Im Sommer 2024 ist der Transferumsatz im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Das spürt auch die Schweizer Super League. Doch es gibt Ausnahmen.
Fabian Hürzeler wechselt vom FC St. Pauli zu Brighton & Hove Albion und fühlt sich im Süden Englands, als hätte er Dagobert Duck neben sich. Der Klub aus der Premier League hat über 230 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben. Das Hamburger Millerntor ist bereits weit weg für den Jungtrainer, der den Schweizer Pass besitzt.
Der Chelsea FC wirft zwar wieder mit Geld um sich, doch halten die Londoner immerhin die Transferbilanz einigermassen im Lot, weil sie auch viele Spieler teuer verkauft haben.
Für einen Superlativ steht Julián Álvarez, der für 75 Millionen von Manchester City zu Atlético Madrid übersiedelte. Der Argentinier ist der teuerste Transfer des Sommers.
Auch die Schweiz bietet mit, nicht ganz so gross und übertrieben wie das Fussball-Schlaraffenland England, aber doch ordentlich. Zumindest in Basel, wo der Fussballklub zum Transfer-Dealer geworden ist. YB ist Meister, aber der FC Basel ist der Transfermeister. Er bringt das Kunststück fertig, nach einer miserablen Saison ohne Europacup Spieler wie Renato Veiga und Thierno Barry für zweistellige Millionenbeträge im Ausland unterzubringen.
Dazu wird wegen einer Beteiligung am Transfer des Italieners Riccardo Calafiori (von Bologna zu Arsenal) ein weiterer Millionenbetrag fällig. Ebenfalls zweistellig. Basel stürzt 2023/24 ab, spürt aber unter der Leitung des früheren Spieleragenten und Klubchefs David Degen selbst im Elend Spieler auf, die auf dem Markt gefragt sind. In Basel ist trotz Xherdan Shaqiri viel vom «Markt» die Rede – und weniger von «Identifikation».
Die Beispiele Brighton, Madrid und Basel sind die Ausnahmen des Befunds, wonach der Transfermarkt, der den Pandemie-Einbruch überwunden hat, nicht mehr so hoch dreht wie in letzter Zeit. Da ist deutlich weniger Geld ins System gepumpt worden. Die vier vorrangigen Gründe sind in England, Frankreich und Saudiarabien zu finden. Und bei Neymar. Doch der Reihe nach.
England gibt eine halbe Milliarde weniger aus
Dank dem Fernsehen bleibt die Premier League das Mass aller Dinge. Sie kauft seit je viel mehr, als sie verkauft. Aber jetzt beginnt offenbar ihre Finanzkontrolle zu greifen, die der Überschuldung und dem Mäzenatentum Grenzen setzt. Wegen Verstössen gegen die Profit and Sustainability Rules der Premier League waren in der letzten Saison Everton und Nottingham Forest Punkte abgezogen worden.
Manchester City hat sich zwar vor dem Internationalen Sportgerichtshof (TAS) gegen die Sanktionen der Uefa-Finanzaufsicht durchgesetzt, ist aber in der Heimat zusehends unter Druck geraten. Da ist von 115 Verstössen die Rede. Die Premier League habe «die Schraube angezogen», sagen Spielervermittler unisono. England gibt in diesem Sommer eine halbe Milliarde weniger für Transfers aus.
Frankreich hat viel weniger Fernsehgeld
In Frankreich brach der Erlös aus den Fernsehrechten ein. Die Klubs müssen mit Einbussen von bis zu 60 Prozent rechnen. Das wirkt sich auf den Spielermarkt aus. Geklotzt haben fast nur noch Klubs, die von ausländischer Hand gelenkt werden – Paris Saint-Germain, Lyon, Marseille, Monaco und Strassburg. Dazu Stade Rennes, die mit Geschick geführte Organisation, die seit Jahren französischer Transfer-Champion ist und wieder Personal für weit über 100 Millionen verkauft hat.
Die im Zuge der Pandemie kriselnde Ligue 1 hat für Transfers fast 200 Millionen weniger ausgegeben als 2023. Sparen bei den Löhnen, Spieler eher (leihweise) weggeben statt verpflichten. Budget zurückfahren. Das bleibt für Schweizer Fussballer, die für die Ligue 1 infrage kämen, nicht ohne Folgen.
Nach dem Transfer-Hoch vor einem Jahr hält sich auch Saudiarabien zurück, wo die Investitionen die 500-Millionen-Marke unterschritten haben. Auch aus der Wüste gelangt weniger Geld in den Fussball Europas.
