Dünn, leicht, effizient und biegsam – sogenannte Perowskit-Solarzellen gelten als Hoffnungsträger für die Energiegewinnung. Japan hat schon einen Plan für die Massenanwendung – und Unternehmen, die ihn umsetzen wollen.
China dominiert den Weltmarkt für Solarzellen. Doch das war nicht immer so. Jahrzehntelang war Asiens älteste Industrienation, Japan, der Weltmarktführer bei der Solarenergie. Mit einem neuen Solarzellen-Typ setzt das Land nun darauf, seine verlorenen Marktanteile zurückzuerobern und wieder einen Spitzenplatz einzunehmen.
Es geht um sogenannte Perowskit-Solarzellen. Sie sind im Gegensatz zu bisherigen Solarzellen aus Silizium nicht nur flexibel und leichter, sondern haben auch einen höheren Wirkungsgrad. Je nach verwendeter Technik lässt sich sogar ihre Lichtdurchlässigkeit einstellen. Noch gibt es kein kommerzielles Produkt, es handelt sich um Prototypen. Und zudem muss die Lebenszeit der Zellen verlängert werden. Aber japanische Firmen wollen nun beweisen, dass sich die Perowskit-Solarzellen langfristig bewähren werden.
Eine erste Demonstration wird im April an der Weltausstellung in Osaka erfolgen. Die 250 Meter langen Dächer des Busbahnhofs am Westtor des Messegeländes sollen dann mit zwei Meter langen Panels belegt werden, um Speicherbatterien zu laden und die Haltestellen zu beleuchten.
Das ist nur der erste Schritt. Japans Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie verfolgt das Ziel, bis zum Jahr 2040 Perowskit-Solarzellen mit einer Leistung von 20 Gigawatt zu installieren. Das entspricht 20 konventionellen Atomreaktoren. Heute macht Solarenergie rund 11 Prozent des japanischen Strommix aus.
Die Regierung verspricht Milliarden an Unterstützung. Damit will Japan einen Wachstumsmarkt der Zukunft dominieren, der von vielen Ländern umkämpft wird. Im deutschen Bundesland Brandenburg hat das britische Photovoltaik-Unternehmen Oxford PV schon die erste Produktion für sogenannte Tandem-Solarzellen gestartet, die Perowskite noch mit dem bisher verwendeten Silizium kombinieren.
Warum Japan auf reine Perowskit-Solarzellen setzt
Aber auch in China und Südkorea wird inzwischen mit Hochdruck an reinen Perowskit-Solarzellen geforscht. Denn sie bieten viele Vorteile im Vergleich mit der bisherigen Technik. Einer ist die Klimafreundlichkeit, ein anderer die Effizienz.
Das Silizium, mit dem heute Solarzellen hergestellt werden, wird aus Quarzsand gewonnen. Dieser muss nicht nur abgebaut, sondern auch unter hohen Temperaturen zu starren Scheiben, sogenannten Wafern, verarbeitet werden. Das erfordert viel Energie und verursacht Kohlendioxidemissionen.
Perowskit hingegen ist ein Mineral aus Kalzium und Titanoxid. Das kann nicht nur weniger energieintensiv gewonnen und dünner aufgetragen werden, sondern verspricht auch noch eine hohe Energieausbeute. Im Labor haben Forscher laut einer Studie des japanischen Wissenschafters Atsushi Wakamiya von der Universität Kyoto bereits eine Energieumwandlung von über 25 Prozent erreicht, allerdings mit sehr kleinen Prototypen. Die Kombination einer Perowskit-Schicht mit anderen Materialien verspreche sogar eine Umwandlung von 33 bis 45 Prozent der Sonnenenergie in Strom, so der Experte.
Der grosse Vorteil reiner Perowskit-Zellen liege jedoch in der Verarbeitung, erklärt Isao Takasu vom japanischen Technologiekonzern Toshiba, einem der Technologieführer Japans auf diesem Gebiet. In der richtigen Mischung liessen sie sich dünn auf flexible Oberflächen oder Glas aufbringen, sagt der Leiter der Entwicklungskoordination im Forschungs- und Entwicklungszentrum des Unternehmens.
Das macht sie vor allem für den Einsatz auf Gebäuden in japanischen Ballungsgebieten interessant. Wegen der gebirgigen Landschaft vielerorts gibt es wenig Platz für gängige Solarkraftwerke. «Herkömmliche Silizium-Solarzellen sind sehr schwer und können deshalb an vielen Orten nicht installiert werden», sagt der Ingenieur Takasu.
Die neue Perowskit-Technologie eröffnet hier völlig neue Möglichkeiten: «Da die Dächer von Fabriken oder Sporthallen keine schweren Lasten tragen können, gibt es viele Kunden, die leichtere Solarmodule bevorzugen», sagt Takasu. Ein besonderer Vorteil sei zudem, dass die Module auch nachträglich an Aussenwänden angebracht werden könnten. Mit der neuen Technik könnten so auch Hochhäuser zu Solarkraftwerken werden.
Biegsam oder halb durchsichtig – Japans Unternehmen entwickeln mehrere Typen
Ein weiterer Grund für Japans Solarambitionen ist die Industriepolitik. Japanische Forscher gelten als Pioniere der Technologie. Das Material selbst ist zwar nach dem russischen Mineralogen Graf Lew Alexejewitsch von Perowski benannt. Aber es war der japanische Wissenschafter Tsutomu Miyasaka, der 2006 entdeckte, dass sich Perowskit dafür eignet, Sonnenlicht in Strom umzuwandeln. Damit legte er den Grundstein für weitere Entwicklungen im Bereich der Perowskit-Solarzellen, die inzwischen von mehreren Konzernen zur Marktreife entwickelt werden.
