Der FC Winterthur ist bereits Fortes elfte Trainerstation. Er hat den Klub aufgerüttelt, belebt – und Verschwörungstheorien konstruiert. Den 1:0-Sieg des Tabellenletzten gegen den Meister YB hat der gesperrte Coach im Fan-Block verfolgt.
Es sind ungewöhnliche Bilder am Samstagabend im Stadion Schützenwiese. Der gesperrte FC-Winterthur-Trainer Uli Forte steht während des Heimspiels gegen YB im Fan-Block, die Kappe und den Kopfschutz der Jacke tief ins Gesicht gezogen. In der Pause gibt Forte dem Bezahlsender Blue TV ein telefonisches Interview, nach dem 1:0-Sieg fällt er einem Anhänger derart heftig um den Hals, dass dessen Bierdose beinahe zu Boden fällt. Danach klettert Forte über die Banden aufs Feld und feiert mit seinen Spielern den überraschenden Erfolg des abgeschlagenen Tabellenletzten gegen den Meister.
Der FC Winterthur und Forte haben am Samstag starke Signale im Abstiegskampf der Super League gesendet. Am Sonntag sagt Forte: «Die Mannschaft hat Charakter gezeigt.» Für ihn sei klar gewesen, dass er sich nach seiner Sperre unter die Leute mische und die Partie nicht in einer Loge verfolge: «Wir brauchen alle auf unserer Mission, es geht nur gemeinsam.» Er hinterlässt einen kämpferischen Eindruck. Zu spüren ist sein Wille, den FC Winterthur aufzurütteln und «die Krallen auszufahren», wie er sagt.
Zwei seltsame TV-Interviews mit Schockwirkung
An Heiligabend wurde bekanntgegeben, dass Forte im FC Winterthur als Nachfolger des entlassenen Ognjen Zaric engagiert worden ist. Der persönliche Aufstieg in die Super League war wie ein Weihnachtsgeschenk für den Trainer, der bei Xamax im Challenge-League-Mittelmass feststeckte.
Seit 2002 ist Forte als Coach tätig, mit 28 Jahren begann diese Karriere als Spielertrainer bei Red Star, der FC Winterthur ist seine elfte Station. Es ist eine Rückkehr für den Zürcher, der in Winterthur das Wirtschaftsgymnasium besucht hat; die Matur legte er 1994 einen Steinwurf von der Schützenwiese entfernt ab.
Im FC Winterthur traf Forte auf ein verunsichertes Team ohne Feuer und Begeisterung – und stabilisierte es sofort, das 0:0 bei YB im Januar war ein ordentlicher Start. Andreas Mösli, Leiter Kommunikation und Mitglied der Geschäftsleitung, sagt, Forte habe frischen Wind in den Klub gebracht. Der Sportchef Oliver Kaiser sagt, der Trainer habe die Erwartungen erfüllt: «Ulis Energie tut den Spielern und dem Verein gut. Leider lief es in einigen Partien sehr bitter für uns.»
Nach dem Unentschieden zum Einstand in Bern folgten für den FC Winterthur vier unglückliche Niederlagen. Beim 2:3 gegen Lugano verspielte er einen 2:0-Vorsprung, das Siegtor der Gäste fiel weit in der Nachspielzeit. Und bei den Spielen gegen Yverdon, den FC Zürich und Luzern gab es innert einer Woche mehrere klare Fehlentscheide der Spielleiter gegen Winterthur.
Der Druck entlud sich in zwei seltsamen TV-Interviews Fortes, in denen er sogar abstruse Verschwörungstheorien konstruierte. «Wenn die Liga will, dass wir nicht mehr in der Super League sind, dann sollen sie es einfach sagen», sagte er nach dem 0:2 gegen den FCZ. Drei Tage später, nach dem 2:3 in Luzern, mit erneut späten Gegentoren, legte er nach: «Weil ich letzte Woche Fakten erzählt habe, waren einige Leute verärgert – und das war jetzt die Retourkutsche.»
Forte wurde für seine Aussagen zwei Spiele gesperrt, der Boulevard bezeichnete ihn als «Aluhut», auf dem Youtube-Kanal seines Klubs entschuldigte er sich. Am Sonntag gibt Forte zu, überreagiert zu haben. Er dürfte allerdings bewusst in Kauf genommen haben, eine Schockwirkung zu provozieren – der FC Winterthur soll nicht der kleine, liebe, herzige Klub sein.
Energie, Emotionen, Krallen ausfahren.
Der Frust im Klub über die Leistungen der Schiedsrichter ist nachvollziehbar, der Sportchef Kaiser spricht von «mindestens sechs» groben Fehlern innerhalb von wenigen Tagen. Es gehe dabei vergessen, dass der FCW auch beim wegweisenden Spiel in Yverdon (0:3) in drei Szenen benachteiligt worden sei.
