zudem in einer internen Nachricht angewiesen, Kritik an der Zeitung zu üben: «La Repubblica» greife die Regierung und die Fratelli d’Italia an, anstatt zu informieren und Nachrichten zu verbreiten, sollte der Vorwurf lauten.
Der frühere «Repubblica»-Chefredakteur Ezio Mauro sieht darin demokratische Grundprinzipien ins Gegenteil verkehrt. «In normalen Ländern sind es die Zeitungen, die über die Regierung urteilen, und nicht die Regierungen, die Zeitungen anprangern.»
Während Meloni sich mit Elkann anlegt, knöpft sich ihr Schwager Lollobrigida die Journalisten vor. Der Minister geisselte nach seiner verspotteten Nummer mit der Weltall-Pasta «die Journalisten, die mit Champagner grossgezogen wurden» und keinen Respekt vor den Landwirten haben. «Schliesslich ist ihnen der Geruch von Gülle unbekannt in ihren Salons und Redaktionen», schrieb er.
Es ist zu erwarten, dass sich die Stimmung weiter aufheizen wird. Meloni erhofft sich von den Europa- und den Regionalwahlen im Juni eine weitere Festigung ihrer Position. Ihre Rivalin Elly Schlein hat für Mittwoch zu einer Sitzblockade vor der Sendezentrale der RAI in Rom aufgerufen.