Nachdem Chinas Staats- und Parteichef der Privatwirtschaft in den vergangenen Jahren enge Fesseln angelegt hat, hofiert er die Unternehmen jetzt. Das zeigt, vor welch grossen wirtschaftlichen Herausforderungen China steht.
Jahrelang hatte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping zum Teil massiven Druck auf den Privatsektor ausgeübt. Die Unternehmen hätten ihre Aktivitäten den Zielen der KP unterzuordnen, hatte Xi mehrfach gefordert und immer wieder von einer «ungeordneten Expansion des Kapitals» gesprochen.
Jetzt kommt die Kehrtwende. Am Montag traf Chinas Staatschef in Peking die CEO führender Privatfirmen zu einem Symposium. Zu den Teilnehmern gehörten unter anderem Ren Zhengfei, der Gründer des Tech-Konzerns Huawei, Wang Chuanfu vom E-Autohersteller BYD und Zeng Yuqun vom Batteriehersteller Catl. Auch Pony Ma von Tencent nahm an dem Treffen teil. Über die Inhalte der Gespräche wurde zunächst nichts bekannt.
Jack Mas Erscheinen sorgt für Überraschung
Für die grösste Überraschung sorgte das Erscheinen von Jack Ma, dem Gründer und ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten des Tech-Riesen Alibaba aus Hangzhou. Im September 2019 war Ma von seinem Führungsposten zurückgetreten, ein Jahr später legte er sein Mandat im Verwaltungsrat von Alibaba nieder.
Damals hiess es, dass Ma in den Augen der KP zu mächtig geworden und deshalb entmachtet worden sei. Jüngere Chinesen feierten ihn wie einen Pop-Star. Ende Oktober 2020 holte der Alibaba-Gründer an einer Konferenz der Finanzindustrie in Schanghai zu einer Breitseite gegen die Regierung aus. Er sagte: «Gute Innovationen fürchten sich nicht vor Regulierung, allerdings fürchten sie sich vor Regulierungen von gestern.»
Kurz darauf unterband die Börsenaufsicht in Schanghai den Börsengang der zu Alibaba gehörenden Finanzplattform Ant Financial. Ma verschwand für längere Zeit nach Japan.
Dass Xi nun von sich aus auf die Chefs führender privater Unternehmen zugeht, kommt überraschend. Denn ab 2019 hatte Chinas starker Mann den Spielraum privater Firmen immer weiter eingeschränkt. So schickte Xi im Jahr 2020 Parteikader in die Tech-Firmen im ostchinesischen Hangzhou. Die Abgesandten der KP sollten die Aktivitäten der Unternehmen überwachen.
Privatfirmen sollten Xis politischen Zielen dienen
Statt ihre Profite zu maximieren und damit ihre Aktionäre zufriedenzustellen, sollten die privaten Unternehmen helfen, Xis Politik des «gemeinsamen Wohlstands» umzusetzen. Gemäss seiner Maxime sollten Vermögen gleichmässiger verteilt sein. In der Folge spendeten mehrere Chefs von Tech-Firmen in vorauseilendem Gehorsam grosse Summen an den chinesischen Staat.
Darüber hinaus erliess die Regierung ständig neue Gesetze, die den privaten Unternehmen das Geschäften erschwerten. In der Folge erlahmte die Dynamik des für die chinesische Wirtschaft bedeutenden Privatsektors.
Zwischen Ende 2019 und Ende vergangenen Jahres fiel der Anteil privater Firmen an den Anlageinvestitionen des Landes von 56,4 Prozent auf 50,08 Prozent. 2024 schrumpften die Investitionen des Privatsektors im Jahresvergleich um 0,1 Prozent.
Der Privatsektor war die Stütze der Wirtschaft
Vor den massiven Eingriffen Pekings hatten private Firmen für 80 Prozent aller neuen Arbeitsplätze und die Hälfte des Steueraufkommens in China gesorgt. Darüber hinaus hatte der Privatsektor rund 60 Prozent zur Wirtschaftsleistung beigetragen. Fast noch wichtiger ist aber, dass die bahnbrechendsten Innovationen des Landes von privaten Firmen entwickelt wurden und nicht von den von Xi bisher favorisierten Staatsfirmen.
Einer der Gründe für Xis überraschenden Vorstoss ist vermutlich die lahmende Konjunktur. Zwar wuchs die chinesische Wirtschaft gemäss offiziellen Angaben im vergangenen Jahr um fünf Prozent. Doch die Berichte über Entlassungen, Fabrikschliessungen und Salärkürzungen reissen nicht ab. Viele Chinesinnen und Chinesen halten ihr Geld zusammen und sehen von grösseren Anschaffungen ab.
Kann Xi die Firmenchefs überzeugen?
Für einen nachhaltigen Aufschwung ist die chinesische Regierung auf einen florierenden Privatsektor angewiesen. Die Firmenchefs dürften sich allerdings mit puren Lippenbekenntnissen nicht zufriedengeben.
«Sollte Xi die Teilnehmer des Treffens von seiner unternehmerfreundlichen Haltung überzeugen können, könnte dies die Instinkte wiederbeleben und die Wirtschaft auf eine gesündere Bahn lenken», schreiben die Experten der China-Beratung Trivium. «Sollte er das Symposium allerdings nur dazu nutzen, zu unterstreichen, dass die Firmen dem Staat zu gehorchen hätten, könnte dies die Stimmung weiter drücken.»
Womöglich hat aber auch der Erfolg der KI-Anwendung Deepseek Xi vor Augen geführt, zu welchen Leistungen Chinas Privatfirmen fähig sind. Seit Jahren fordert er, vor allem Innovationen sollten in Zukunft Chinas Wachstum treiben. Der bis vor kurzem weitgehend unbekannte Deepseek-Gründer Liang Wenfeng gehörte auch zu den Teilnehmern des Symposiums in Peking.