Die Kraut- und Knollenfäule breitet sich aus und kann Felder innert weniger Wochen zerstören. Die Branche reagiert auf die zunehmenden Wetterextreme.
Zuerst war es früh warm, dann spät kalt und nun lange nass: Das Wetter ist in diesem Frühling ein Auf und Ab. Das schlägt manchen aufs Gemüt, anderen ganz handfest aufs Geschäft: den Kartoffelproduzenten.
Die intensiven Niederschläge begünstigen die Verbreitung der Kraut- und Knollenfäule. Die Krankheit, ausgelöst von einem Pilz, befällt das Laub und die Knollen. Wenn die Landwirte nichts dagegen unternehmen, kann sie Felder innert weniger Wochen komplett zerstören.
«Die Situation ist sehr herausfordernd», sagt Ruedi Fischer, Präsident der Schweizer Kartoffelproduzenten. Er habe Bilder von mehreren Feldern gesehen, auf denen aufgrund der Kraut- und Knollenfäule im Herbst wohl nicht mehr geerntet werden kann. Besonders für Biobauern, welche die Krankheit nur mit Kupferpräparaten und nicht mit synthetischen Mitteln bekämpfen können, sei es derzeit schwierig. Erste Produzenten, so heisst es aus der Branche, hätten ihre Kulturen bereits aufgegeben.
In Deutschland warnte die Branche Anfang dieser Woche vor Ernteausfällen. Olaf Feuerborn, Vorstandsvorsitzender der Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft, sagte: «Die Gefahr massiver Krautfäule-Ausbrüche ist so gross wie schon lange nicht mehr.»
Die Produzenten müssen sich anpassen
Die Kartoffel brauche ein gemässigtes Klima, sagt Christian Bucher vom Branchenverband Swisspatat. «Alle Extreme, ob zu nass oder zu heiss und trocken, mag die Pflanze nicht.» Doch genau solche Perioden gab es in letzter Zeit vermehrt. Mit spürbaren Folgen: Die Ernten in den vergangenen drei Jahren sind gesamtschweizerisch unterdurchschnittlich ausgefallen.
Für manche Produzenten ist das mit schmerzhaften finanziellen Einbussen verbunden. Zumal gleichzeitig die Kosten für Dünger und Maschinen stiegen. Der Landwirt Ruedi Fischer sagt: «Die Wirtschaftlichkeit des Kartoffelbaus hat die letzten Jahre gelitten.»
Kartoffeln sind teurer geworden
Die Entwicklung macht sich auch im Detailhandel bemerkbar. Schweizer Kartoffeln sind aufgrund der geringen Ernte in den letzten Jahren teurer geworden. Ob die Preise dieses Jahr erneut steigen, lässt sich laut der Branche erst kurz vor der Haupternte im Herbst sagen. Ruedi Fischer, der Präsident der Kartoffelproduzenten, sagt: «Es ist möglich, dass die Kartoffeln im Laden oder die Pommes in der Badi etwas teurer werden.»
Rösti, Pommes, Kroketten: 45 Kilogramm Kartoffeln isst der Schweizer im Durchschnitt pro Jahr. Wegen einer Knappheit aufgrund der Kraut- und Knollenfäule müssen sich die Konsumenten indes nicht sorgen. Wie in den Vorjahren dürfte die fehlende Menge mit Importen wettgemacht werden. Schon damals produzierten zum Beispiel Schweizer Chips-Hersteller ihre Lebensmittel vermehrt mit ausländischen Kartoffeln.
Robuste Sorten züchten
Die Branche rechnet allerdings damit, dass die Erträge auch in Zukunft schwanken werden. Christian Bucher sagt: «Der Klimawandel führt zu mehr Wetterextremen – das ist für uns eine grosse Herausforderung.»
Die Produzenten passen sich an und pflanzen bereits robuste Sorten. Einige der gezüchteten Sorten ertragen die Hitze etwas besser, andere sind resistenter gegen Pilzkrankheiten in nassen Jahren. Im Moment machten sie erst einen kleinen Anteil an der Gesamtmenge von Schweizer Kartoffeln aus, sagt Rudolf Schwärzel von der Forschungsanstalt Agroscope. Trotzdem ist die Anpassung wichtig – nicht nur für die Erträge der Kartoffelproduzenten und die Qualität.
Robuste Sorten benötigen weniger Schutz und tragen dazu bei, dass Landwirte weniger Fungizide spritzen. Der Bund verlangt, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in den nächsten Jahren markant reduziert wird.
Die Kartoffelbranche hat mit dem Bundesamt für Landwirtschaft kürzlich eine Zielvereinbarung abgeschlossen. Darin ist festgehalten, dass die Anbaufläche bis 2040 mit robusten Sorten auf 80 Prozent gesteigert wird. Das scheint weit weg. Dass es dazu so lange braucht, hat laut Bucher aber seinen Grund: Es daure 12 bis 15 Jahre, bis eine neue Kartoffelsorte gezüchtet worden sei und auf den Markt komme.
Zudem ist die Schweiz abhängig vom Ausland, weil hierzulande keine Kartoffelzüchter tätig sind. Diese tüfteln fleissig an neuen Sorten. Doch eine «Wunderkartoffel», die gegen alles gewappnet sei, so Rudolf Schwärzel von Agroscope, eine solche gebe es noch nicht.