Es fehlt der entrückte Transfer
Letztlich spürt die Schweiz im hinteren Teil der Nahrungskette auch, dass die völlig irrationalen Transfervolumen ausgeblieben sind. Kylian Mbappé wechselte nach Vertragsende ablösefrei von Paris nach Madrid. Die über 100 Millionen allein für die Unterschrift fliessen zu ihm – und nicht ins System. 2017 war das in einem ähnlichen Fall noch anders: Damals lotsten Katar und PSG Neymar für 222 Millionen Euro von Barcelona weg. Barça bediente sich daraufhin für 135 Millionen bei Borussia Dortmund (Ousmane Dembélé). Mit dem Barça-Geld trieben die Dortmunder in der Bundesliga Dembélé-Ersatz auf.
Wer so viel Geld erhält, überzahlt danach die Suche nach Realersatz. Im gleichen Sommer konnte YB Denis Zakaria für über 10 Millionen nach Mönchengladbach und Yoric Ravet für einen Millionenbetrag zum SC Freiburg abgeben.
Mit anderen Worten: Richtet Katar mit der grossen Kelle an, bleibt am Ende davon auch etwas für die Schweiz übrig. Aber eben. Dieses Jahr herrscht etwas weniger Unvernunft.
Einige Nationalspieler kommen nicht weiter
Ein Indikator für den Befund, dass insgesamt Sand ins Transfer-Getriebe gekommen ist, sind unzufriedene Schweizer Nationalspieler. Von denen wechselt nach der EM-Endrunde nicht einer für einen namhaften Betrag den Klub. Xherdan Shaqiri (Basel) und Ricardo Rodríguez (Betis Sevilla) sind ablösefrei bei einem neuen Arbeitgeber, Fabian Rieder (Stuttgart) und Zeki Amdouni (Benfica Lissabon) nur leihweise. Dan Ndoye bleibt ebenso in Bologna wie Ruben Vargas in Augsburg und Kwadwo Duah bei Ludogorez Rasgrad.
Vargas hat Noah Okafor (AC Milan) vor Augen und rechnete mit einem Wechsel – weg vom Kleinklub Augsburg, irgendwo an den grossen Lohn. Im letzten Winter soll die AC Fiorentina Signale gesendet haben, aber Vargas wartete zu. Vergeblich. Offensichtlich hat er an der EM zu wenig Aufsehen erregt.
Wie die Schweizer Nationalspieler hat auch die Super League etwas weniger Strahlkraft. Das hat nur am Rand mit dem FC Sion zu tun, dessen Präsident Christian Constantin nach dem millionenschweren, abgrundtiefen Malheur mit Mario Balotelli (2022) in der Challenge League zu der (vorübergehenden?) Erkenntnis gelangt ist, dass mit weniger Geld und mit weniger Erneuerung womöglich mehr zu holen ist.
Schweizer Transfer-Ausnahmen sind neben dem Basler Treiben der 21-jährige Aurèle Amenda, der für einen zweistelligen Millionenbetrag die Stufe von YB nach Eintracht Frankfurt nahm, aber dort zu Saisonbeginn noch keine Sekunde spielte. Oder der 22-jährige, frühere Luzerner Ardon Jashari (Brügge, 6 Millionen), dem es bis jetzt in Belgien für drei Teileinsätze gereicht hat.
Isaac Schmidt bringt St. Gallen viel Geld
Einen der erstaunlichsten Tapetenwechsel vollzog der 24-jährige Isaac Schmidt. Zumal für einen Aussenverteidiger. Er spielt neu für Leeds United. Laut seiner Beratungsagentur soll die Höhe der Transfersumme von 5 Millionen Euro für den FC St. Gallen gemäss den festgeschriebenen Konditionen «locker» zu erreichen sein. Schmidt beschert den St. Gallern damit eine Summe, die sie fast nur vom Hörensagen kennen.
Der Schönheitsfehler hier: Leeds spielt in der Championship, ist nicht in die Premier League aufgestiegen und hat im Sommer für 160 Millionen Fussballer verkauft – vor allem in die oberste Liga an Dagobert Duck.
Der europäische Transfer-Rückgang erfasst nicht alle Ligen: Die spanischen und italienischen Klubs haben heuer mehr Geld ausgegeben als im Sommer 2023. Und Belgien, vergleichbar mit der Schweiz, präsentiert sich abermals als Fussballexport-Land sondergleichen und steigert den Transferertrag laut einer Studie des Weltverbands Fifa im Vergleich zu 2023 um über 50 Prozent. Das muss die Schweizer Klubs aufhorchen lassen.
Die Transaktion Isaac Schmidt ist für Leeds im britischen Geldregen ein Krümel. Aber genau darauf ist die Super League angewiesen. Vor allem, wenn weniger Geld im System ist.