Im Mai erlitt der englische Boxer gegen Oleksandr Usyk die erste Niederlage als Boxprofi. Nun sinnt der entthronte Schwergewichts-Champion auf Revanche – der Rückkampf in Riad verspricht ein Spektakel.
Tyson Fury ist schon singend und tanzend zum Ring und wieder hinaus paradiert, im Gewand eines römischen Gladiators oder mit einer funkelnden Krone auf dem kahlen Kopf. Der Brite hat seine Kontrahenten je nach Laune verspottet, beleidigt oder beschimpft.
Doch vor dem 37. Kampf im Schwergewicht (34 Siege, 1 Remis, 1 Niederlage) hat Fury «kleine Anpassungen» an seinem Auftritt versprochen. Der 37-jährige Exzentriker aus den englischen Midlands will am Samstagabend «fokussierter» agieren und «weniger den Clown geben», wie er sagt. Und in der Kingdom-Arena von Riad Oleksandr Usyk besiegen, seinen Widersacher aus der Ukraine, dem er vor sieben Monaten gleichenorts knapp nach Punkten unterlag (1:2). Damit musste Fury den ersten Weltmeistertitel seit 25 Jahren, der von allen Verbänden anerkannt wurde, seinem Konkurrenten überlassen.
Fury sieht sich als spektakulärsten Boxer seit Muhammad Ali
Alle vier Champion-Gürtel stehen nun nicht mehr zur Disposition, weil der IBF-Verband Usyk (22 Siege) den Titel bald danach entzog – als Strafe für dessen Weigerung, zuvor gegen den Pflicht-Herausforderer Daniel Dubois anzutreten. Den hatte Usyk bereits im vergangenen Jahr ausgeknockt.
Trotzdem wird der Rückkampf zwischen Usyk und Fury ähnlich hoch gehandelt und mit geschätzt 171 Millionen Franken Gesamtbörse wiederum opulent vergütet, führt der Fight doch erneut die besten Schwergewichte ihrer Zeit zusammen. Doch nur bei einer geglückten Revanche wird der 2,06 Meter grosse Engländer auf den Platz zurückkehren, den er für sich reklamiert. In seiner eigenen Wahrnehmung ist Fury nicht nur der alleinige Herrscher im Königslimit, sondern auch der spektakulärste Boxer seit Muhammad Ali. Und wie dieser möchte auch Fury ein drittes Mal den Titel erringen – auch wenn er dafür auf alle Gimmicks verzichten muss.
Noch kann man sich kaum vorstellen, dass der «Gypsy King», wie Fury sich rufen lässt, wie angekündigt «die seriösere Version von dem, was ich bereits gemacht habe», durchziehen wird. Doch genau das könnte der Schlüssel zum Erfolg sein.
𝗙𝗮𝘀𝘁𝗲𝘀𝘁 𝗺𝗲𝗱𝗶𝗮 𝘄𝗼𝗿𝗸𝗼𝘂𝘁 𝗲𝘃𝗲𝗿? ⏱@Tyson_Fury gloved up for a matter of seconds at the #UsykFury2 workout. pic.twitter.com/jP01Sicxfg
— Boxing News+ (@BoxingNewsPlus) December 18, 2024
Im Sommer war Fury dem Triumph bis zur Hälfte des WM-Kampfs sehr nahe. Seine giftigen Führhände bestimmten das Geschehen, seine Wirkungstreffer setzten dem 15 Zentimeter kleineren Konkurrenten so arg zu, dass dieser am Rande einer vorzeitigen Niederlage schien. Doch dann liessen Furys Präzision und Tempo nach, derweil Usyk zuzulegen vermochte. Bis zu jenem kritischen Moment in der 9. Runde, als Fury benommen in den Seilen hing und angezählt wurde. Der Gong rettete den Engländer in die Pause, doch auf den Zetteln zweier Juroren gab dieser Moment im mitreissenden Duell letztlich wohl den Ausschlag zugunsten Usyks.
Allzu viel umstellen will Fury nun allerdings nicht. Denn im Rückblick war der Fight gegen Usyk für ihn «eine der besten Leistungen, die ich je gezeigt habe». Ausserdem kann er auf eine robuste Statistik verweisen: Bisher hat er als Profi jeden Rückkampf mit einem Abbruchsieg beendet.
