Die Partei des designierten deutschen Kanzlers Friedrich Merz hat klare Vorstellungen davon, wie eine mögliche europäische Nachkriegsordnung nicht aussehen soll. Derzeit ist sie jedoch zum Zuschauen verdammt.
Aus der Partei des designierten deutschen Kanzlers Friedrich Merz kommt scharfe Kritik an den amerikanischen Friedensplänen für die Ukraine. Der CDU-Aussenpolitiker Jürgen Hardt warnte etwa vor einem «Diktatfrieden». «Er würde Russland ermutigen, weitere Länder folgenlos anzugreifen», sagte er der «Bild»-Zeitung. Zudem rechnet er mit Flüchtlingsströmen nach Deutschland, sollten Millionen Ukrainer ihr Land verlassen, die nicht unter russischer Besatzung leben wollen.
Sein Parteikollege Armin Laschet hält die Bedingungen des Friedensplans ebenfalls für «nicht akzeptabel» – sowohl für die Ukrainer wie auch die Europäer. «Was beispielsweise nicht geht, ist ein völkerrechtliches Übertragen der Krim ohne Einverständnis der Ukraine, das von aussen festgelegt wird», sagte er im ZDF. Der CDU-Aussenpolitiker Roderich Kiesewetter sprach im «Spiegel» gar von einem «Kriegsausweitungsplan».
Auch der Parteivorsitzende Friedrich Merz hatte sich in der Vergangenheit als entschiedener Unterstützer der Ukraine präsentiert. An einer Veranstaltung im Dezember sagte er noch: «Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen, Russland muss ihn verlieren.» Den inzwischen nur noch geschäftsführenden Kanzler Olaf Scholz griff er im Wahlkampf immer wieder wegen dessen zögerlicher Haltung zu Waffenlieferungen an.
SPD stimmt noch über Koalitionsvertrag ab
Als designierter deutscher Kanzler hält sich Merz nun allerdings mit Aussagen zum Krieg auffällig zurück. Das amerikanische Drängen auf ein baldiges Ende des Krieges – koste es die Ukraine, was es wolle – kommt für die Deutschen zur Unzeit.
Deutschland befindet sich in der Endphase der Regierungsbildung. Nach der Bundestagswahl im Februar haben sich die konservative Union und die Sozialdemokraten erst vor wenigen Wochen auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag geeinigt. Bis zur offiziellen Übernahme der Regierungsgeschäfte müssen jedoch noch einige Hürden genommen werden. Erst in den kommenden Tagen sollen etwa die Ministerposten bekanntgegeben werden. Zudem muss Merz noch vom Bundestag zum Kanzler gewählt werden.
So lange wird Deutschland bei allen wichtigen Treffen zur Ukraine lediglich von der geschäftsführenden Regierung vertreten. Grundsatzentscheidungen zu einer möglichen europäischen Nachkriegsordnung wird sie wohl ihren Nachfolgern überlassen.
Merz wird ausserdem im Blick haben, dass die Sozialdemokraten dem Koalitionsvertrag noch offiziell zustimmen müssen. Das Mitgliedervotum dazu läuft noch bis zum 29. April. Obwohl sie den Konservativen viele Zugeständnisse abgerungen haben, stösst das Papier an der Parteibasis auf wenig Begeisterung. Die Führung der Jugendorganisation der Sozialdemokraten will etwa dagegen stimmen und ruft ihre Mitglieder auf, es ihr gleichzutun.
Ein allzu entschlossener Vorstoss von Merz könnte für weiteren Unmut in der traditionell friedensbewegten Partei sorgen. Teile der Sozialdemokraten sehen etwa weitere Waffenlieferungen oder deutsche Truppen zur Absicherung eines Friedens durchaus kritisch. Auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil, der in diesen Fragen Merz nähersteht, hält sich derzeit mit Aussagen zum Krieg zurück.
Wadephul sieht Verhandlungen noch nicht am Ende
Zudem mehrten sich in den vergangenen Wochen auch in Merz’ eigener Partei die Stimmen, die für eine Annäherung an Russland plädieren, sollte es zu einem Friedensvertrag kommen. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer sprach sich etwa dafür aus, die Sanktionen gegen Russland zu überdenken. Andere in der Partei forderten, die Gaslieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 wieder aufzunehmen.
Im Merz-Lager ist man angesichts dieser Lage derzeit bemüht, das Drängen der Amerikaner herunterzuspielen. Der CDU-Politiker Johann Wadephul, der als aussichtsreicher Kandidat für das Amt des Aussenministers gilt, machte am Donnerstagabend im ZDF deutlich, dass er den amerikanischen Friedensplan lediglich als einen ersten Aufschlag für Verhandlungen versteht. «Das ist ein Prozess. Da gibt es nicht ein Papier und dann ist der Prozess abgeschlossen und wir haben ein Ergebnis», sagte er. «Sondern es gibt Verhandlungen, und es ist gut, dass die Amerikaner die Initiative ergriffen haben. Aber es ist auch gut, dass wir dabei sind.»
Mit «wir» meinte er die Europäer. Aus Sicht von Wadephul haben sie bei den Verhandlungen noch ein Wörtchen mitzureden. Europa habe eine eigenständige Position, und Europa habe «durchaus Gewicht», sagte er. Zuvor hatte er sich unter anderem mit dem britischen Aussenminister David Lammy und dem italienischen Aussenminister Antonio Tajani getroffen.
Merz selbst will laut Medienberichten am 9. Mai, wenige Tage nach seiner geplanten Wahl zum Kanzler durch den Bundestag, in die Ukraine reisen. Für diesen Tag plant die ukrainische Regierung ein Treffen der Unterstützer der Ukraine, der sogenannten Koalition der Willigen.