Anzeichen für eine Erholung der globalen Konjunktur häufen sich. Ermutigende Signale kommen aus dem Halbleitersektor, wo führende Hersteller für industrielle Anwendungen wie Analog Devices und Texas Instruments nach einem brutalen Abschwung erstmals zuversichtlichere Töne anschlagen.
Nvidia hat es wieder einmal allen gezeigt: Der grösste Profiteur des KI-Booms macht mit einem glänzenden Quartalsabschluss klar, dass er bis auf weiteres in beneidenswertem Tempo wachsen wird. Die für die Finanzmärkte wichtigste Nachricht aus dem Halbleitersektor kommt diese Woche möglicherweise aber nicht aus dem Silicon Valley von Nvidia-Chef Jensen Huang, sondern von Vincent Roche, dem CEO von Analog Devices.
Wie der Name suggeriert, ist das Unternehmen aus Norwood, Massachusetts, einer der grössten Hersteller von Analog-Chips. Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um Sensoren und ähnliche Komponenten, die physische Signale wie Licht, Ton oder elektrische Spannung in binäre Daten umwandeln. Weil sie heute in praktisch jedem Bereich der modernen Wirtschaft eingesetzt werden, gelten sie als guter Indikator zur allgemeinen Konjunkturlage.
Was Konzernchef Roche beim Abschluss zur Berichtsperiode per Ende April zu sagen hatte, lässt deshalb aufhorchen. «Die Bereinigung der Lagerbestände in unserem breiten Kundenstamm stabilisiert sich und ebnet den Weg für die Rückkehr zu sequenziellem Wachstum im dritten Quartal», meinte er. «In Kombination mit einem steigenden Auftragseingang stimmt uns dies optimistisch, dass wir am Anfang einer zyklischen Erholung stehen.»
Rückkehr zu Wachstum
Wie andere Segmente des Halbleitersektors unterliegt das Geschäft mit Analog-Chips starken Schwankungen. Analog Devices und vergleichbare Hersteller erlebten angesichts der Engpässe während der Pandemie einen präzedenzlosen Boom. Doch dann drehte der Zyklus ab dem zweiten Halbjahr 2021, worauf ein brutaler Abschwung einsetzte, der durch die generelle Abkühlung der Konjunktur verschärft wurde.
Im vergangenen Jahr sank der globale Umsatz mit Analog-Chips um fast 9% auf 81,8 Mrd. $. Zum Vergleich: Insgesamt gingen die weltweiten Halbleiterverkäufe um etwas mehr als 8% auf 527 Mrd. $ zurück.
Nach einer Reihe enttäuschender Quartale ist offenbar erstmals Licht am Ende des Tunnels ersichtlich. Das könnte auch ein gutes Zeichen für die Wirtschaft generell sein, denn der am breitesten ausgerichtete und profitabelste Endmarkt von Analog Devices sind Anwendungen für die Industrie.
Gemäss Finanzchef Richard Puccio hat dieser Geschäftsbereich «im vergangenen Jahr eine weitreichende Korrektur der Lager überstanden.» In der jüngsten Berichtsperiode habe er das Tief überwunden und zeige am meisten Dynamik. Der Markt für industrielle Anwendungen «wird im zweiten Halbjahr wachsen, angefangen hier im dritten Quartal», sagte Puccio während der Ergebnisbesprechung mit Analysten.
Geografisch betrachtet hat China die Trendwende geschafft und ist im Berichtszeitraum gegenüber dem Vorjahr gewachsen; ebenso wie Japan. In beiden Regionen soll das Geschäft in der zweiten Jahreshälfte weiter expandieren. In Nordamerika geht es ebenfalls aufwärts, während Europa nach wie vor schwach bleibt. Immerhin nehmen die Bestellungen in beiden Regionen zu.
Die Zuversicht reflektiert sich im Ausblick. Für den laufenden Berichtszeitraum stellt Analog Devices einen Umsatz von 2,27 Mrd. $ in Aussicht, was die bisherigen Analystenschätzungen von 2,17 Mrd. $ übertrifft. Über den Erwartungen kommt auch der prognostizierte Gewinn pro Aktie mit 1.50 $ zu liegen, nachdem der Konsens bislang mit 1.35 $ gerechnet hatte.
