Die Mitglieder der nächsten amerikanischen Regierung sehen auffällig gut aus. Das ist kein Zufall. Es ist bekannt, wie viel Wert der kommende Präsident dem Aussehen beimisst. Das sagt viel aus über sein Welt- und Menschenbild.
Viel wurde bereits geschrieben über die Personen, die Donald Trump für die Schlüsselpositionen in seiner nächsten Amtszeit ausgewählt hat – vor allem, dass offenbar Loyalität mehr zähle als Kompetenz. Ein Aspekt wurde hingegen bis jetzt wenig beleuchtet, der auf den ersten Blick nebensächlich erscheint, aber möglicherweise viel aussagt über Trumps Auswahlkriterien: Seine Auserwählten sehen gut aus – zumindest nach den herkömmlichen amerikanischen Schönheitsstandards.
Typisch männlich, typisch weiblich
Das schliesst auch ein, dass sie den klassischen Geschlechterrollen entsprechen: Die Männer wirken männlich – mit fülligem, aber kurzem Haar, einem durchtrainierten Körper, einem entschiedenen Gesichtsausdruck und gemeinhin in Anzug und Krawatte, am besten wie Trump selbst in den Farben der amerikanischen Flagge.
Die Frauen hingegen entsprechen dem typischen Weiblichkeitsideal: Sie sind eher jung und schlank, mit langem, gewelltem Haar, Make-up, Schminke, langen Wimpern und einem Hochglanzlächeln.
Alle sind im Allgemeinen eloquent, wissen aufzutreten und haben Erfahrung mit Fernsehen, Radio, Podcasts und Live-Auftritten. Sie sind, kurz gesagt, telegen – und möglichst fit. So liess der 70-jährige Robert Kennedy, als Gesundheitsminister nominiert, im Wahlkampf ein Video zirkulieren, in dem er mit nacktem Oberkörper Liegestützen macht.
Was Trump praktiziert, ähnelt vielleicht nicht gerade einem Schönheitswettbewerb, aber auf jeden Fall eher einem Casting als einem politischen Auswahlverfahren. Es geht darum, passende Gesichter für die verschiedenen Rollen in einer Art Theater oder Film zu finden, wobei schon das Äussere der Schauspieler die Aufgabe möglichst gut repräsentieren soll.
Er selbst wurde ja einem grösseren Publikum vor allem durch die Reality-Fernsehserie «The Apprentice» bekannt. Die populäre Show wurde zur Startrampe für Trumps politische Karriere; für viele Amerikaner verkörpert er seither den Archetypus des erfolgreichen Unternehmers. Es ist eigentlich seltsam, dass ausgerechnet der begnadete Entertainer Trump für viele Anhänger Authentizität verkörpert. Auch seine Wahlkampfauftritte besitzen hohen Unterhaltungswert, wobei er die Wahrheit oft dem rhetorischen Effekt opfert. Passenderweise ist er ein Fan von Wrestling-Spektakeln, bei denen das täuschend echte Vorspiegeln von Kampfsport und Drama zentral ist.
«Ich sehe besser aus als Kamala!», sagte Trump
In der Tat verkündete Trump, Tom Homan, der nominierte «Grenz-Zar», sei direkt dem «Central Casting» entsprungen. Homan ähnelt zwar nicht gerade einem griechischen Gott, aber wie viele von Trumps Mitarbeitern hat er als Kommentator bei Fox News gewirkt, weiss sich zu präsentieren und strahlt eine bullige Durchsetzungsfähigkeit aus. Zudem muss er ja, um die restriktive Migrationspolitik Trumps zu verkörpern, nicht verführerisch, sondern eher einschüchternd und abschreckend wirken.
Je nach Rolle sind unterschiedliche Attribute gefragt, aber das Äussere ist definitiv zentral. So lobte Trump wiederholt die Schönheit von Kristi Noem, die Ministerin für Inlandsicherheit werden soll; und Matt Gaetz, seinen Wunschkandidaten für das Justizministerium, der dann allerdings vom Senat abgelehnt wurde, pries er als «seriously good looking».
