Im März 2025 ist die Schweiz Gastgeberin der Winterspiele des Internationalen Militärsport-Verbands. Doch der Standort Goms sorgt für Kritik. Davos fühlt sich übergangen. Und die Finanzkontrolle hat Fragen an die Bundesrätin.
Die Schweizer Berge sind schön. Und die Regionen lassen sich ihre Tourismus-Infrastruktur etwas kosten. Grossanlässe sind daher begehrt, sie bringen im besten Fall Renommee und Geld. In Graubünden schaut man daher genau, bei welchen Events beispielsweise das Wallis den Zuschlag erhält, und umgekehrt.
In Davos ist man derzeit nicht gerade erfreut. Grund sind die Winter-Militärweltspiele. Über 1400 Athleten aus 40 Nationen kommen im März 2025 in die Schweiz. Einer der Austragungsorte des Wettkampfs ist das Nordische Zentrum Goms im Wallis, mit seinem Biathlon-Schiessstand und seinen Loipen. Gastgeberstadt ist Luzern, daneben kommt vor allem Engelberg in den Genuss.
Davos ist nicht dabei. Dabei hätte sich der Bündner Winterort auch gerne beworben, wie der Tourismusdirektor Reto Branschi der NZZ sagt: «Schliesslich ist Davos das nationale nordische Leistungszentrum von Swiss Ski.» Zwar kenne er die genauen Bedingungen für die Militärweltspiele nicht, aber ein solcher Event sei eine gute Einnahmequelle für die Hotellerie und Gastronomie und eine Chance, die Bekanntheit der Region zu erhöhen.
Verantwortlich für die Weltspiele ist der Internationale Militärsport-Verband (CISM). Im Gastland Schweiz ist eine Delegation zuständig. Offenbar gab es gute Gründe für die Standortwahl. Goms sei mit seiner bestehenden Infrastruktur am besten geeignet für die Wettkämpfe in den nordischen Sportarten, schreibt das Verteidigungsdepartement auf Anfrage.
Andernorts wären grosse Investitionen nötig gewesen. Die Spiele böten die Gelegenheit aufzuzeigen, dass moderne Grosssportanlässe «auf eine wirtschaftlich verantwortliche, gesellschaftlich nachhaltige und umweltfreundliche Art» organisiert werden könnten. So sind keine Neubauten geplant; die Athleten werden in militärischen Anlagen untergebracht und alle Wettkämpfe auf bestehenden Infrastrukturen durchgeführt.
«Walliser Connection» im Fokus
Allerdings hat Goms als Standort auch die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) auf den Plan gerufen, wie SRF berichtete. Das oberste Finanzaufsichtsorgan des Bundes hat Fragen zum Vorwurf der «unangemessenen Einflussnahme» ans Generalsekretariat des VBS formuliert. Die NZZ konnte das im März 2024 datierte Dokument einsehen. Der Vorwurf kam über einen Whistleblower zur EFK.
Im Fokus der mutmasslichen Einflussnahme steht die Walliserin Brigitte Hauser-Süess, persönliche Beraterin und enge Vertraute von Bundespräsidentin Viola Amherd. Hauser-Süess soll sich an der Amtsleitungssitzung des VBS persönlich für Goms als Austragungsort geäussert haben. Das ausgebaute Nordische Zentrum Goms wurde im Oktober 2023 neu eröffnet, die Investitionen betrugen 15 Millionen Franken.
Doch: Der Sohn und die Schwiegertochter von Hauser-Süess «übten Funktionen im direkten und indirekten Umfeld des Nordischen Zentrums Goms aus oder tun es noch immer», schreibt die EFK. So ist die Schwiegertochter im Zentrum tätig, der Sohn war Mitglied des Organisationskomitees des Langlauf-Weltcup-Rennens im Januar.
Auch der Oberwalliser Roger Michlig stand im Fokus der EFK. Michlig ist Cyberchef im VBS und amtet im Verwaltungsrat der Genossenschaft Feriendorf Fiesch. Dort sollen während der Militärweltspiele laut EFK Athleten untergebracht werden. Gegenüber SRF liess die EFK verlauten, dass keine weiteren Abklärungen geplant seien.
Hauser-Süess und Michlig stehen nicht zum ersten Mal unter medialer Beobachtung. Beide gehören zum inneren Machtzirkel von Bundespräsidentin Amherd. Das VBS wird in seiner Stellungnahme zuhanden der EFK deutlich, sie liegt der NZZ vor: «Der Vorwurf der unangemessenen Einflussnahme von Personen mit vermeintlich persönlichen Interessen wiegt schwer. Wir weisen ihn dezidiert zurück.» Es sei «keine Einflussnahme» erfolgt, auch gebe es keine Interessenkonflikte.
