Die dänische Reederei Maersk rechnet mit besseren Geschäftszahlen als noch vor kurzem. Der Grund dafür sind gestiegene Frachtraten. Das kann zu einem Problem für die Notenbanken werden.
Die Welt hat sich an die Angriffe der jemenitischen Huthi-Rebellen auf Frachtschiffe im Roten Meer gewöhnt. Die Attacken lösen keine grossen Schlagzeilen mehr aus. In der jüngsten Prognose für das ganzjährige Geschäftsergebnis von Maersk, der weltweit zweitgrössten Containerschiff-Reederei aus Dänemark, spielen die Huthi-Kämpfer aber wieder eine grosse Rolle: Maersk passte die Gewinnerwartungen für dieses Jahr stark nach oben an – wegen stark gestiegener Kosten für den Schiffstransport von Containern.
Um das Kap der Guten Hoffnung
Innerhalb weniger Wochen verdoppelte sich der Preis für die Verschiffung eines 40-Fuss-Containers von Schanghai nach Rotterdam laut dem Informationsdienst Drewry. Das Preisniveau ist zwar noch niedriger als zur Zeit der Pandemie. Es werden aber Erinnerungen an die Phase wach, als die Seefrachtkosten in die Höhe schossen und Logistikunternehmen und Reedereien Milliardengewinne schrieben. Ebenso tauchen Befürchtungen auf, dass dies die Inflation wieder anheizen könnte.
Die ständigen Angriffe der Huthi mit Drohnen und Raketen auf Tanker und Containerschiffe sind ein Teil der Erklärung für den derzeit raschen Anstieg der Frachtkosten. Die Strecke durch die Meerenge Bab al-Mandab und den Suezkanal ist die schnellste Verbindung zwischen Asien und Europa. Rund 12 Prozent des Welthandels werden auf dieser Route abgewickelt.
Das Risiko ist derzeit für viele Reedereien zu gross, sie lenken ihre Schiffe um Afrika und das Kap der Guten Hoffnung um. Dadurch verlängert sich der Transport zwischen China und Europa um bis zu 14 Tage, und die Personal- und Treibstoffkosten steigen. Ausserdem braucht es dadurch mehr Schiffe, um die gleiche Menge an Gütern zu transportieren.
Während der Pandemie hatten die Reedereien wie wild neue Schiffe geordert. In der Branche hiess es bereits, dass wegen dieser Überkapazitäten die Frachtkosten längerfristig sinken würden. Das Logistikunternehmen DHL schätzt aber, dass derzeit die zusätzlichen Kapazitäten zu einem grossen Teil wegen der gefährlichen Situation im Roten Meer benötigt werden. Ein Glücksfall für so manche Reederei.
Zugleich können wegen Wassermangel weniger Schiffe als üblich durch den Panamakanal fahren, der vor allem Asien und die amerikanische Ostküste verbindet. Normalerweise werden in einem solchen Fall einige der Schiffe durch den Suezkanal umgeleitet, was nun weniger möglich ist.
Wenn die Lieferketten mehrere Knoten haben, werden nicht nur Schiffe knapper, sondern auch Container. Maersk berichtet derzeit zudem von Schiffstaus vor Häfen vor allem in Asien und im Nahen Osten. Dadurch vergrössert sich das Problem. Die Erinnerung an die Pandemie ist dabei wenig hilfreich. Wer aus der damaligen Zeit seine Lehre gezogen hat, könnte die Verwerfungen noch verschärfen.
Hamsterkäufe führen zu Staus
Was für das einzelne Unternehmen sinnvoll ist, kann der Gesamtwirtschaft Kopfzerbrechen bereiten. Der Anstieg der Frachtraten ist auch auf eine gesteigerte Nachfrage zurückzuführen. Um sich gegen mögliche Transportschwierigkeiten zu wappnen, ziehen manche Firmen ihre Bestellungen derzeit vor – und dies vor der eigentlichen Hochsaison in der Logistikbranche. Üblicherweise nehmen die Aufträge von Importeuren von Juli bis September zu, weil diese damit ihre Lager vor allem für das Weihnachtsgeschäft füllen möchten.
Wenn nun viele früh bestellen, um Verzögerungen zu vermeiden, steigt die Gefahr von Verzögerungen. Ökonomen des Beratungsunternehmens Capital Economics sehen noch keinen starken Aufbau der Lager, sie verweisen aber auf die zahlreichen Aussagen von Logistikunternehmen, die darauf hindeuten.
Laut Capital Economics hat in den vergangenen Wochen auf alle Fälle die Nachfrage nach Gütern aus China zugenommen, teilweise auch weil chinesische Produzenten ihre Preise gesenkt haben, um ihre Überproduktion loszuwerden. Zudem könnten auch die kommenden neuen Zölle der USA auf einige chinesische Güter wie Elektrofahrzeuge oder Batterien zu Hamsterkäufen führen, was den Druck auf die Frachtkosten erhöht.
Furcht vor Inflation
Die gestiegenen Frachtkosten während der Pandemie waren auch ein Grund für den Anstieg der weltweiten Inflation, der zu Zinserhöhungen führte. Erst vor kurzem haben die Zentralbanken, wie in der Schweiz und in der EU, mit Zinssenkungen begonnen. Deshalb verwundert es nicht, dass die Entwicklung genau beobachtet wird.
Die Ökonomen von Capital Economics gehen derzeit von einem eher geringen Effekt aus. Der Anteil der Transportkosten an den Haushaltsausgaben in Deutschland beträgt nur 0,3 Prozent. Deshalb brauche es einen steilen Anstieg der Kosten, um eine Wirkung zu zeigen. Selbst während der Pandemie sei die globale Inflation wegen der Frachtkosten nur um 0,3 Prozentpunkte gestiegen.
Eine wichtige Frage lautet dabei, für wie lange Zeit die Welt mit hohen Frachtpreisen umgehen muss. Ökonomen der Rabobank haben dabei ausgerechnet, dass die Konsumentenpreise in der Euro-Zone um 0,5 Prozentpunkte hochgehen würden, wenn der Fluss der Handelsströme durch den Suezkanal das ganze Jahr 2024 beeinträchtigt wäre. Wenn die Situation bis ins Jahr 2025 anhält, könnte sich dies auf 0,9 Prozentpunkte steigern. Im schlechtesten Fall könnte es gar 1,8 Prozentpunkte ausmachen.
Die Experten der Rabobank schätzen, dass eine permanente Erhöhung des Containerpreisindexes von Drewry um 1500 Dollar zu einer Erhöhung der Teuerung von 1,4 Prozentpunkten führt. Der kurzfristige Anstieg der Transportkosten war nun deutlich höher. Es deutet derzeit wenig darauf hin, dass die Bedrohung des Welthandels durch die Huthi schnell abebben wird. Neben der Frage nach der Dauer gibt es auch noch andere Faktoren: Der Preisindex spiegelt die Seefrachtpreise am Spotmarkt, die für spontane Lieferungen zu bezahlen sind.
Grössere Logistikkunden haben aber vielfach längerfristige Verträge, die niedrigere Preise aufweisen können. Ausserdem werden in der nächsten Zeit noch weitere neue Schiffe auf den Markt kommen, die während der Pandemie bestellt worden sind. Dies drückt tendenziell die Frachtpreise.