Das Verkehrskonzept für den Grossanlass zeigt: Die Rennen bringen enorme logistische Herausforderungen mit sich. Und sorgen in den Seegemeinden für Unmut.
Als «grosses Fest für das Velo» bezeichnete die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) die Rad-WM einst. Und gross wird der Anlass in der Tat: Während der neun Tage vom 21. bis zum 29. September messen sich 1300 der weltbesten Athletinnen und Athleten im Zeitfahren, im Para-Cycling und im regulären Strassenrennen. Über 50 Rennen werden ausgetragen.
800 000 Zuschauer werden erwartet. Entsprechend hoch ist auch der Betrag, den die Stadtregierung für die WM budgetiert hat: 7,85 Millionen Franken.
Gross sind aber auch die Einschränkungen während der Rad-WM. Viele der Rennstrecken haben ihren Startpunkt jenseits der Stadtgrenzen. Die Ziellinie liegt in der Nähe des Sechseläutenplatzes. Der «City Circuit» zum Beispiel führt über Zollikon und Küsnacht nach Zumikon, von dort nach Binz bei Fällanden und über Witikon wieder in die Stadt zurück.
Für die Rennen muss der gesamte Streckenverlauf abgesperrt werden, und zwar von 5 Uhr bis 18 Uhr. In dieser Zeit werden die Strecken vorbereitet, die Rennen durchgeführt und die Absperrungen wieder abgebaut. Betroffen sind sowohl der private als auch der öffentliche Verkehr.
Eine Mitteilung, die das Organisationskomitee, die Stadt und der Kanton Zürich gemeinsam veröffentlicht haben, zeigt nun definitiv auf, welches Ausmass die Einschränkungen im Verkehr haben.
Fast ein ganzes Quartier wird lahmgelegt
Am stärksten betroffen ist das Quartier rund um den Sechseläutenplatz. Die Dufourstrasse und die Quaibrücke sind praktisch während der gesamten Weltmeisterschaft für sämtlichen Verkehr von früh bis spät gesperrt.
Vom 21. bis zum 24. September von 5 bis 19 Uhr blockiert sind zudem die Seestrasse am rechten Seeufer, die Bellerivestrasse und der Utoquai. Ebenfalls nicht passierbar für Autofahrer sind die Quaibrücke, das Bellevue und die Rämistrasse bis zum Kunsthaus. Vom 25. bis zum 29. September ebenfalls von 5 bis 19 Uhr gesperrt sind sämtliche Strassen, die für die diversen Rundkurse benötigt werden.
Die Zufahrt in die Quartiere Hottingen, Hirslanden und Seefeld ist über die Forchautostrasse A 52 zwar möglich. Doch das erfordert vom 25. bis zum 29. September eine Bewilligung. Gemäss einer Website des Kantons wird diese nur jenen erteilt, die aus «dringend notwendigen Gründen» in die Quartiere müssen. Alle anderen müssen Umwege in Kauf nehmen.
Selbst für Fussgänger dürfte es in der Innenstadt kompliziert werden. Es werde zwar «in regelmässigen Abständen» Stellen geben, wo die Rennstrecken überquert werden könnten. Das verspricht eine Website der Stadt. Doch die Fussgänger müssen warten, bis sich im laufenden Rennen eine Lücke auftut.
Für Velofahrer werden das linke Seebecken und die Quaibrücke an den Renntagen gar nicht befahrbar sein. Das begründet die Stadt mit dem hohen Besucheraufkommen am Streckenrand. Der öffentliche Verkehr werde an den Renntagen «stark eingeschränkt» unterwegs sein. Der Verkehr im Stadtteil rund ums Bellevue mit 60 000 Einwohnerinnen und Einwohnern sowie 50 000 Arbeitsplätzen ist damit praktisch lahmgelegt.
Der Zugang zu Spitälern dagegen bleibe gewährleistet, heisst es in der Mitteilung. «Notfälle haben jederzeit Priorität.»
Vom Parkplatz zu Fuss nach Hause
In Witikon wird die grösste Zufahrtsstrasse, die Witikonerstrasse, vom 25. bis zum 29. September von 5 bis 19 Uhr komplett gesperrt bleiben. Wer während dieser Zeit trotzdem auf das Auto angewiesen ist, soll es nach Angaben der Stadt auf dem Parkplatz «Im Hau» etwas ausserhalb des Wohnquartiers abstellen. Von dort führt eine Umfahrung über die Katzenschwanzstrasse und den Dolder ins Stadtzentrum.