Eine Herausforderung ist jedoch, die dünne Perowskit-Schicht fehlerfrei aufzutragen. Sonst drohen geringe Effizienz oder gar Defekte bei der Solarzelle. Der Kern von Toshibas Innovation ist daher eine Produktionsmethode, die es erlaubt, eine grosse Folie in einem Arbeitsschritt zu beschichten – und so Fehler bestmöglich zu vermeiden. Auch das ist wichtig, um die Kosten für die Massenproduktion zu senken.
Das Ergebnis: «Die Energieausbeute der Folie lag 2022 bei 16,6 Prozent, was meiner Meinung nach immer noch der weltweit höchste Wert ist», berichtet Takasu von Toshiba. Zumindest für einen Prototyp, der mit einer Fläche von über 700 Quadratzentimetern relativ gross ist. In den Medien würden zwar gerne höhere Spitzenwerte zitiert. Dabei handle es sich aber um Modelle im Millimeterbereich, sagt Takasu.
Auf flexible Modelle setzt auch Sekisui Chemical. Das Unternehmen hat bereits 2023 mehrere Feldversuche durchgeführt. Es begann mit ersten kleinen Modulen auf dem Gelände des Stromherstellers Jera. Danach folgten grössere Flächen. Bei einem Warenhaus der japanischen Firma Senko waren es schon 16 Quadratmeter. Mit rund 250 Meter langen Dächern, die mit Perowskit-Solarzellen ausgestattet werden sollen, stellt die Weltausstellung die nächste Grössenordnung dar.
Der Technologiekonzern Panasonic verfolgt derweil eine andere Technik: beschichtete Glasscheiben für semitransparente Solarzellen-Fenster. Dabei wird die Perowskit-Schicht in einer Fabrik für Flüssigkristallbildschirme auf eine Glasscheibe aufgebracht. Nach diesem Schritt ist die Scheibe zwar zunächst undurchsichtig. Die Firma kann die Transparenz aber beliebig erhöhen, indem sie Teile der Beschichtung mit einem Laser abträgt. Das verringert zwar den Wirkungsgrad, erhöht aber die Einsatzmöglichkeiten im Gebäudebau.
Das erste Modell wird bereits seit 2023 in einem Smart-City-Projekt des Konzerns in der Stadt Fujisawa getestet und demonstriert. Bisher wurde allerdings nur die Glasfassade eines Balkons in eine Solaranlage verwandelt. Auch hier ist die Markteinführung noch Zukunftsmusik.
Hohe Hürden bremsen die Markteinführung
Die Experten von Toshiba peilen derweil eine Massenproduktion um das Jahr 2030 an. Trotz den vielversprechenden Entwicklungen sind noch einige Hürden zu überwinden, um den breiten Einsatz der Technologie zu ermöglichen. Die grösste ist die Haltbarkeit und Stabilität der Folien und der bedruckten Fenster. Gegenwärtig liege die Lebensdauer für kleinere Filmformate bei etwa 10 Jahren, während für eine breite Markteinführung 25 Jahre angestrebt würden, erklärt Takasu.
Auch die Kosten spielen eine wichtige Rolle. Herkömmliche Solarzellen sind günstig. «Die Preise für kristalline Silizium-Solarzellen sind derzeit sehr niedrig», sagt Takasu und verweist auf die starke Konkurrenz aus China. Noch sind Vergleiche aber nicht wirklich möglich. Denn Forscher können die Preise für Perowskit-Solarzellen nicht klar vorhersagen. Laut Schätzungen könnten sie am Ende sogar billiger als Silizium-Solarzellen sein, unter anderem weil sie weniger Energie in der Produktion erfordern und sich dank Drucktechniken einfacher in Massen herstellen lassen könnten.
Mit hohen Subventionen hat die chinesische Regierung die grösste Solarzellen-Produktion der Welt aufgebaut – und damit Hersteller in anderen Ländern vom Markt gedrängt, gerade auch in Japan. Dort gibt es allerdings noch Unternehmen, die Module vor allem für Einfamilienhäuser produzieren. In diesem Bereich sind Kunden eher bereit, für etwas mehr Leistung auch mehr Geld auszugeben.
Davon will auch Toshiba profitieren. Um konkurrenzfähig zu bleiben, setzt das Unternehmen aber nicht nur auf technologische Verbesserungen, sondern auch auf die Unterstützung durch nationale Förderprogramme, die jetzt aufgelegt werden. Für die Übergangszeit plant Toshiba vorerst einen pragmatischen Ansatz: Die Firma will die neuen Solarzellen dort installieren, wo sie leicht ausgetauscht werden können oder vor Witterungseinflüssen geschützt sind.
Mögliche Kunden und Wettbewerber könnten Toshiba jedoch zur Eile drängen. Fukuoka, eine der grössten Städte Japans, hat beispielsweise angekündigt, das überdachte Baseball-Stadion Fukuoka Dome bis 2030 mit einer 3000-Kilowatt-Anlage aus Perowskit-Solarzellen auszustatten. Damit würde das Stadion mit seinen 40 000 Sitzplätzen genug Strom für 600 japanische Einfamilienhäuser produzieren. Das Projekt klingt vielversprechend. Das Partnerunternehmen ist aber nicht Toshiba, sondern der lokale Rivale Sekisui Chemical.