Nikki Haley kann Trumps Siegeszug auch am «Super Tuesday» nicht aufhalten. Nun bleibt die Frage, was aus Haley und ihren Wählern wird. Trotz ihrer Niederlage hat die 52-Jährige noch Optionen, um die Wahl im Herbst mitentscheiden zu können.
Nikki Haley konnte Donald Trump auch am «Super Tuesday» nicht ernsthaft in Bedrängnis bringen. In 15 amerikanischen Gliedstaaten fanden am Dienstag republikanische Vorwahlen statt. Doch Trumps ehemalige Uno-Botschafterin lag am Abend fast überall mehr oder weniger deutlich in Rückstand.
Während die Auszählungen noch liefen, schien Haley einzig im politisch gemässigten Nordosten einen Gliedstaat gewinnen zu können. Nachdem im kleinen Vermont 92 Prozent der Stimmen ausgezählt waren, lag sie mit 50 zu 46 Prozent der Stimmen in Führung. Aber selbst im Gliedstaat Virginia, zu dem einige Vororte der Hauptstadt Washington gehören, konnte Haley voraussichtlich nur 35 Prozent der Stimmen gewinnen. Noch deutlicher lag die 52-Jährige in konservativen Staaten wie Texas zurück: 17 zu 78 Prozent lautete hier das Zwischenresultat.
Noch klarer verliefen die Vorwahlen der Demokraten am Dienstag. Präsident Joe Biden wurde als Amtsinhaber von keinem ernsthaften Konkurrenten herausgefordert. In den Gliedstaaten, in denen die Auszählung bereits lief, erhielt Biden zwischen 70 bis 90 Prozent der Stimmen.
Folgt der endgültige Bruch oder die Versöhnung?
Genau wie Biden dürfte auch Trump die Nomination seiner Partei für die Präsidentschaftswahl im November kaum mehr zu nehmen sein. Spätestens am nächsten Dienstag sollte er die dafür notwendigen 1215 Delegiertenstimmen haben, wenn vier weitere Gliedstaaten ihre Primärwahlen durchführen. Gemäss Schätzungen wird Haley nach dem «Super Tuesday» lediglich über knapp 120 Delegierte verfügen. Die frühere Gouverneurin von South Carolina konnte bisher einzig die republikanische Vorwahl in der Hauptstadt Washington gewinnen, die vielen konservativen Wählern ohnehin als Hochburg des korrupten Establishments gilt. Trumps Pressesprecherin schrieb danach höhnisch auf dem Kurznachrichtendienst X: «Der Sumpf hat seine Königin gekürt.»
Es wäre deshalb nicht erstaunlich, wenn Haley am Mittwoch ihre Kampagne beendet. Momentan hat sie für die noch bis Juni anhaltenden Vorwahlen keine weiteren Auftritte geplant und keine neue Wahlwerbung gebucht. Falls sie aufgibt, stellt sich zunächst die Frage, ob sie Trump als Präsidentschaftskandidat der Republikaner unterstützen würde. Dies liess sie zuletzt offen, während sie den ehemaligen Präsidenten immer heftiger kritisierte. Unter anderem bezeichnete sie Trump als «Desaster». Das Land könne sein «Chaos» keine weiteren vier Jahre mehr überleben.
Gemässigte Konservative wie etwa die Politstrategin Sarah Longwell hoffen, dass Haley den konservativen Widerstand gegen Trump weiterhin anführen wird: «Wenn sie ihn nicht unterstützt, bleibt ihre Kritik an Trump bestehen. Und das wird ihm echten Schaden zufügen», sagte Longwell am Dienstag gegenüber CNN. Viele moderate Republikaner könne dies davon abhalten, für Trump zu stimmen.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass Haley noch weiter macht. Einzelne grosse Sponsoren haben ihr den Geldhahn zwar zugedreht. Doch im Februar konnte sie noch Wahlkampfspenden für zwölf Millionen Dollar einnehmen, im Januar waren es 16 Millionen Dollar. Mit ihren Positionen vertritt sie zwar nur eine Minderheit der republikanischen Wähler. Aber es ist keine winzige Minderheit. In mehreren Gliedstaaten erhielt sie am Dienstag erneut 30 bis über 40 Prozent der Stimmen. Trump werde diese Wähler nicht für sich gewinnen, wenn er nicht auf sie zugehe und einen Kurswechsel vollziehe, sagte Haley kürzlich bei einem Wahlkampfauftritt. «Warum sollten die 40 Prozent vor ihm kapitulieren?»
