Wer wird der 267. Papst? Am Mittwoch beginnt das Konklave und damit die entscheidende Phase zur Bestimmung des Nachfolgers des verstorbenen Jorge Mario Bergoglio. Das sind die Kronfavoriten.
Je näher der Termin rückt, desto robuster werden die Beeinflussungsversuche. Kurz vor dem Beginn des Konklaves machen in Rom Vorwürfe gegen einzelne Kronfavoriten der Papstwahl die Runde. Von den einen wird behauptet, sie seien in der Vergangenheit zu wenig entschieden gegen sexuelle Missbräuche vorgegangen, anderen wiederum wird zu grosse Nähe zur chinesischen Führung vorgeworfen. Und bei Dritten schliesslich heisst es, sie seien gesundheitlich schwer angeschlagen.
Die Vorwürfe, zum Teil aus dubiosen Quellen, sind im Einzelnen schwer überprüfbar. Sie sind aber ein untrügliches Zeichen dafür, dass es nun ans Eingemachte geht. Am Mittwoch ab 16 Uhr 30 werden die 133 wahlberechtigten – das heisst unter achtzig Jahre alten – Kardinäle in einer Prozession in die Sixtinische Kapelle ziehen und damit das wohl schönste Wahllokal der Welt in Beschlag nehmen.
Dort werden sie in den nächsten Tagen den neuen Pontifex, den 267. Papst, bestimmen. Am Mittwoch findet ein erster Wahlgang statt, danach werden jeweils am Vormittag und am Nachmittag je zwei Wahlgänge durchgeführt. Zweimal am Tag steigt Rauch aus dem Kamin auf: Erst wenn er weiss ist, bedeutet dies, dass der neue Papst gewählt ist und er die Wahl akzeptiert hat.
Unter den Kronfavoriten (Papabili) werden folgende Namen besonders häufig genannt. Beobachter schliessen aber nicht aus, dass auch ein Überraschungskandidat das Rennen machen könnte.
Jean-Marc Aveline
66 Jahre, Frankreich
Der Name des 66-jährigen Erzbischofs von Marseille wurde in letzter Zeit immer häufiger genannt, auch wenn er eher in der zweiten Reihe der Papabili steht. Er geniesst die Unterstützung des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, der noch am Tag der Beisetzung von Papst Franziskus unverhohlen Lobbying für ihn betrieben hat. Der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz ist in Sidi Bel Abbès in Algerien geboren und gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund seiner Abstammung aus einer Familie von «pieds-noirs» (Algerienfranzosen) als Mann des Dialogs zwischen den Religionen. Sein Augenmerk ist zudem auf die Situation in den französischen Banlieues gerichtet.
Péter Erdö
72 Jahre, Ungarn
Der Erzbischof von Budapest ist einer der letzten Kardinäle, die noch von Papst Johannes Paul II. geweiht worden sind: Der 73-Jährige gehört schon seit 2003 zu den Purpurträgern. Erdö hat sich in Ungarn im Kampf gegen den Kommunismus engagiert und ist einer der aussichtsreichsten Kandidaten der Konservativen. Er vertritt traditionalistische Positionen und gilt neben den vielen Kirchenpraktikern unter den Papabili als intellektueller Kopf. Erdö hat in Rom Theologie und Kirchenrecht studiert und lehrte als Professor in Budapest. Trotz konservativen Positionen hat er im Unterschied zu anderen Kritikern nie offen gegen Franziskus opponiert. Als Handicap gilt sein fehlendes Charisma.
Mario Grech
68 Jahre, Malta
Der Malteser Kurienkardinal und frühere Bischof von Gozo ist das Aushängeschild der katholischen Weltsynode. Diese war ein zentrales Element der Politik von Papst Franziskus und wurde von diesem ins Leben gerufen, um die künftige Entwicklung der Kirche breiter abzustützen. Erstmals durften an der Weltsynode Frauen und Laien gleichberechtigt teilnehmen und abstimmen. Der 68-jährige Grech hat diesen Prozess nach übereinstimmender Meinung in Rom mit Umsicht und Geschick geleitet, sekundiert vom Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich, der ursprünglich ebenfalls zu den Papabili gezählt wurde, nunmehr aber etwas in den Hintergrund gerückt ist. Grech sagt von sich selbst, er habe früher konservativere kirchenpolitische Positionen vertreten, sei aber nicht zuletzt wegen der Synode aufgeschlossener geworden. Er hat Philosophie, Theologie und Kirchenrecht studiert.
