Der Telekom-Milliardär war 2023 nach 15 Jahren im Exil in die Heimat zurückgekehrt und wegen Korruption verurteilt worden. Am Sonntag kam er vorzeitig frei. Die Freilassung wird kritisiert: Erhält Thaksin eine Sonderbehandlung? Die Konservativen sind nervös.
Nach 15 Jahren Flucht, Exil und Haft ist Thailands einstiger Regierungschef Thaksin Shinawtra erstmals in die Residenz der Familie in Bangkok zurückgekehrt. Am Sonntagmorgen gegen 6 Uhr verliess er in einem schwarzen Kleinbus das Police General Spital, wo er als Inhaftierter seit dem 23. August behandelt worden war; der 74-Jährige soll unter Schmerzen in der Brust, Bluthochdruck und niedrigen Sauerstoffgehalt im Blut gelitten haben. Seine Tochter Paetongtarn hatte ihn im Spital abgeholt und schrieb anschliessend auf Instagram: «Thaksin ist zu Hause angekommen und hofft, dass er bei guter Gesundheit sein wird.»
Thaksin Shinawatra is released on parole and returns to his family mansion, Ban Chan Song La in Bangkok this morning. This is the first time the media got a glimpse of him after his 180 days at the Police General Hospital.
Read more: https://t.co/S8R6muRNGz#ThaiPBSWorld… pic.twitter.com/k7pJETkgd3
— Thai PBS World (@ThaiPBSWorld) February 18, 2024
Die Popularität wurde zum Verhängnis
Thaksin ist eine der prägendsten Politiker Thailands in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Er hatte zunächst als Geschäftsmann Milliarden verdient, bevor er in die Politik ging. 2001 wurde er zum Regierungschef gewählt, vier Jahre später errang seine Partei 75 Prozent der Sitze im Abgeordnetenhaus. Thaksin stand der ersten zivilen Regierung Thailands vor, die eine Legislaturperiode beendete und wiedergewählt wurde.
Er war besonders unter den Armen populär, weil er ihnen eine Stimme gab. Zu seinen Errungenschaften zählte eine Krankenversicherung, durch die sich die unteren Einkommensschichten den Gang ins Spital leisten konnten. Seine Popularität kam beim Königshaus und dem Militär jedoch nicht gut an: 2006 putschte die Militärjunta ihn aus dem Amt. 2008 verliess Thaksin seine Heimat. Die meiste Zeit hielt er sich in Dubai auf.
Mindestens 20-mal hatte Thaksin seit seiner Flucht ins selbstgewählte Exil die Rückkehr nach Thailand angekündigt. Am 22. August vergangenen Jahres war es so weit. Direkt nach seiner Ankunft in Bangkok wurde er verhaftet. Der Oberste Gerichtshof verurteilte ihn wegen Machtmissbrauches und Interessenkonflikts zu einer achtjährigen Gefängnisstrafe.
Hinter Gittern sass er jedoch nur wenige Stunden. In der Nacht vom 22. auf den 23. August wurde er ins Spital eingeliefert, wo er seitdem eine bevorzugte Behandlung erfahren haben soll. Und aus dem Krankenhaus kehrte er am Sonntagmorgen in die Residenz der Familie zurück.
Der König selbst reduzierte die Strafe
Gemäss thailändischen Gesetzen ist die vorzeitige Freilassung Thaksins rechtens. Im September vergangenen Jahres hatte das Königshaus seine Haftstrafe auf ein Jahr reduziert. Und nun griff die Regel, dass Inhaftierte, die älter als 70 Jahre und bei schlechter Gesundheit sind und die Hälfte ihrer Haftstrafe abgesessen haben, gegen Zahlung einer Kaution freigelassen werden können. Diese Kriterien erfüllte Thaksin.
Allerdings ist seine VIP-Behandlung im Spital scharf kritisiert worden. Tage vor seiner Freilassung zogen erboste Thailänder auf die Strassen und hatten sich Plakate umgehängt, auf denen Slogans wie «Ministry of Justice, really?» oder «Du wagst es schlechte Taten zu begehen. Aber Du traust Dich nicht, ins Gefängnis zu gehen» standen. Die Antikorruptions-Kommission kündigte denn auch an, Beschwerden nachzugehen, ob die Strafvollzugsbehörden und die Polizei Thaksin bevorzugt behandelt haben.
Zum Unmut trägt auch bei, dass junge Thailänderinnen und Thailänder, die wegen angeblicher Majestätsbeleidigung im Gefängnis sitzen, im Gegensatz zu Thaksin nicht gegen Zahlung einer Kaution freigelassen werden. Auf Basis von Artikel 112 des Strafgesetzbuches können mutmassliche Beleidigungen des Königshauses mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden. Der Artikel ist bewusst vage formuliert, damit die Behörden willkürlich agieren können.
Wie reagieren die Konservativen?
Thaksins Rückkehr aus dem Exil wäre ohne Absprachen mit dem konservativen Establishment nicht möglich gewesen. Die beiden Seiten hatten sich seit Thaksins politischem Aufstieg bekriegt, weshalb der Schulterschluss nach zwei Jahrzehnten der Fehde überraschend kam. Teil der Abmachung muss gewesen sein, dass Thaksin viel Geld zahlte und Grundstücke überschrieb, damit das konservative Establishment ihn zurückkehren liess.
Aber der konservativen Elite werden die vergangenen sechs Monate mit der VIP-Sonderbehandlung missfallen haben: Sie rücken die Justiz und die Polizei als Pfeiler der konstitutionellen Monarchie in ein schlechtes Licht, wie die Proteste gegen die vorzeitige Freilassung zeigen. Die Thailänder hätten die Haftverschonung eher akzeptiert, wenn Thaksin die sechs Monate in einem Gefängnis und nicht in einem Spital verbracht hätte.
Und die Konservativen werden sich fragen, ob sie Thaksin trotz aller Absprachen trauen können. Sie wittern die Gefahr, dass Thaksins Partei Pheu Thai, die bei der Wahl im vergangenen Jahr den zweiten Platz belegte, mit dem Wahlsieger Move Forward gemeinsame Sache machen und dann gegen das Königshaus und das Militär vorgehen könnte.
Die Konservativen halten deshalb noch ein scharfes Schwert in ihren Händen. Thaksin hatte 2015 einem koreanischen Medium ein Interview gegeben. Darin soll er das Königshaus beleidigt und damit gegen Artikel 112 verstossen haben. Sollten die Konservativen den Eindruck haben, Thaksin sei nicht zu trauen und er verstosse gegen den Deal, könnten sie ihn wegen Majestätsbeleidigung abermals ins Gefängnis bringen.