Besonders ärgerlich war der frühe und ungerechtfertigte Platzverweis von Tobias Schättin in Luzern, worauf der Schiedsrichter Johannes von Mandach nach dem Spiel einen Fehler einräumte. «Das war nett, bringt uns aber nichts», sagt Kaiser. «Das Schlimmste ist, wenn der VAR nach korrekten Bewertungen der Schiedsrichter eingreift.»
Der harte Schlag ins Gesicht in Bielefeld
Vor dreieinhalb Jahren hatte die NZZ über Uli Fortes Kampf gegen Schubladen geschrieben, in die er gerne gesteckt werde. Damals schaltete er mit dem unterklassigen Yverdon im Cup den FC Zürich aus. Vor seinem Engagement in Yverdon war Forte anderthalb Jahre lang arbeitslos gewesen. Forte kennt die Vorurteile ihm gegenüber: guter Kommunikator, starker Motivator, seine Art nutze sich ab, er sei taktisch ungenügend. «Ich kann das nicht ändern», sagt Forte. «Und ich rege mich auch nicht mehr darüber auf.»
Forte hat Erfolge vorzuweisen, die Aufstiege mit St. Gallen und dem FCZ, den Cup-Titel mit GC, die lange Zeit erfreuliche Entwicklung bei YB. Aber es gab auch Rückschläge, zum Beispiel das sehr kurze Gastspiel in der 2. Bundesliga bei Arminia Bielefeld im Sommer 2022, als Forte nach vier Niederlagen in vier Ligaspielen freigestellt wurde.
Innert weniger Wochen hatte sich Forte damals den Traum vom Engagement im Ausland erfüllt und war er kläglich gescheitert. «Das war ein harter Schlag ins Gesicht», sagt er. In seiner Enttäuschung und Wut dachte er kurzzeitig sogar daran, nicht mehr als Trainer zu arbeiten. Familie und Freunde fingen Forte auf, nach einem halben Jahr ging bei Xamax wieder eine Türe auf.
Womöglich wird Forte wegen seiner jovialen Art manchmal unterschätzt, das Schubladendenken greift. Der 50-Jährige beherrscht sechs Sprachen, er hat ein BWL-Studium brillant abgeschlossen und sich mit einem CAS in Sportmanagement weitergebildet. Man könnte ihn sich auch als Sportchef vorstellen. Forte kann schwatzhaft wirken, er ist jedoch auch durch die Beziehung zu seiner Frau ruhiger geworden und reifer («sie hat mich als Mensch vollkommen gemacht»). Der gemeinsame Sohn ist bald fünf Jahre alt, zudem gibt es im Haushalt drei Teenager-Töchter seiner Partnerin.
Der Rückstand auf den Zweitletzten beträgt noch fünf Punkte
Im familiären FC Winterthur fühlt sich Forte wohl. Im Umfeld heisst es, er habe dem Team Struktur und Solidität verliehen, eine Handschrift sei erkennbar. Er hat einen Vertrag bis 2026 unterschrieben, der auch in der Challenge League gültig wäre.
Der Sportchef Kaiser sagt, man habe am Tag des Aufstiegs im Frühling 2022 gewusst, dass ein Abstieg ein realistisches Szenario werden könnte, dem FC Winterthur stehe in der Super League am wenigsten Geld zur Verfügung, rund fünf Millionen Franken für die erste Mannschaft. Im Klub wird unaufgeregt gearbeitet, das ist in der Super League und gerade im Kanton Zürich ungewöhnlich.
ℹ️ Uli Forte für zwei Spiele gesperrt ℹ️https://t.co/aMoLIJ4r5J
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ℹ️ Uli Forte privé de banc pour 2 matches ℹ️https://t.co/JmneAb4KgU pic.twitter.com/pZnhhE18Xd— Swiss Football League (@News_SFL) February 13, 2025
Für Uli Forte mag es im FC Winterthur zuweilen immer noch zu ruhig sein. Das 1:0 gegen YB kann für den Klub nach schwierigen Wochen ein Befreiungsschlag sein. Die Taktik des Trainers ging auf, obwohl der schnelle senegalesische Stürmer Christian Gomis ausgezeichnete Möglichkeiten vergab: Kurz vor Spiel-Ende traf Matteo Di Giusto mit einem haltbaren Weitschuss.«Endlich war das Spielglück auf unserer Seite», sagt Forte nach dem vierten Saisonsieg Winterthurs (jeweils 1:0). Der Rückstand auf den Zweitletzten, der nun GC heisst (1:2-Heimniederlage gegen Servette), beträgt noch fünf Punkte.
Falls es mit dem Klassenerhalt nicht klappt: Uli Forte wüsste, wie man aufsteigt.