Pietro Parolin
70 Jahre, Italien
Gestandene Vatikanisten und Buchmacher sind sich einig: Der 70-jährige Kardinal aus dem kleinen Dörfchen Schiavon bei Vicenza in Norditalien hat sehr gute Chancen. Parolin, ein Kirchenmann von ausgleichendem Charakter, hat eine glänzende vatikanische Karriere hingelegt und wurde von Franziskus zum Staatssekretär berufen. Es ist das zweithöchste Amt im Vatikan. Parolin ist der Architekt des historischen Abkommens von 2018 mit China, worin die Wahl der chinesischen Bischöfe geregelt wird. Kritiker (vor allem aus den USA, aber auch aus kirchlichen Kreisen) werfen ihm vor, gegenüber dem Regime in Peking zu viele Konzessionen gemacht zu haben. Andere loben ihn, weil der Geheimvertrag es den chinesischen Katholiken ermöglicht habe, sich aus dem Untergrund zu befreien. Gerüchte, Parolin sei ernsthaft erkrankt, sind vom Vatikan umgehend dementiert worden.
Pierbattista Pizzaballa
60 Jahre, Italien
Der 60-jährige Kardinal mit dem einprägsamen Namen hat in den letzten Tagen Terrain gutgemacht. Pizzaballa stammt aus der Nähe von Bergamo und gehört dem Franziskanerorden an. Während seiner theologischen Ausbildung hat er sich stark mit dem interreligiösen Dialog auseinandergesetzt – eine gute Voraussetzung für das Amt, für das ihn Papst Franziskus zuletzt ausersehen hat: Pizzaballa ist lateinischer Patriarch von Jerusalem und steht damit im Zentrum des nahöstlichen Konfliktherdes. Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sah er sich mit Vorwürfen konfrontiert, wonach er den Massenmord zu wenig klar verurteilt habe. Pizzaballa musste sich entschuldigen und sagte, er habe seine erste Erklärung «ohne Kenntnis des ganzen Horrors der Hamas-Angriffe verfasst». Beobachter, die ihn gut kennen, halten ihn für eine starke Führungspersönlichkeit.
Matteo Maria Zuppi
69 Jahre, Italien
Der 69-jährige Erzbischof von Bologna und Präsident der italienischen Bischofskonferenz gilt als bescheidener und leutseliger Priester. In Rom geboren, hat er mit dem Liedermacher Francesco De Gregori das Gymnasium besucht: Während De Gregori seine Mitschüler mit der Gitarre unterhielt, zählte Zuppi zur Basketball-Fraktion auf dem Pausenhof. Zuppi stammt aus einem kirchennahen Milieu. Sein Vater war Direktor des «Osservatore Romano», der offiziellen Zeitung des Vatikans, seine Mutter war die Nichte des Privatsekretärs von Papst Pius XI. Zuppi gehört zum Umfeld der Gemeinschaft Sant’Egidio, die sich sozialen Einsätzen zugunsten von Armen, Benachteiligten und Migranten verschrieben hat. Zuppi ist von Franziskus zum Sondergesandten für die Ukraine ernannt worden.
Robert Francis Prevost
69 Jahre, USA
Vom 69-jährigen Kardinal aus Chicago heisst es, er sei der einzige wählbare Amerikaner im Kollegium – vielleicht, weil er schon längst in Rom heimisch geworden ist und als Kosmopolit gilt. Das Mitglied des Augustinerordens leitet in der Kurie das Dikasterium (Ministerium) für die Bischöfe und bekleidet damit einen wichtigen Posten in der Zentrale. Zudem ist er Präsident der päpstlichen Kommission für Lateinamerika, was wiederum mit seiner früheren Tätigkeit als Bischof in Peru zu tun hat. Er gilt als pragmatischer Mann der Mitte und als Vermittler zwischen den Welten des amerikanischen Katholizismus.
