Auf dem Höhepunkt bekommt die Macht des taiwanischen Chip-Riesen TSMC Risse. Mit einer neuen Technologie will der US-Chiphersteller Intel die Weltmarktführerschaft zurückerobern.
Im Kampf um die Marktführerschaft in der Chipindustrie könnte die taiwanische TSMC die alte chinesische Weisheit belegen: die Einheit der Widersprüche, des weiblichen Yin und des männlichen Yang. Wenn eine Kraft ihren Höhepunkt erreicht hat, beginnt schon wieder der Übergang zur anderen Kraft, so eine Lesart der Idee. In diesem Fall geht es um das Dauerduell zwischen TSMC und Intel aus den USA.
Neue Scanner für die Herstellung von Chips
Schon seit Jahren sind die Taiwaner Weltmarktführer bei High-End-Chips. Im Jahr 2023 überholten sie erstmals auch beim Umsatz die Chipdivisionen von Intel und Samsung aus Südkorea. Doch just in diesem Moment erhält Intel Anfang dieses Jahres als erster Chiphersteller eine neue Anlagen-Generation für noch feinere Chip-Strukturen, mit der das Unternehmen TSMC mittelfristig überholen will.
Der taiwanische Marktforscher TrendForce spricht bereits von einer «Schlacht um das entscheidende Equipment». TSMC stehe «unter erheblichem Wettbewerbsdruck», urteilen die Experten. Denn Intel hat sich bereits sechs der ersten zehn Anlagen gesichert, die der niederländische Fabrikausrüster ASML fertigt. Die restlichen vier kauft Samsung. TSMC will laut Medienberichten erst ab 2030 in die neue Technologie einsteigen, wenn überhaupt.
Intels Hoffnungsträger ist die sogenannte High-NA-EUV-Technologie von ASML. Derzeit nutzen die Chiphersteller eine Belichtungstechnik, die mit extrem ultraviolettem Licht (EUV) arbeitet. Die neuen EUV-Maschinen haben nun eine höhere numerische Apertur, auf Englisch High Numerical Aperture oder kurz High-NA. Konkret steigt der Wert von 0,33 auf 0,55.
Ihr Vorteil: Je höher der Wert, desto feinere Strukturen können belichtet werden. Damit passen mehr Transistoren auf einen Chip. Der Nachteil: Mit Preisen zwischen 300 und 400 Millionen Dollar sind die neuen Scanner noch teurer als bisherige Anlagen.
Mithilfe von Apple zum Erfolg
Entscheidend für den Wettstreit der Chipgiganten ist, ob TSMC auf dem Höhepunkt seiner Macht einen ähnlichen Fehler begeht wie Intel in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts. Damals lehnte der unbestrittene Weltmarktführer Intel die neue EUV-Technologie von AMSL ab, TSMC griff zu, zugegebenermassen nach einigem Zögern.
Zunächst waren auch die Taiwaner skeptisch, ob die neue Belichtungstechnik besser sei. Doch dann kam der Kunde Apple und behauptete, die Leistung der Chips für seine iPhones und MacBooks könne verbessert werden. Zudem schoss der kalifornische Kultkonzern Geld zu, um TSMC die teure Umstellung zu erleichtern.
TSMC stieg um und erhielt 2009 die erste EUV-Anlage. Der Rest ist Geschichte: Die Taiwaner wurden auch technologisch zum Weltmarktführer und beherrschen mittlerweile rund zwei Drittel des Weltmarkts bei den fortschrittlichsten Chips mit Strukturen unter sieben Nanometern. Intel hingegen rennt hinterher.
Das Wettrennen beginnt
Durch ihre frühe Wette auf die neue Technik wollen die Amerikaner nun die Geschichte bei den kommenden Chipgenerationen umdrehen. Derzeit sind 3-Nanometer-Chips der Stand der Technik. Um das Jahr 2030 oder 2031 könnte die Ein-Nanometer-Schwelle fallen. Ein Nanometer ist der milliardste Teil eines Millimeters. Das entspricht etwa dem dreifachen Durchmesser eines Wassermoleküls.
Die grosse Frage ist nun, ob sich dann der Frühstart von Intel oder das Zögern von TSMC auszahlen wird. Mittelfristig sind Intels Chancen jedenfalls geringer als beim vorigen Technologiesprung. Denn der Unterschied zwischen EUV und High-NA-EUV ist geringer als bei der früheren Deep-Ultraviolet-Technologie (DUV) und EUV.
Der Analyst Jeff Koch von SemiAnalysis urteilt sogar, dass ASMLs neueste Anlagengeneration zwar weniger komplex, aber bis zu 1,4-Nanometer-Chips teurer sei. Erst danach sieht der ehemalige ASML-Mitarbeiter High-NA-EUV im Vorteil.
Das mag sein. Sollte Intel aber bald 2-Nanometer-Chips in den USA mit den neuen Anlagen produzieren können, würde der Konzern möglicherweise trotzdem Käufer finden. Auch TSMC-Grosskunde Apple fürchtet die Abhängigkeit von einem Hersteller und ist daher vielleicht bereit, für mehr Liefersicherheit auch mehr zu bezahlen.
Zudem könnten die Amerikaner die Produktion früher optimieren. Gelingt das allerdings nicht, lachen langfristig die Taiwaner. Andernfalls würde sich Intel einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und TSMC vielleicht als Marktführer ablösen – es sei denn, Samsung aus Südkorea kommt den Amerikanern zuvor.