Zehn Grafiken zeigen die wirtschaftliche Entwicklung der USA während der letzten beiden Präsidentschaften und was sie für die Wahl im November bedeutet.
Die nächste Präsidentschaftswahl in den USA dürfte eines der merkwürdigsten Duelle aller Zeiten werden. Der Herausforderer von Präsident Biden heisst ziemlich sicher Donald Trump. Kann der Verlierer von damals der Gewinner von heute sein?
«It’s the economy, stupid.» Gemäss dieser Daumenregel aus der Clinton-Ära ist es die Wirtschaft, die den Wahlausgang bestimmt. Und gemäss Umfragen von Meinungsforschungsinstituten halten Amerikaner und Amerikanerinnen die Wirtschaftsentwicklung und die Inflation neben der Zuwanderung nach wie vor für das grösste Problem in den USA.
Was bedeutet die gegenwärtige Wirtschaftslage für das Duell Trump gegen Biden? Die NZZ hat einen Blick auf die wichtigsten Daten geworfen.
1. Inflation und Kaufkraft
Vielen Amerikanern und Amerikanerinnen hat in den letzten Jahren die Inflation grosse Sorgen bereitet. Die Ursachen für die starken Preisanstiege gehen auf die Corona-Krise zurück und sind unter anderem auf Lieferengpässe und milliardenschwere Hilfspakete zurückzuführen. Der Höhepunkt wurde im Sommer 2022 erreicht, die Preissteigerungen betrugen teilweise über 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Derzeit steigen die Preise zwar nicht mehr so stark. Die Inflation liegt mit über 3 Prozent aber immer noch über dem Ziel der Notenbanken von 2 Prozent. Seit Januar 2021 sind die Preise damit insgesamt um 19 Prozent angestiegen.
Durch die Preiserhöhungen ging viel Kaufkraft verloren. Die Löhne sind real, also unter Berücksichtigung der Inflation, zwischen April 2021 und April 2023 gefallen. Erst seit dem letzten Sommer erholen sie sich wieder.
Die Wahlberechtigten werden wohl vor allem Biden dafür verantwortlich machen, da die Inflation während seiner Amtszeit ausser Kontrolle geriet. Es dürfte ihm auch nichts nützen, dass die Reallöhne schon 2017 und 2018 praktisch stagnierten und nun höher liegen als in der Trump-Zeit vor Corona.
2. Arbeitslosigkeit
Erfreulicher als die Preise hat sich der Arbeitsmarkt entwickelt, obwohl im Frühjahr 2020 so viele Personen arbeitslos waren wie noch nie seit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren. Während der Corona-Pandemie stieg die Arbeitslosenquote auf 15 Prozent, weil in vielen Gliedstaaten die Geschäfte und Restaurants geschlossen wurden und die USA keine Kurzarbeit kennen wie etwa die Schweiz oder Deutschland.
Seit ungefähr zwei Jahren entwickelt sich der amerikanische Arbeitsmarkt jedoch sehr stark. Anfang 2024 betrug die Arbeitslosenquote nur noch 3,7 Prozent.
3. Wirtschaftswachstum
Auch das Wirtschaftswachstum entwickelt sich besser als von vielen Analysten erwartet. Im Jahr 2023 wuchs die Wirtschaft um 2,5 Prozent, trotz einem hohen Leitzins von über 5 Prozent, der Kredite für Unternehmen und Haushalte verteuert. Zum Vergleich: In den ersten Trump-Jahren wuchs die Wirtschaft ähnlich stark, der Leitzins lag damals jedoch zwischen 0,6 und 2,4 Prozent.
Getrieben wird das Wachstum vom starken Konsum, von Investitionen in Produktionsanlagen und Infrastrukturausgaben. Den Corona-Schock im Jahr 2020 hatte die US-Wirtschaft bereits 2021 mehr als wettgemacht.
4. Schulden
Die staatlichen Ausgaben für die Infrastruktur sorgen jedoch für neue Defizite im Bundeshaushalt. Die USA sitzen bereits jetzt auf einem gigantischen Schuldenberg von über 34 Billionen Dollar. Die öffentlichen Schulden stiegen während Obamas Regierungszeit erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg auf über 100 Prozent der Wirtschaftsleistung, mittlerweile liegen sie noch höher.
Seine Nachfolger taten wenig, um die Ausgaben zu begrenzen. Im Gegenteil: Trumps Steuersenkungen, drei grosse Corona-Hilfspakete und schliesslich Bidens Subventions- und Förderprogramme für erneuerbare Energien und die Infrastruktur kosteten Billionen.
5. Internationaler Handel und Direktinvestitionen
Trumps Versprechen an die «working class» war es, Industriejobs in die USA zurückzubringen. Hierzu zettelte er einen Handelskrieg mit China an und erliess Strafzölle gegen amerikanische Handelspartner. Ausserdem senkte er den Steuersatz für Unternehmen von 35 auf 21 Prozent.