Zum Parkplatz und vom Parkplatz nach Hause müssen die Witikerinnen und Witiker allerdings zu Fuss gehen.
Die Verbindung der Buslinie 31 nach Witikon wird vom 25. bis zum 29. September eingestellt. Die direkte Anbindung des Quartiers an Klusplatz, Hegibachplatz und Hauptbahnhof ist damit gekappt. Als Ersatz bieten die VBZ einen Bus an, der bis zur Kirche Fluntern fährt. Dort müssen Passagiere auf das Tram umsteigen. Zusätzlich gibt es einen Ersatzbus von der Stodolastrasse bis nach Rehalp. Dort besteht Anschluss an die Tramlinie 11 und die Forchbahn.
Eine Herausforderung, aber auch eine Chance
Man habe lange mit der Stadt diskutiert, sagt Philipp Jung, der Präsident des Quartiervereins Witikon, zur NZZ. Dabei sei man sich nicht in allen Punkten einig geworden. Er selbst sei zwar nicht von der gesperrten Witikonerstrasse betroffen, sagt Jung. Er stelle sich aber trotzdem darauf ein, dass er während der drei Renntage «einiges an Geduld brauchen» werde.
Er wolle die Rad-WM deshalb aber nicht schlechtreden: «Wir begrüssen den Anlass und nehmen die Einschränkungen in Kauf.»
Ähnlich klingt es bei der Vereinigung Bellevue Stadelhofen. Nicolas von Graffenried ist der Präsident des Vereins. Er sagt: «Natürlich gibt es Herausforderungen. Zum Beispiel sind tagsüber keine Lieferungen und keine Entsorgungen möglich.» Da brauche es eine hervorragende Organisation und etwas Flexibilität von allen Beteiligten. Er zähle ausserdem auf die Unterstützung der Behörden.
Zentral sei für ihn, dass die S-Bahn am Bahnhof Stadelhofen ohne Unterbruch funktioniere, sagt von Graffenried. Die Gegend solle auch dann möglichst gut erreichbar bleiben, wenn die Strassen gesperrt seien. So könne die Rad-WM auch eine Chance für das Gewerbe sein – vorausgesetzt, das Wetter mache mit.
Seegemeinden fürchten zusätzliche Kosten
Während sich die Betroffenen langsam, aber sicher mit den Einschränkungen im Verkehr abzufinden scheinen, sorgt ein anderes Thema im Zusammenhang mit der Rad-WM für Unmut: Die Gemeinden des Bezirks Meilen fürchten, dass Mehrkosten anfallen, die weder der Kanton noch das Organisationskomitee tragen wollen.
In Küsnacht zum Beispiel rechnet man mit Aufwänden von allein 50 000 Franken für die Aufgebote von Feuerwehrangehörigen. Für den Küsnachter Gemeindepräsidenten Markus Ernst (FDP) ist es ärgerlich, dass diese Kosten zusätzlich zum Aufwand anfielen, den die Rad-WM für Küsnacht ohnehin schon bedeute. «Wir wenden Arbeitsstunden im vierstelligen Bereich für die WM auf. Was darüber hinausgeht, wollen wir nicht auch noch tragen.»
Das ändere zwar nichts daran, dass er sich auf die Rad-WM freue, sagt Ernst: «Das meiste läuft gut, und ich bin sicher, dass wir auch dieses Problem noch gelöst bekommen.» Ein Ärgernis sei die offene Frage der Finanzierung derzeit aber gleichwohl.
Unterstützung bekommt Markus Ernst jetzt aus dem Kantonsrat. Dort haben Marion Matter (SVP, Meilen), Corinne Hoss-Blatter (FDP, Zollikon) und Marzena Kopp (Mitte, Meilen) eine Anfrage eingereicht. Der Regierungsrat solle der Sache auf den Grund gehen und Massnahmen vorschlagen, um die Gemeinden vor Mehrkosten zu bewahren.
Marzena Kopp sagt: «Die Gemeinden sind davon ausgegangen, dass sie die Rad-WM ohne weitere Kosten durchführen können.» Nun komme insgesamt doch ein ungefähr sechsstelliger Betrag zusammen, den der Kanton und das Organisationskomitee auf die Gemeinden abwälzen wollten. Das gehe nicht an. Deshalb solle der Kanton nun Stellung beziehen.