Wie wichtig Trump das Aussehen ist, zeigte er auch im Gespräch mit Elon Musk auf X: «Es heisst, der Vorteil von Kamala Harris sei, dass sie eine gutaussehende Frau sei», sagte er. «Aber ich sehe besser aus als sie!» Damit landete er für seine Anhänger gleich drei Treffer: Er verstiess genüsslich gegen das angebliche Tabu, man dürfe heutzutage einer Frau nicht einmal mehr sagen, sie sehe gut aus, wie er an früherer Stelle im Gespräch bemerkte. Er unterstellte Harris, sie habe nur Erfolg, weil sie eine Frau und gutaussehend sei. Und eben, mit einem Schuss Ironie: Er sehe sogar noch besser aus – oder anders gesagt: So schön sei sie nun auch wieder nicht.
In Trumps Wunschreigen gibt es nur zwei Frauen mit kurzem Haar. Die eine ist Linda McMahon, nominiert als Bildungsministerin. Sie macht die fehlende Haarlänge allerdings wett durch ihr unübertroffenes Prestige als Gründerin der «World Wrestling Entertainment»-Firma. Die andere ist die Stabschefin Susie Wiles, die vor allem hinter den Kulissen wirken wird, weshalb ihr Aussehen wohl für Trump nicht so wichtig ist.
Aussehen schlägt Kompetenz
Zu Trumps Auswahlkriterien passt, dass er sich offenbar vor allem Videos mit Auftritten der Kandidaten angeschaut hat. Das Visuelle steht im Vordergrund. Faszinierend dabei ist, wie sich einige Kandidatinnen, vermutlich um ihre Erfolgschancen zu vergrössern, systematisch Trumps Idealbild angeglichen haben. Die meisten sehen inzwischen aus wie Teilnehmerinnen einer Miss-America-Wahl oder, genauer gesagt, wie Trumps Gattin Melania, seine Tochter Ivanka oder seine Schwiegertochter Lara.
Das frappierendste Beispiel für eine solche strategische Metamorphose ist Kristi Noem, nominiert als Ministerin für Inlandsicherheit. Verglichen mit ihrem früheren Look ist sie kaum mehr wiederzuerkennen.
Aber auch bei Elise Stefanik, die nun zur Uno-Botschafterin berufen wurde, Pam Bondi, der nominierten Justizministerin, Karoline Leavitt, der wahrscheinlichen Pressesprecherin des Weissen Hauses, und Lori Chavez-DeRemer, die wohl Arbeitsministerin wird, ist das Bemühen offensichtlich, sich dem Trumpschen Schönheitsideal zumindest anzunähern. Sie sehen inzwischen aus wie Schwestern oder Klone.
Vielleicht hat Trump ja – aus taktischer Sicht – recht mit seiner auf das Äussere fokussierten Selektion. Studien zeigen, dass 64 Prozent der Menschen andere zuerst einmal nach dem Kriterium «hübsch oder nicht» beurteilen. Und die Hälfte der Befragten ist der Meinung, dass es vor allem unser Aussehen sei, das uns ausmache. Diese Ansicht hat in den letzten fünfzehn Jahren klar zugenommen.
Das beeinflusst auch die Wahlen. Tatsächlich beweist eine Forschung zur amerikanischen Abgeordnetenwahl von 2016 mit dem schönen Titel «A Catwalk to Congress?», dass als attraktiv beurteilte Kandidaten höhere Gewinnchancen haben, ja dass das Aussehen sogar ausschlaggebender als die Kompetenz ist – auch bei Männern. Das zeigte sich schon bei der Wahl zwischen Richard Nixon und John F. Kennedy im Jahr 1960. Ganz generell werden Attraktive auch als sympathischer, freundlicher und qualifizierter eingeschätzt.
Insofern entsprechen die Kriterien, die Trump anwendet, mögen sie noch so oberflächlich sein, einer Mehrheitsperspektive. Dabei ist Trump selbst zwar nicht schön wie Adonis, aber offenbar entspricht er einem verbreiteten Bild von Männlichkeit, Stärke und Durchsetzungsvermögen, das auch viele Amerikanerinnen beeindruckt.