Ein New Yorker Geschworenengericht sieht es als erwiesen an, dass sich Ex-Präsident Donald Trump verleumderisch über E. Jean Carroll geäussert habe. Nun muss er die bekannte Journalistin, die er in den neunziger Jahren sexuell genötigt hatte, finanziell entschädigen.
Das ist viel Geld, selbst für einen reichen Mann wie Donald Trump. Ein Geschworenengericht hat den republikanischen Präsidentschaftskandidaten am Freitag in New York zu einer Schadenersatzzahlung von 83,3 Millionen Dollar verdonnert. Trump muss das Geld der Kolumnistin E. Jean Carroll (80) bezahlen, weil er sie diffamiert habe.
Das neue Urteil folgte einem separaten zivilrechtlichen Verfahren vor einem New Yorker Bundesgericht, das im vergangenen Frühjahr ebenfalls mit einer Niederlage Trumps geendet hatte. Die Geschworenen in diesem Prozess sahen es als erwiesen an, dass Trump die bekannte Kolumnistin in den neunziger Jahren in einem New Yorker Warenhaus sexuell genötigt und attackiert hatte. Auch habe er sich verleumderisch über Carroll geäussert. In diesem Verfahren entschieden die Geschworenen, dass Trump der Klägerin eine separate Entschädigung von 5 Millionen Dollar bezahlen müsse.
Trump sagt: «Das ist nicht Amerika»
Trump befand sich am Freitag nicht mehr im Gerichtssaal, als das Urteil kurz vor Büroschluss verlesen wurde. Vielmehr sass er in einem Flugzeug, auf dem Weg zum nächsten Wahlkampfauftritt in Las Vegas. Dort will der führende Präsidentschaftskandidat der Republikaner vor der nächsten Vorwahl im Februar um Stimmen werben.
Auf seinem Internetdienst Truth Social nannte Trump das Urteil aber «komplett lächerlich». Auch beschuldigte er seinen politischen Widersacher, Präsident Joe Biden, einer Hexenjagd gegen ihn – obwohl Biden mit diesen zivilrechtlichen Verfahren nichts zu tun hat. «Das ist nicht Amerika», schimpfte Trump. Er kündigte eine Berufung gegen beide Urteile an.
Zuvor hatte der 77-Jährige dem Prozess jeden Tag beigewohnt, obwohl er dazu nicht verpflichtet gewesen wäre. Auch im Wahlkampf thematisierte er das Verfahren immer wieder. Der zuständige Bundesrichter Lewis Kaplan, den der demokratische Präsident Bill Clinton in den neunziger Jahren ernannt hatte, sah sich mehrmals dazu gezwungen, Trump zur Ordnung zu rufen. Vorige Woche drohte er gar, den Ex-Präsidenten aus seinem Gerichtssaal zu werfen.
Trump schien wütend darüber zu sein, dass er im ersten Verfahren im Frühjahr 2023 darauf verzichtet hatte, sich persönlich vor Gericht zu verteidigen. Er bezeichnete sich als unschuldig und beschuldigte Carroll auch während des zweiten Prozesses, den ganzen Vorfall erfunden zu haben.
Anwältin beklagt sich über Richter
Seine Anwältin Alina Habba wiederum beklagte sich nach der Urteilseröffnung an einer kurzen Pressekonferenz bitterlich über Richter Kaplan. Er habe es nicht zugelassen, dass sich ihr Klient – «ein Kämpfer» – gegen die Vorwürfe von E. Jean Carroll habe verteidigen können.
Habba und Kaplan hatten sich seit Prozessbeginn in der vorigen Woche im Gerichtssaal immer wieder aneinander gerieben. Der Richter wies die Trump-Anwältin jeweils scharf zurecht, als Habba den Versuch unternahm, das ganze Verfahren neu aufzurollen. Kaplan hatte dies mit Verweis auf das erste Geschworenenurteil vor Prozessbeginn untersagt.
Carroll – die sich als Ratgeberin für zwischenmenschliche Probleme einen Namen gemacht hatte – lächelte zufrieden, als sie das Gerichtsgebäude im New Yorker Stadtteil Manhattan verliess. In einer schriftlichen Stellungnahme sagte sie später: «Das ist ein grosser Sieg für jede Frau, die sich wehrt, wenn sie attackiert wird, und eine grosse Niederlage für jeden Rüpel, der versucht hat, eine Frau zu unterdrücken.»
Der grösste Teil der Geldzahlung, die ihr von den Geschworenen zugesprochen wurde, besteht aus einer Strafschadenersatzzahlung in Höhe von 65 Millionen Dollar. Damit folgten sie nach Beratungen, die drei Stunden dauerten, der Empfehlung der Anwältin von E. Jean Carroll, die einen «ungewöhnlich hohen Betrag» gefordert hatte.
Carroll hatte die Vorwürfe gegen Trump im Juni 2019 publik gemacht, im Vorfeld der Publikation ihrer Memoiren. So beschuldigte sie Trump, er habe sie Mitte der neunziger Jahre in einer Umkleidekabine eines New Yorker Warenhauses vergewaltigt. Trump, damals der amerikanische Präsident, wies die Anschuldigungen entschieden zurück. Er bezeichnete Carroll als Lügnerin, auch weil sich die Klägerin nicht mehr daran erinnern konnte, wann genau sich der Zwischenfall abgespielt hatte.