Der Handelsstreit zwischen China und der USA eskaliert weiter: Am Mittwoch haben sowohl Peking als auch Washington Zollerhöhungen verkündet. Andere Staaten können hingegen aufatmen.
Donald Trump blinzelt als Erster. Auf seiner Nachrichtenplattform Truth Social verkündete der amerikanische Präsident am Mittwochnachmittag (Lokalzeit), dass die angeblich reziproken Zölle, die wenige Stunden zuvor erst in Kraft getreten waren, für 90 Tage ausgesetzt würden. Scott Bessent, der amerikanische Finanzminister, präzisierte später, dass Importgüter in den USA vorerst nur dem universellen Einfuhrzoll von 10 Prozent unterliegen würden, der bereits am 5. April in Kraft getreten ist. Bereits vor einer Woche habe er ja gesagt: «Übt keine Vergeltung, und ihr werdet belohnt.» Die bereits eingeführten branchenspezifischen Zölle, etwa auf Importen von Stahl, Aluminium und Autos, bleiben jedoch erhalten.
Trump begründete sein Nachgeben damit, dass mehr als 75 Länder Verhandlungen mit den USA aufnehmen wollten und bisher keine Vergeltungsmassnahmen ergriffen hätten. Auch die Schweiz, die sich mit einem «reziproken» Zoll von hohen 31 Prozent konfrontiert sah, wird von diesem Aufschub profitieren. Dasselbe gilt für die EU, die Einfuhrzölle von 20 Prozent hätte verkraften müssen. Brüssel hat zwar Vergeltungsmassnahmen gegen die Stahlzölle beschlossen, aber noch nicht gegen die Autozölle oder die «reziproken» Abgaben.
Streit mit China spitzt sich zu
Während der Rest der Welt aufatmet, dreht Trump an der Eskalationsspirale gegenüber China: Die Importzölle auf chinesische Waren sollen per sofort auf 125 Prozent erhöht werden. China werde hoffentlich bald realisieren, so Trump, dass es nicht länger nachhaltig oder akzeptabel sei, dass es die USA und andere Länder abzocke.
Kurz zuvor hatte Peking seinerseits mit weiteren Extrazöllen von 50 Prozent sowie zusätzlichen Strafmassnahmen auf die vorherige Zollerhöhung durch Trump reagiert. So gilt nun für Chinesen eine Reisewarnung für die USA, und die Regierung rät Studierenden von einer Ausbildung in Amerika ab. Wie viel zusätzlichen Schaden die jüngste Massnahme von Trump verursachen wird, ist schwierig abzuschätzen; bereits zuvor hatten die USA einen enorm hohen, allgemeinen Zollsatz von 104 Prozent gegen chinesische Waren verhängt.
Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping soll vor geraumer Zeit zu der Überzeugung gelangt sein, dass sich ein Bruch der Wirtschaftsbeziehung zu den Vereinigten Staaten kaum mehr vermeiden lässt. Das würde erklären, weshalb China nun mit grosser Härte gegen Trump zurückschlägt: Die Eskalation beschleunigt aus dieser Perspektive bloss eine schmerzhafte Entkoppelung der beiden grössten Volkswirtschaften der Welt, die ohnehin stattgefunden hätte. Chinas Unternehmen verlieren einen Exportmarkt, der 2024 noch immer 439 Milliarden Dollar gross war und 15 Prozent aller chinesischen Exporte aufgenommen hatte. Amerikas Konsumenten werden derweil mit höheren Preisen für Möbel, Waschmaschinen oder Kinderspielzeug klarkommen müssen, zudem muss die US-Agrarwirtschaft auf einen wichtigen Absatzmarkt verzichten.
Trumps Nachricht deutet auf einen zumindest kurzfristigen Strategiewechsel seiner Administration hin. Seit seinem Amtsantritt hat der 78-Jährige einen Streit mit allen wichtigen Handelspartnern gleichzeitig angezettelt. Nun gesteht er implizit ein, dass er damit sowohl seine Regierung als auch die amerikanische Wirtschaft überfordert hat. Ob sein Rückzieher ausreicht, um die Märkte nachhaltig zu beruhigen, ist fraglich. Trumps sehr aggressive, unstete Handelspolitik liess in anderen Hauptstädten die Befürchtung aufkommen, dass man sich auf das Wort aus dem Weissen Haus nicht mehr wird verlassen können, solange Trumps Maga-Bewegung dort am Drücker ist.
Aufatmen am Aktienmarkt
Die Börse reagierte euphorisch auf Trumps Nachricht: Der amerikanische Leitindex S&P 500 sprang in kurzer Zeit um 8 Prozent nach oben, der technologielastige Nasdaq Composite gar um 10 Prozent. Die Börsen in Asien und Europa waren zum Zeitpunkt von Trumps Ankündigung bereits geschlossen, dürften die Aufwärtsbewegung am Donnerstag aber ebenfalls mitmachen – sofern Trump nicht gleich wieder seine Position ändert.
Seit seinem «Tag der Befreiung» am 2. April, als Trump enorm hohe neue Zölle angekündigt hatte, sind die Aktienmärkte weltweit eingebrochen. Die Märkte rechneten damit, dass die Importabgaben sowohl das Wirtschaftswachstum weltweit schwächen als auch die Inflation in den USA erhöhen würden. Hinter verschlossenen Türen, und zunehmend auch öffentlich, hatten amerikanische Wirtschaftsvertreter und selbst republikanische Parteikollegen von Donald Trump begonnen, diese radikale Handelspolitik zu hinterfragen.
Weitere Zuversicht zogen die Finanzmärkte am Mittwoch daraus, dass das US-Finanzministerium erfolgreich 39 Milliarden Dollar an 10-jährigen Staatsanleihen im Markt platzieren konnte. Diese Schuldpapiere dienten Anlegern in turbulenten Zeiten normalerweise als sicherer Hafen. In den vergangenen Tagen verloren sie aber stark an Wert, während auch die Aktienmärkte Verluste erlitten. Das ist eine sehr seltene Kombination, die mancherorts die Sorge weckte, dass Trump einen breiten Ausverkauf von amerikanischen Wertpapieren in Gang gesetzt haben könnte. Der geglückte Verkauf der Staatsanleihen konnte diese Sorge ein wenig lindern.