So sieht sein Vorgänger und Landsmann Lennox Lewis denn auch gute Chancen für Fury: «Er weiss, dass er im ersten Kampf ein paar Sachen nicht durchgezogen hat, aber jetzt wird er da reingehen und sie durchziehen.» Damit trifft der frühere Weltmeister auf der Insel genau den richtigen Ton. Dort haben die Experten wenig begeistert festgestellt, wie Usyk auf dem Weg zur Weltnummer eins in den vergangenen fünf Jahren einen britischen Hoffnungsträger nach dem anderen niederrang – so auch Anthony Joshua, gegen den er zwei Siege nach Punkten verbuchte.
Doch auch Usyk alias «The Cat» verfügt über eine hohe strategische Intelligenz. Er wird aus der ersten Begegnung ebenfalls seine Schlüsse gezogen haben. Mittlerweile ist es gut fünfzehn Jahre her, seit der 36-jährige Nachfahre von Krim-Tataren im Ring letztmals bezwungen wurde – wobei er den Punktentscheid zugunsten des Russen Jegor Mechonzew im Halbfinal der Amateurbox-WM 2009 in Mailand bis heute als Fehlurteil einstuft.
Längst sind sich Experten einig: So variabel, konditionsstark und leichtfüssig wie der Rechtsausleger stellt sich kein zweiter Profi im Schwergewicht auf seine Gegner ein. Nicht einmal die Tatsache, dass er im Vergleich zu Fury 18 Kilo weniger Gewicht auf die Waage brachte, wirkte sich im Mai zu einem spürbaren Nachteil aus.
Saudiarabien will seine Stellung im Boxsport festigen
Somit dürfte die klassische Frage nach «Repeat or Revenge», also Wiederholung oder Rache, auf spektakuläre Weise geklärt werden. Das kommt den saudischen Veranstaltern entgegen. Namentlich Turki al-Sheikh setzt als Leiter der staatlichen Entertainment-Behörde alle Hebel in Bewegung, um die Stellung seines Landes als «das neue Las Vegas» (so sagte es der US-Promoter Bob Arum) zu festigen.
Dazu gehören nicht nur exquisite Abende mit Mega-Fights, sondern auch flankierende Investitionen. Wie etwa jene in das altehrwürdige US-Fachblatt «The Ring», das al-Sheikh im November für kolportierte zehn Millionen Dollar vom Promoter und früheren Box-Superstar Oscar De La Hoya erworben hat. Oder jene in den vor kurzem angekündigten «Boxing Grand Prix», den al-Sheikh im kommenden Jahr mit dem WBC-Verband steigen lassen will – auf der Arabischen Halbinsel, versteht sich.
Was daran authentische Passion für den Boxsport ist und was sogenanntes Sportswashing eines repressiven Wüstenstaats, ist gar nicht so einfach auseinanderzuhalten. Klar ist allerdings, dass al-Sheikhs Wille in der Branche zum höchsten Massstab fürs globale Match-Making geworden ist. Das kann vorteilhaft sein, wenn dadurch hochwertige Duelle stattfinden. Bedenklich wird es allerdings, wenn der Impresario übers Ziel hinausschiesst. Wie etwa mit der jüngst angedeuteten Idee, den bald 49-jährigen früheren Champion Wladimir Klitschko für ein zweites Duell mit Tyson Fury nochmals in den Ring zu locken. Als hätte der Bruder des Bürgermeisters von Kiew zurzeit keine anderen Sorgen.
In der Nacht auf Sonntag wird Tyson Fury zunächst einmal einem anderen Boxer aus der Ukraine gegenüberstehen. Usyk sei für ihn bisher «einer der besten Gegner» gewesen, sagte Fury kürzlich. So konziliant und gesittet klang der lauteste Faustkämpfer des Planeten lange nicht mehr. Seine Absichten sind jedoch nach wie vor brachial: «Ich werde im Zerstörungsmodus da rausgehen. Dieses Mal bin ich nicht auf ein Punkteurteil aus.»