Die gesundheitlich schwer angeschlagene Marlen Reusser muss ihr Comeback weiter verschieben. Nach dem Verzicht auf die Olympischen Spiele in Paris erklärt sie das nächste Forfait.
(sda) Das Jahr 2024 hätte für Marlen Reusser eines mit vielen erfolgreichen Kapiteln werden sollen. Doch seit Monaten wird die ausgebildete Ärztin von gesundheitlichen Problemen ausgebremst. Ihr Körper lässt es nicht zu, dass sie ihre sportlichen Träume auf dem Velo verwirklichen kann.
An Leistungssport ist bei der Zeitfahrspezialistin, die 2020 WM-Zweite wurde und ein Jahr später in Tokio Olympia-Silber gewann, nicht zu denken – nach wie vor. Sie leidet an einem Post-Covid-Syndrom. Dies äussert sich bei der 32-jährigen Reusser mit dem Symptomenkomplex eines klassischen ME/CFS (Myalgische Enzelphalomeylitis/das Chronische Fatigue Syndrom). Betroffene leiden neben schwerer körperlicher Schwäche auch an autonomen und immunologischen Symptomen. Schon bei geringer körperlicher und geistiger Anstrengung werden die Symptome extrem verstärkt.
Bei Reusser, die immer wieder mit Fieber kämpft, scheint es sich «glücklicherweise nicht um eine der berüchtigten schweren Formen zu handeln», wie ihr Management am Dienstag (20. 8.) mitteilte. Die Athletin sei «zuversichtlich, sich irgendwann davon zu erholen». Der Zeithorizont ist offen.
Stürze, Infekte und Absagen
Die Heim-WM in Zürich in gut vier Wochen kommt für die dreifache Zeitfahr-Europameisterin jedenfalls zu früh. «Es tut mir im Herzen weh, dass ich auch die Weltmeisterschaften absagen muss. Das ist wirklich bitter. Ich hätte diesen Anlass so gerne im eigenen Land erlebt», liess sich Reusser in einem Communiqué zitieren. An der EM von Mitte September wird sie ihren Titel im Zeitfahren ebenfalls nicht verteidigen können.
Der Verzicht auf die Heim-WM ist für Reusser das nächste dunkle Kapitel einer Alptraum-Saison. Schon bevor das Jahr 2024 anbrach, erlitt die Bernerin einen Schreckmoment, als sie im Training auf Mallorca in einer Abfahrt auf einer Ölspur ausrutschte und sich dabei einen Bänderriss zuzog. Im Februar folgte eine Covid-Erkrankung und im März der nächste Schock: Bei einem Massensturz an der Flandern-Rundfahrt verletzte sie sich Kiefer, Gehörgang und Zähne. Danach macht ihr ein mysteriöser Infekt zu schaffen.
Mitte Mai kehrt Reusser schliesslich in den Rennbetrieb zurück, doch die Teilnahme an der Burgos-Rundfahrt bleibt ihr vorläufig letzter Ernstkampf. Keine Tour de Suisse, keine Olympischen Spiele, keine Tour de France und nun auch die WM in Zürich, die ohne ihre Botschafterin stattfinden wird.
Die gesundheitliche Leidensgeschichte dürfte für Reusser auch zu einer mentalen Herausforderung werden. Für die vollständige Genesung und die Rückkehr in den Spitzensport sei «weiterhin viel Zeit, Ruhe und Geduld» gefragt, heisst es im Communiqué mit Blick in die Zukunft.