Positive Signale aus Texas
«Der Quartalsbericht ist positiv für die gesamte Branche», schreibt Timothy Arcuri, Halbleiteranalyst in Diensten von UBS in einer Einschätzung.
An der Börse sorgt das entsprechend für Bewegung. Wie meistens im Halbleitersektor spekulieren Investoren schon weit im Vorfeld auf eine Erholung. Der Aktienkurs von Analog Devices machte nach der Ergebnispublikation einen Sprung von knapp 10% und bewegt sich auf Rekordniveau. Auch die Titel anderer Spezialisten für Analog-Chips wie Texas Instruments, ON Semiconductor oder STMicroelectronics verspürten Auftrieb.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sich auch Texas Instruments vor einem Monat überraschend optimistisch zu den Geschäftsaussichten äusserte. Nachdem der Leader im Feld der Analog-Chip-Hersteller zuvor während anderthalb Jahren die Erwartungen stets gedämpft hatte, übertraf seine Prognose für das laufende Quartal die Analystenschätzungen.
Bei der Präsentation des Leistungsausweises tönte es ähnlich wie bei Analog Devices. Wie das TI-Management sagte, verdichten sich selbst im Industriebereich, wo die Nachfrage am stärksten gelitten hat, Anzeichen einer Stabilisierung. «Offensichtlich gab es einige Kunden, die sich dem Ende des Lagerabbauzyklus nähern», hiess es beim Earnings Call. Angenehm überraschte ebenso NXP Semiconductors, ein weiterer bedeutender Hersteller von Analog-Chips.
In dieses Bild passt, dass gängige Vorlaufindikatoren zur Wirtschaft nach oben tendieren. Der globale Einkaufsmanagerindex von J.P. Morgan beispielsweise ist im April mit 52,4 auf den höchsten Stand seit zehn Monaten gestiegen. «Der wirtschaftliche Aufschwung wurde durch ein steigendes Neugeschäft gestützt, einschliesslich einer leichten Zunahme des internationalen Handelsvolumens», halten die Ökonomen der US-Grossbank fest.
Erholung gewinnt an Breite
In Summe deuten die jüngsten Nachrichten darauf hin, dass sich mit der Industrie ein weiterer Schlüsselmarkt der Halbleiterbranche zu erholen beginnt. Als erstes setzte der zyklische Aufschwung im PC-Geschäft ein, worauf eine Aufhellung bei Smartphones folgte. Einen besonders kräftigen Aufschwung erleben derzeit Hersteller von Speicherchips. Und der Boom bei Rechenprozessoren für KI-Modelle ist ohnehin eine Kategorie für sich.
Gemäss den neusten Daten, die der Branchenverband SIA Anfang Mai veröffentlicht hat, ist der globale Umsatz in der Halbleiterindustrie im März um 16% gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Klammert man das hoch volatile Memory-Segment aus, resultierte ein Zuwachs von 5%.
«Es scheint so, dass die Bodenbildung/Erholung im Markt für Analog-Chips nach einigen Quartalen mit schwachen Ergebnissen und erheblichen negativen Gewinnrevisionen tatsächlich bevorsteht», meint Stacy Rasgon, langjähriger Halbleiteranalyst bei Bernstein Research. «Wie der Aufschwung von hier aus weitergehen wird, ist allerdings noch offen», relativiert er.
Ein neuer Chip-Zyklus beginnt in der Regel mit der Bereinigung der Lager. Nicht vergessen werden sollte in dieser Hinsicht aber, dass die Zahlen der meisten Unternehmen nach wie vor rückläufig sind. Analog Devices verzeichnete im vergangenen Quartal einen Umsatzrückgang von 34% auf knapp 2,2 Mrd. $. Bei Texas Instruments sank der Umsatz im Vorjahresvergleich 16% auf weniger als 3,7 Mrd. $.
Ein entscheidendes Teil im Puzzle, das bisher noch fehlt, ist die Erholung der Nachfrage aus der Autoindustrie. Sie ist für Hersteller von Analog-Chips ebenfalls ein wichtiger Markt, da es sich oft um ähnliche Komponenten wie bei industriellen Anwendungen handelt. Nachdem das Segment im letzten Boom am längsten auf Expansionskurs geblieben ist, hinkt es beim Aufschwung am weitesten hinterher.