Eine Vertraute des designierten Spitzenkandidaten Robert Habeck und ein Architekt einer schwarz-grünen Landesregierung sollen ihre Partei bei der Bundestagswahl zurück zum Erfolg führen.
Die Grünen haben am Samstag an ihrem Parteitag im hessischen Wiesbaden Franziska Brantner und Felix Banaszak zu ihren neuen Vorsitzenden gewählt. Der Bundestagsabgeordnete Banaszak und die parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Brantner treten die Nachfolge von Ricarda Lang und Omid Nouripour an, die nach mehreren schwachen Landtagswahlergebnissen der Partei im Herbst ihren Rückzug angekündigt hatten.
Die 45-jährige Brantner wurde von 78 Prozent der Delegierten gewählt. Gemessen an früheren Wahlergebnissen der Partei war das allenfalls solide, zumal die neue Chefin nur eine unbekannte und chancenlose Gegenkandidatin hatte. Aber es war etwas besser als das Ergebnis, mit dem ihre Vorgängerin Lang 2022 gewählt worden war. «Ich freue mich so sehr auf diesen Wahlkampf mit euch!», rief Brantner nach der Wahl in den Saal. «Wir rocken das!»
Ihr Co-Vorsitzender Banaszak setzte sich gegen mehrere, allerdings ebenfalls unbekannte und chancenlose Gegenkandidaten durch und erhielt 93 Prozent der Stimmen. Damit war er nicht nur deutlich stärker als Brantner, sondern auch als sein Vorgänger Nouripour, der seinerzeit mit 83 Prozent ins Amt gewählt wurde. «Ja, natürlich haben wir was zu verlieren», sagte Banaszak in seiner Rede. «Aber wir haben so viel mehr noch zu gewinnen!»
Die Grünen haben traditionell eine Doppelspitze, die zwei Voraussetzungen erfüllen muss: Mindestens eine Frau muss dabei sein, und beide Lager der Partei sollen sich repräsentiert fühlen. In der neuen Führung vertritt Brantner – gemessen an den Positionen der Grünen – das «Realo»-Lager. Der zehn Jahre jüngere Banaszak gilt als Linker. Beide haben sich seit langem in der Partei und im parteinahen Umfeld nach oben gearbeitet.
Zu nah dran an Habeck?
Die promovierte Politologin Brantner sitzt seit 2013 im Deutschen Bundestag. Zuvor war sie Abgeordnete im Europaparlament. 2021 errang sie in Heidelberg mit einem Erststimmen-Ergebnis von 30,2 Prozent eines von 15 nationalen Direktmandaten der Partei. Aus einer früheren Beziehung mit dem Tübinger Oberbürgermeister und ehemaligen Grünen-Politiker Boris Palmer hat sie eine Tochter.
Brantner ist eine enge Vertraute des Bundeswirtschaftsministers und designierten grünen Spitzenkandidaten Robert Habeck. Wenn es im linken Flügel der Partei Kritik an ihr gebe, bestehe diese vor allem in dem Eindruck, sie sei «zu nah dran an Robert», hiess es kürzlich in einem Porträt der «Süddeutschen Zeitung».
Gegen einen solchen Verdacht muss sich Banaszak nicht zur Wehr setzen. Der frühere Sprecher der Grünen Jugend hat Sozial- und Kulturanthropologie sowie Politikwissenschaft studiert und sitzt seit 2021 im Bundestag. Er kann poltern, vor allem gegen Menschen, die in seinem Koordinatensystem politisch rechts stehen, also viele.
Der Union warf Banaszak für deren Darstellung der Grünen als Verbotspartei «Bullshit-Debatten» vor. Wer ihn und seine Parteifreunde verteufele, «während Faschisten und Putin-Fans auf dem Vormarsch sind, sollte Politik anderen überlassen». Das ging an die Adresse des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder.
«Ich weiss, was Arbeit ist»
Dennoch ist der neue Co-Chef der Grünen kein Gegner schwarz-grüner Bündnisse. Unter seiner Führung als Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen erzielten die Grünen mit 18,2 Prozent 2022 ihr mit Abstand bestes Ergebnis in dem Bundesland. Im Anschluss war Banaszak federführend an den – erfolgreichen – Verhandlungen des Koalitionsvertrages mit der dortigen CDU beteiligt. Er ist Vater einer Tochter, die er in seinen Reden gerne erwähnt.
Ausserhalb seiner Partei wird dem neuen Co-Chef der Grünen immer wieder mal vorgehalten, er sei einer jener jüngeren Berufspolitiker, die keinerlei Lebenserfahrung ausserhalb der Politik besässen. Wohl auch deshalb betont Banaszak bei jeder Gelegenheit seine Herkunft aus dem Ruhrgebiet und verweist auf die Arbeit seines Grossvaters in einer Duisburger Kokerei.
Die Kokerei des Grossvaters gebe es zwar schon lange nicht mehr, sagte Banaszak auch am Samstag in Wiesbaden. Aber es gebe in Duisburg noch Stahlarbeiter, die für ihre Arbeitsplätze kämpften. Und diese trügen, was ihn besonders stolz mache, inzwischen über ihren roten Gewerkschafts-T-Shirts grüne Westen, weil sie für eine grüne Zukunft demonstrierten.
Der Parteitag der Grünen endet an diesem Sonntag. Dann soll Robert Habeck als «Kandidat für die Menschen in Deutschland» gekürt werden, wie es im Antrag des Parteivorstands heisst. Er habe «das Zeug zu einem guten Bundeskanzler».
Habecks Chancen sind allerdings gering. Die Grünen sind in den Umfragen derzeit mit 11 bis 12 Prozent die viertstärkste Partei im Land, hinter CDU/CSU, AfD und SPD. Die oppositionelle Union mit dem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz ist etwa drei mal so stark.