Erklären genügt nicht. Bern sollte die Administration Trump rasch davon überzeugen, dass sie mit einer pragmatischen Eidgenossenschaft zeigen kann, wie gute Deals möglich sind. Ein Abkommen, das bloss den Schein wahrt, wäre hingegen eine vertane Chance.
Was eine merkantilistische Abfolge von Zöllen und Gegenzöllen bewirkt, zeigt sich gegenwärtig an den Finanzmärkten. Donald Trumps Zollpolitik ist widersprüchlich und ungerecht. Darüber zu jammern und darauf zu verweisen, wie viel offener man doch ist, als dies in Washington offenbar wahrgenommen wird, wird die Abwärtsspirale nicht stoppen. Kehren kann sich das Ganze erst, wenn es gelingt, vom protektionistischen in einen Liberalisierungs-Modus zurückzufinden.
Auf dem Spiel stehen 1000 Franken pro Kopf und Jahr
Was unmittelbar auf dem Spiel steht, zeigt eine von Gabriel Felbermayr von Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung in Zusammenarbeit mit dem Kieler Institut für Weltwirtschaft und dem Luzerner Institut für Wirtschaftspolitik erstellte Studie. Diese schätzt, dass das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz kurzfristig um 0,5 und längerfristig 0,4 Prozent schrumpfen würde, sollte der von Trump angedrohte zusätzliche Zoll von 31 Prozent auf Importe aus der Schweiz in Kraft treten. Am meisten verlieren würde die Pharmaindustrie, deren Produktion in der Schweiz um geschätzt 12 Prozent zurückginge. Die Maschinenindustrie und der Anlagenbau müssten mit einem Einbruch von vier Prozent rechnen.
Ganz anders käme es jedoch, wenn ein Abkommen sämtliche Zölle und nicht-tarifären Handelshemmnisse zwischen der Schweiz und den USA beseitigen würde. Das sollte das BIP um 1,3 Prozent erhöhen. Die Produktion der Pharmaindustrie würde in der Schweiz um 8,8 Prozent und diejenige der Maschinen- und Anlagenbauer um 6,3 Prozent steigen. Diesem «perfekten» Szenario liegen allerdings reichlich optimistische Annahmen zugrunde. Doch selbst wenn man sich nur auf ein Abkommen einigen könnte, das etwa so umfassend wäre wie dasjenige mit den Staaten des Mercosur (welches die Landwirtschaft von Liberalisierungen weitgehend verschont), würde das der Schweizer Wirtschaft noch zu einem Wachstumsschub von jährlich 0,7 Prozent verhelfen. Das macht im Vergleich zum Negativszenario pro Kopf immerhin einen Unterschied von knapp 1000 Franken pro Jahr aus.
Um Trump zu überzeugen, braucht es mehr
Leider gibt es ein Problem: Die USA sind für die Schweiz zwar nach der EU der wichtigste Handelspartner. Doch für die USA sind die Effekte einer Handelsliberalisierung mit der Eidgenossenschaft vernachlässigbar. Die Studie schätzt sie auf 0,02 bis 0,03 Prozent des BIP.
Bern wird deshalb für einen Handshake mit Donald Trump bessere Argumente brauchen. Dazu könnte gehören, dass ein mit ihr bald vereinbarter Abbau von nichttarifären Handelsbarrieren die Aussichten erhöhen würde, von wichtigeren Handelspartnern ähnliche Zusagen zu erhalten. Im Fokus stünde wohl die EU, von der die USA neun Mal mehr importieren als aus der Schweiz.
Als ein solch erheblicher Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse verkauft werden könnte, wenn die Schweiz in den USA zugelassene Medtech-Produkte automatisch anerkennen würde. Auch Produktionsstandards im Pharmabereich und in der Industrie könnten gegenseitig einfacher anerkannt werden. Die USA möchten Marktzugang für ihren genetisch modifizierte Soja und Mais. Und die Reduktion der Schweizer Zölle auf null von Früchten und Lebensmitteln, die gerade nicht aus dem Inland angeboten werden, wäre gut und billig. Und auch beim Fleisch wären höhere Kontingente für die begünstigte Einfuhr nicht des Teufels. Schweizer sollten Schweizer Fleisch essen, weil sie dies wollen, nicht weil sie müssen.
Milliardeninvestitionen brauchen Sicherheit
Wirklich überzeugen sollte man Donald Trumps Administration jedoch mit Investitionen. Die Schweiz ist bereits der siebtgrösste ausländische Direktinvestor in den USA. Mit einem Bestand von über 300 Milliarden Dollar an Investitionen wird sowieso viel (re-)investiert werden müssen. Addiert man die Investitionsabsichten der Konzerne und Firmen für die nächsten zehn Jahre, dürften 100 Milliarden drinliegen. Diese könnte die Schweiz auflisten und ähnlich wie mit Indien in Aussicht stellen. Eine allfällige Verifizierung würde dann wohl sowieso erst einer kommenden US-Administration obliegen. Klargemacht werden müsste jedoch, dass die Vorhaben von der Wirtschaft nur so umgesetzt werden können, wenn sich das Investitionsklima wieder verbessert.
Sich ohne echte Substanz einigen, wäre eine verpasste Gelegenheit. Ein Abkommen sollte nicht nur auf die angedrohten Zusatzzölle verzichten, sondern noch bestehende beiderseitig senken und nichttarifäre Handelshemmnisse beseitigen.
Der kurzfristig vielleicht wichtigste Vorteil bestünde in der Investitionssicherheit, die ein Abkommen mit den USA schaffen würde. Unter den herrschenden Umständen werden kaum viele weitreichende Investitionsentscheide schnell in die Tat umgesetzt werden. Die Herausforderung für Donald Trumps Administration liegt nicht zuletzt darin, verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen – auch mit Blick auf anstehende Rüstungsvorhaben.
Das aber ist eine Chance für die Schweiz. Sie sollte jetzt nicht bloss erklären, sondern vorpreschen und pragmatisch Angebote machen, die von Washington als Erfolg verkauft werden können, ohne dass dies Bern in eine geopolitisch schwierige oder demokratiepolitisch unhaltbare Situation bringt. Wenn Donald Donald Trump argumentieren kann, er habe mit seiner brachialen Taktik einen guten Deal erreicht, mag das viele ärgern. Für die Schweiz ist wichtiger, sie finden aus der drohenden Negativspirale heraus.