Infolge seiner Zollpolitik sind die Importe aus China tatsächlich stark gesunken. Vor sieben Jahren machten diese Einfuhren noch fast ein Viertel aller Importe in die USA aus. Im vierten Quartal 2023 waren es nur noch 14 Prozent. Chinesische Produkte können jedoch weiterhin über Drittländer in die USA gelangen.
Biden führte den protektionistischen Ansatz fort. Er setzte zwar die Zölle auf Stahl und Aluminium aus Europa aus, gegenüber China zeigt er sich aber ähnlich unnachgiebig wie sein Amtsvorgänger. Viel wichtiger ist aber seine Inflation Reduction Act, die zum Beispiel Steuerabzüge auf Elektroautos gewährt. Den Rabatt gibt es nur, wenn die Endmontage der Autos in Nordamerika erfolgte.
Europäische Konzernchefs investieren deshalb kräftig in Fabriken in den USA. Kein anderes Land zog 2022 und 2023 mehr ausländische Direktinvestitionen an, von Januar bis September 2023 waren es 265 Milliarden Dollar. Im zweiten Halbjahr 2023 scheint die Dynamik aber etwas nachgelassen zu haben. Laut dem Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, der politisch eher links steht, war Biden erfolgreicher darin als sein Vorgänger, neue Jobs in der Industrie zu schaffen. Die Zölle führten laut Studien zu keinen neuen Arbeitsplätzen in den USA.
In der Trump-Ära zeigte sich ein Auf und Ab bei den Direktinvestitionen. Trump dürfte mit seiner Politik einerseits ausländische Unternehmer verschreckt haben, andererseits durch die Steuerreform aber auch Investitionen angelockt haben.
6. Energiewende
Die Klimapolitik ist das Politikfeld, bei dem die Positionen der Präsidentschaftsanwärter am weitesten auseinanderliegen. Trump hält bekanntlich nichts von Klimaschutz und erneuerbarer Energie und verabschiedete sich aus dem Pariser Klimaabkommen.
Biden korrigierte die Politik seines Vorgängers. Seit Anfang 2021 sind die USA beim Klimavertrag wieder dabei. Bidens Inflation Reduction Act enthält 369 Milliarden Dollar an Förderungen und Steuervergünstigungen für erneuerbare Energien, Batteriefabriken und Elektroautos. Die Infrastructure Investment and Jobs Act soll dabei helfen, das Stromnetz auszubauen, Ladesäulen zu installieren und Elektrobusse anzuschaffen. Sie umfasst insgesamt 550 Milliarden Dollar.
Kleine Erfolge zeigen sich bereits: Der CO2-Ausstoss ist im Jahr 2023 laut Schätzungen der Analysefirma Rhodium um 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr gefallen. Erstmals wurden mehr als eine Million elektrische Autos verkauft.
Ein radikaler Grüner ist Biden jedoch nicht. So sind die USA unter Trump und Biden zum grössten Förderland für fossile Energieträger aufgestiegen. Im Jahr 2023 erreichte die Erdölförderung in den USA einen historischen Höchststand. Ebenso exportierte das Land so viel Flüssiggas wie nie zuvor.
Die Produktion von erneuerbarer Energie macht hingegen immer noch einen relativ geringen Anteil an der gesamten Energiegewinnung aus. Grosse Zuwächse verzeichneten in den letzten Jahren nur die Solar- und Windenergie.
7. Konsumentenstimmung
Infolge der nachlassenden Inflation stieg die Konsumlaune in den USA jüngst deutlich an. Die University of Michigan führt hierzu jeden Monat eine Umfrage durch, deren Antworten in einen Konsumentenindex einfliessen. Dieser hatte im Juni 2022 seinen Tiefpunkt erreicht. Anfang 2024 hat er sich zwar deutlich erholt, der Index ist aber immer noch rund 20 Punkte niedriger als in der Trump-Zeit vor Corona.
Ein weiteres Problem für Biden: Die Anhänger der Republikaner sind wesentlich schlechter gestimmt als diejenigen der Demokraten, ihr Konsumentenindex war im Januar 2024 um nicht weniger als 45 Punkte niedriger. Die unzufriedenen Wähler dürften eher für Trump stimmen.
Politologen wie Lee Drutman, Senior Fellow beim Think-Tank New America, gehen zudem davon aus, dass die Wirtschaft bei der Wahlentscheidung keinen solch grossen Stellenwert mehr hat wie früher. Jedenfalls spiegeln sich die verbesserte Stimmung und die gute Verfassung des Arbeitsmarktes bislang nicht in Bidens Beliebtheitswerten. Bei Umfragen nach der Wahlabsicht der Amerikaner liegt er seit Monaten leicht hinter seinem Herausforderer. Das Rennen um die nächste Präsidentschaft bleibt offen.