Ein mögliches Comeback 2028
Trotz ihrer Niederlage in den Vorwahlen könnte Haley ihren Rückhalt bei moderaten Republikanern und Wechselwählern nutzen, um das Rennen um das Weisse Haus zu beeinflussen. Grundsätzlich scheint sie dafür zwei Optionen zu haben. Einerseits könnte sie als Anführerin des internen Widerstand gegen Trump beim Parteitag im Juli versuchen, ihren Einfluss geltend zu machen. Bei der mehrtägigen Zusammenkunft geht es dem Gewinner der Vorwahlen und der Partei möglichst darum, ein Bild der Einigkeit abzugeben. Haley könnte diese Harmonie stören, um Trump zu Konzessionen zu zwingen, schrieb der konservative Publizist Henry Olsen kürzlich für «Politico».
Haley könnte demnach etwa auf ein klares Bekenntnis zur Unterstützung der Nato oder der Ukraine bestehen. Wie Olsen jedoch auch betont, müsste Haley in mindestens fünf Gliedstaaten die Mehrheit der Delegiertenstimmen erhalten, um am Parteitag die notwendige Redezeit und Aufmerksamkeit zu bekommen. Davon scheint sie weit entfernt zu sein. Das Parteikomitee, das den Kongress organisiert, dürfte sich zudem ganz unter Trumps Kontrolle befinden. Seine Schwiegertochter Lara Trump und ein enger Vertrauter werden vermutlich noch diese Woche den Vorsitz des Komitees übernehmen. Haley würde an dem Parteitag von der grossen Mehrheit der Delegierten wohl feindselig empfangen, sollte sie ihre Kritik an Trump nicht mässigen.
Haleys zweite Option wäre eine parteiunabhängige Präsidentschaftskandidatur für die zentristische Bewegung «No Labels» (Ohne Etikette). Diese sammelt derzeit Unterschriften, um für einen moderaten Bewerber in allen 50 Gliedstaaten einen Platz auf dem Wahlzettel zu sichern. Wer diese Person sein könnte, steht noch nicht fest. Haley sei aber sicher «eine Person, an der wir definitiv interessiert wären», meinte der Direktor des Projekts, Joe Cunningham im Februar.
Haleys Botschaft stimmt mit jener von No Labels im Wesentlichen überein. Beide verweisen auf konstante Umfrageresultate, gemäss denen eine grosse Mehrheit der Wähler ein erneutes Duell zwischen Biden und Trump ablehnen. Viele können sich nicht vorstellen für den einen oder den anderen zu stimmen. Der Anteil dieser «double haters» liegt derzeit bei 17 Prozent der Wählerschaft, vor vier Jahren waren es nur 3 Prozent.
Haley selbst hat die No-Labels-Option bisher jedoch stets ausgeschlossen. «Ich bin eine Republikanerin. Das war ich immer», erklärte sie kürzlich gegenüber dem konservativen Fernsehsender Fox News. Haley dürfte zudem auch wissen, dass unabhängige Präsidentschaftskandidaten in den USA praktische keine Chance auf einen Wahlsieg haben. Ihre Rolle ist gewöhnlich jene des Spielverderbers. Indem sie in einzelnen Gliedstaaten dem einen oder anderen Bewerber der grossen Parteien wichtige Stimmen abjagen, können sie höchstens das Zünglein an der Waage sein.
Eine dritte Option für Haley bietet die langfristige Perspektive. Sie warnt die Republikaner derzeit eindringlich davor, dass Trump die Wahl erneut gegen Biden verlieren wird. Der ehemalige Präsident sei wie ein Loch in einem sinkenden Schiff, sagte Haley kürzlich an ihre Republikanische Partei gerichtet: «Ihr könnt das Loch entweder ignorieren und mit dem Schiff untergehen oder nach einem Rettungsboot suchen.» Sollte Trump die Wahl tatsächlich verlieren, könnte sich Haley bestätigt fühlen und ihre schiffbrüchigen Parteikollegen einsammeln. Dadurch würde sie bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2028 gestärkt ins Rennen steigen.