Die Schwiegertochter von Brigitte Hauser-Süess sei erst seit 1. Januar 2023 in einem 30-Prozent-Pensum für das Nordische Zentrum Goms tätig – der Entscheid für den Austragungsort sei aber bereits im Jahr 2020 gefallen. Der Sohn habe sich ehrenamtlich für den Weltcup 2024 engagiert und keine Zuständigkeit für die Militärweltspiele. Und Michlig habe sich in seiner Funktion im VBS nie mit den Wettkämpfen befasst. «Im VBS bestehen strikte Vorgaben und klare Regeln bezüglich des Umgangs mit potenziellen Interessenkonflikten», so das VBS. Die interne Revision prüfe die Einhaltung im Namen der Chefin des VBS regelmässig.
Der «Walliser Bote» hat in der Region herumgefragt. Dort hält man nicht viel von den Filzvorwürfen. Es bestünden fixe Verträge zwischen dem Feriendorf Fiesch und dem VBS. Wirtschaftlich seien die Militärweltspiele für das Feriendorf unrentabel, wird die Direktorin zitiert. Während des Anlasses würden nicht Athleten, sondern Soldaten untergebracht, die bei den Aufbauarbeiten hälfen. Die Ansätze für Armeeangehörige seien tiefer als jene für Privatpersonen, steht auch in der Stellungnahme des VBS.
«Winter-Militärweltspiele – was ist das?»
Bei Sicherheitspolitikern in Bern löst der Grossanlass derweil Fragezeichen der anderen Art aus. Der SVP-Ständerat Werner Salzmann etwa sagt spontan: «Winter-Militärweltspiele – was ist das?» Salzmann macht seit bald zehn Jahren Sicherheitspolitik, zuerst in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats und heute in derselben Funktion als Ständerat. «Aber mit den Winter-Militärweltspielen bin ich noch nie in Berührung gekommen.» Er ist nicht der Einzige: Von fünf Tourismus- und Sportexperten, welche die NZZ kontaktiert hat, kannten nur zwei den Anlass vom Hörensagen.
Das ist bemerkenswert. Hat doch der Event laut VBS eine «gewisse strategische Tragweite», die Amherd gemäss EFK-Schreiben sogar dazu veranlasste, entgegen den «eigenen Grundsätzen» den Standortentscheid zur Chefsache zu machen. So habe sie die Verantwortung Thomas Süssli, dem Chef der Armee, übertragen, obwohl es sich um eine operative Aufgabe handelt.
Beim Sicherheitspolitiker Salzmann kommt das nicht gut an. «Der Chef der Armee sollte seine ganze Kraft auf die Kernaufgabe konzentrieren können: die Verteidigungsfähigkeit», sagt er. Die Armee befindet sich gegenwärtig in einer herausfordernden Zeit, es drohen Fähigkeitslücken. «Das hat oberste Priorität.»
Und Nationalrätin Marionna Schlatter (Grüne), ebenfalls Mitglied der Sicherheitskommission, sieht die Kosten des Grossanlasses kritisch. «Ich frage mich, ob man angesichts des Finanzbedarfs der Armee das Geld nicht lieber in die Cyberabwehr oder andere Systeme investieren soll.»
Der finanzielle Rahmen der Militärweltspiele ist auf 13 Millionen Franken begrenzt und wird über das reguläre Armeebudget finanziert. Das VBS erwartet keine Rendite. Allerdings hat der Bund die Bewerbung als Gastland bereits 2020 eingereicht. Seither hat sich die strukturelle und finanzielle Situation der Streitkräfte angesichts der geopolitischen Lage zugespitzt. Die Armee hat jüngst mehrere Publikumsanlässe abgesagt, um das Budget zu schonen. Doch zugesagt ist zugesagt, die Schweiz hat sich gegenüber dem Internationalen Militärsport-Verband verpflichtet, die Verträge wurden 2023 unterschrieben.
«Freundschaft durch Sport»
Der CISM ist die drittgrösste Sportorganisation der Welt und geht zurück auf den Zweiten Weltkrieg. 1948 gründeten fünf Armeen den Verband mit dem Ziel, Beziehungen zwischen Streitkräften zu knüpfen, das Motto lautet entsprechend «Freundschaft durch Sport». Heute gehören dem CISM rund 140 Streitkräfte an. Er verantwortet beispielsweise die Weltmeisterschaft im Schiessen, welche grosses Ansehen geniesst, unter anderem bei Sicherheitspolitikern wie Salzmann.
1995 fanden erstmals Sommer-Militärweltspiele in Rom statt. Man wollte damit den 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs feiern. Im Unterschied zu den Olympischen Spielen dürfen bei den Militärweltspielen nur Soldatinnen und Soldaten teilnehmen. Für die Schweiz treten im März Athleten an, die von der Spitzensportförderung der Armee profitieren. Highlights könnten die Biathlonwettkämpfe im Goms oder der Ski-alpin-Riesenslalom in Engelberg werden. Vorher dürften die Militärweltspiele in der Politik aber noch die eine oder andere Diskussion auslösen.