Über den Aufstieg und den Abstieg der Finnenpartei
An der Wahlfeier der finnischen Rechtsnationalen gab es am Sonntag nichts zu feiern. Die Chefin der Finnenpartei, Riikka Purra, fasste das Ergebnis so zusammen: «Das lief schlecht. Richtig schlecht.»
Noch vor zwei Jahren war rechts in Finnland en vogue. Bei den Parlamentswahlen 2023 gab ein Fünftel der Wählerinnen und Wähler der Finnenpartei die Stimme, sie wurde zur zweitstärksten politischen Kraft des Landes. Mehr Unterstützung hatte nur die konservative Nationale Sammlungspartei erhalten. In Finnland schien es nur noch eine Richtung zu geben: rechts und weiter rechts.
Am letzten Sonntag hat der rechte Höhenflug ein abruptes Ende genommen. Bei den Regionalwahlen stürzte der Wähleranteil der Finnenpartei auf 7,6 Prozent. Die Rechtsnationalen landeten damit auf dem sechsten Platz – hinter den Grünen und der Linksallianz.
In nur zwei Jahren hat sich die Rechte in Finnland selbst demontiert. Das Beispiel zeigt: Wer die Rechten loswerden will, sollte sie nicht abschotten. Im Gegenteil.
Der Preis der Macht
Für den Absturz der Finnenpartei brauchte es keine Brandmauer, sondern eine Beteiligung an der Macht.
Als Petteri Orpo, der Parteichef der Konservativen, die Finnenpartei 2023 zu den Koalitionsverhandlungen einlud, war das kein Tabubruch. Nach einer Brandmauer, wie sie in Deutschland existiert, rief in Finnland zu Beginn der Regierungsbildung kaum jemand. Das liegt einerseits daran, dass sich die Finnenpartei nur bedingt mit der AfD vergleichen lässt. Als Nachfolgerin einer Bauernpartei hat sie eher Gemeinsamkeiten mit der SVP.
Andererseits ist das Vertrauen in staatliche Institutionen in Finnland im Vergleich zu anderen westlichen Ländern sehr hoch. Die Demokratie würde eine Rechtsaussenpartei in der Regierung vier Jahre aushalten, zumal das Stimmvolk ihr mit zwanzig Prozent ein starkes Mandat erteilt habe, werden sich viele gedacht haben.
Die Finnenpartei hatte die Regierungspolitik jahrelang aus der Opposition kritisiert und die Wahl mit grossen Versprechen gewonnen. Die Corona-Pandemie und Russlands Angriff auf die Ukraine hatten ihr dabei in die Karten gespielt. Das Volk war unzufrieden, und die Rechten versprachen eine Lösung: sinkende Staatsschulden, günstiges Benzin, das Ende vom Pflichtfach Schwedisch und weniger Migranten.
Doch bereits in den Koalitionsverhandlungen erlebten die Populisten die Tücken der Realpolitik. Die Konservativen wollten Arbeitskräfte aus dem Ausland anheuern. Die Schwedische Volkspartei wollte die Stellung der zweiten Landessprache stärken, die Tradition der humanitären Migration wahren und das Klima schützen. Alles Dinge, die mit dem Programm der Finnenpartei nicht vereinbar waren.
Der Preis der Macht waren Kompromisse. Aber wie sollten die Rechtsnationalen das ihren Wählerinnen und Wählern erklären?
Die Skandale
Kaum waren die Regierungsverhandlungen abgeschlossen, stellte sich die Finnenpartei selbst das Bein. Mehrfach.
Zunächst musste der Wirtschaftsminister Vilhelm Junnila nach nur zehn Tagen im Amt zurücktreten. Im Verlaufe der Jahre hatte er auf Social Media allerhand Nazi-Witze gepostet – unter anderem ein Bild eines Ku-Klux-Klan-Schneemannes. Als Parlamentarier hatte ihm das die Sympathien einer gewissen Klientel eingebracht. Als Staatsmann machten ihn die Posts untragbar.
Nur wenige Tage später machten finnische Medien publik, dass die Parteichefin und Finanzministerin Riikka Purra 15 Jahre zuvor rassistische Kommentare im Blog ihres Parteikollegen Jussi Halla-aho veröffentlicht hatte. Purra kam mit einer Entschuldigung davon – wohl auch, weil ein Zerwürfnis mit der Parteichefin das Ende der Koalition bedeutet hätte. Doch der Schaden war bereits angerichtet.
In Helsinki gingen Tausende auf die Strasse und forderten den Rausschmiss der Finnenpartei aus der Regierung. Unternehmer warnten vor negativen Folgen auf die Wirtschaft. Finnland, das unter Sanna Marin noch als weltoffener Wohlfahrtsstaat gegolten hatte, war in den internationalen Schlagzeilen plötzlich ein Nest von Rassisten.
Die Finnenpartei, die sich staatstragend geben wollte, hatte sich in wenigen Wochen selbst entlarvt.
Die Abrechnung
Man kann den Rechtsnationalen nicht vorwerfen, dass sie in den letzten zwei Jahren nichts erreicht hätten. Und genau das war am Ende wohl das grösste Problem.
Das Sparprogramm der Regierung trifft alle Gesellschaftsschichten – auch die rechte Wählerschaft. Die Quittung dafür bekam jedoch nur die Finnenpartei. Die Unterstützung für die anderen Regierungsparteien blieb bei den Kommunalwahlen mehr oder weniger unverändert. Die Parteichefin Purra erklärt das damit, dass sich die Wählerschaft der Finnenpartei bei regionalen Wahlen weniger gut mobilisieren lasse als bei einem nationalen Urnengang. Das ist nur die halbe Wahrheit.
Die Finnenpartei trat bei den nationalen Wahlen bisher immer nur als Oppositionspartei an. In der Opposition konnte sie ungehindert wachsen und gedeihen. Als sie 2015 das erste Mal an die Macht kam, ist sie implodiert. Der pragmatische Flügel trennte sich vom fundamentalistischen. Die Pragmatiker blieben in der Regierung und verabschiedeten sich danach aus der Politik. Die Fundamentalisten gaben bei den nächsten Wahlen ein fulminantes Comeback.
Heute sind sie an der Macht. Auch ihre Versenkung naht.