Fridolin Ambongo Besungu
65 Jahre, Demokratische Republik Kongo
Der Kongolese ist in den letzten Tagen etwas in den Hintergrund gerückt, gilt aber als überaus wichtige Figur im Kardinalskollegium und als Königsmacher. Er vertritt den in der katholischen Kirche erstarkenden afrikanischen Kontinent. 65 Jahre alt, gehört er zum Kapuzinerorden und ist Erzbischof von Kinshasa. Er zählt zu den Anhängern des synodalen Weges, mit dem eine Kirche gefördert werden soll, an der auch Frauen und Laien teilhaben können. Ausserdem macht er sich für Arme und Migranten stark. In Fragen der Familienpolitik und der Sexualmoral zählt er zu den Konservativen: So ist er ein vehementer Gegner der Segnung von Homosexuellen.
Cristóbal López Romero
72 Jahre, Marokko
Der 72-jährige Spanier, der als Erzbischof von Rabat tätig ist, gehört wie Matteo Zuppi und Jean-Marc Aveline zu den populären Priestern unter den Papabili. Er wäre ein Papst im Sinne von Franziskus, heisst es in Rom, aber einer mit der Herzlichkeit der Salesianer. Bereits 1964 ist Romero dieser Ordensgemeinschaft beigetreten. Die Salesianer Don Boscos gehören seit dem 19. Jahrhundert zu den Pionieren der Jugendarbeit. Man sagt ihnen einen besonders familiären Geist nach. «Wenn ich die Gefahr sehe, gewählt zu werden, mache ich mich aus dem Staub», soll er jüngst gesagt haben, als man ihn zu seinen Chancen befragt hat, der nächste Papst zu werden. Als Verbindungsmann zwischen Europa und Afrika wäre er aber ein interessanter Mann. Im mehrheitlich muslimischen Marokko hat er grosse Anstrengungen für den interreligiösen Dialog unternommen und sich in der Migrationsfrage einen Namen gemacht.
Luis Antonio Tagle
67 Jahre, Philippinen
Der 67-jährige Filipino aus Manila gehört nach wie vor zum engsten Favoritenkreis. Er vertritt das wichtigste katholische Land Asiens und wurde 2012 von Benedikt XVI. zum Kardinal ernannt. «Chito» Tagle, so sein Übername, war von 2019 bis 2022 Kardinalpräfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, danach Propräfekt des daraus hervorgegangenen Dikasteriums (Ministeriums) für die Evangelisierung. Der Theologe ist damit nicht nur in seiner Heimat, sondern auch in der Kurie in Rom bestens vernetzt. Die Tatsache, dass seine Mutter chinesischen Ursprungs ist, hat bei Kritikern in den USA und anderswo Stirnrunzeln verursacht – ebenso wie ein früher aufgenommenes Video, das dieser Tage zum Renner auf Social Media geworden ist. Es zeigt ihn, wie er das Lied «Imagine» von John Lennon singt. Tagle stand dem verstorbenen Papst Franziskus inhaltlich sehr nah.
Die in Tabellenform dargestellten Positionen der einzelnen Papabili wurden der Website «College of Cardinals Report» entnommen. Dabei handelt es sich um eine Initiative aus konservativen katholischen Kreisen in den USA, die dem Pontifikat von Franziskus kritisch gegenüberstanden. Unabhängige Vatikan-Beobachter attestieren den Autoren der Website, dass den Angaben akribische Recherchen zugrunde liegen und die Informationen verlässlich sind. Für Mario Grech und Cristóbal López Romero sind die Positionen nicht bekannt und werden deshalb nicht dargestellt.
Bildquellen: Reuters, Imago, EPA