Erste Station ist Frankreich: Emmanuel Macron und der chinesische Staatschef werden nach aussen Einigkeit demonstrieren und für schöne Bilder sorgen. Doch unter der Oberfläche brodelt es.
Wenn Xi Jinping am Montag das offizielle Programm seiner Frankreich-Visite beginnt, dürfte von Dissonanzen zwischen China und Europa zunächst nichts zu spüren sein. Bei ihrem Treffen werden der chinesische Staats- und Parteichef und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit grosser Wahrscheinlichkeit Einigkeit und Harmonie demonstrieren.
Am Montagabend richtet Macron für Xi ein Staatsbankett im Élysée-Palast aus. Die beiden Staatschefs wollen den 60. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Paris und Peking zelebrieren. Am Dienstag machen sich Xi und Macron samt Ehefrauen in ein Dorf in den Pyrenäen auf, wo Macron als Kind häufig Zeit bei seiner Grossmutter verbrachte. Schöne Bilder sind garantiert.
Doch die zu erwartende demonstrativ zur Schau gestellte Harmonie kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es unter der Oberfläche brodelt. Macron gilt als treibende Kraft hinter der laufenden Untersuchung der EU-Kommission zu Elektroautos aus China und der Drohung mit Strafzöllen. Die Hersteller, so der Vorwurf aus Brüssel, kämen in den Genuss massiver Subventionen. Dass Macron vor wenigen Tagen einen Vertreter der tibetischen Exilregierung traf, dürfte Xi ebenfalls nicht erfreuen.
Die EU schiesst sich auf China ein
Das ist noch nicht alles. Inzwischen hat Brüssel Anti-Dumping-Prüfungen zu weiteren Warengruppen wie Medizintechnik und Solarmodulen angekündigt. Derweil werden die Rufe nach einem besseren Zugang zum chinesischen Markt für europäische Firmen immer lauter. Frankreich als eines der wichtigsten EU-Mitglieder unterstützt den Kurs.
Es hat den Anschein, als schösse sich die Europäische Union zunehmend auf Peking ein. Bereits im Jahr 2019 hatte Brüssel die Volksrepublik China mit dem Etikett eines «systemischen Rivalen» versehen. Die EU-Kommission sei willens, «ein Niveau an Spannungen mit China zu akzeptieren, das noch vor wenigen Jahren undenkbar war», schreibt Noah Barkin, China-Experte beim German Marshall Fund, in einer Analyse.
Auch an anderer Stelle zeigen die Europäer Mut und ziehen immer offensiver gegen China zu Felde. So nahmen die deutschen Strafverfolgungsbehörden vor knapp zwei Wochen mehrere Personen fest, die im Verdacht stehen, für China spioniert zu haben. Fast zeitgleich durchsuchten europäische Behörden die Büros einer chinesischen Firma, die Sicherheitsausrüstung herstellt. Das Unternehmen wird verdächtigt, unrechtmässige Subventionen zu beziehen.
Kritik hinter verschlossenen Türen
Macron dürfte Kritik gegenüber Xi allenfalls hinter verschlossenen Türen äussern. Deutlicher könnte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden. Sie wird Xi am Montag gemeinsam mit Macron zu einem Gespräch treffen. Erst danach setzen sich die beiden Staatspräsidenten zu einem bilateralen Austausch zusammen. Von der Leyen hatte bereits im vergangenen Jahr gegenüber Xi deutliche Worte zu Chinas Wirtschaftspraktiken gefunden.
Im April 2023 hatte die EU-Kommissions-Präsidentin Macron zu seinem Staatsbesuch nach China begleitet. Mit einem Abstecher in die Provinz Guangdong im Süden des Landes, wo Xis Vater einst Gouverneur gewesen war, gab Xi der Begegnung mit seinem französischen Gast eine private Note. Diese Geste beantwortet der französische Präsident jetzt mit dem Ausflug in das Pyrenäen-Dorf.
In Brüssel setzt sich zunehmend die Einsicht durch, dass Europa gegenüber China an einem recht langen Hebel sitzt und dieser genutzt werden sollte. Weil die amerikanische Regierung chinesische Firmen zunehmend von Technologie-Lieferungen abschneidet und amerikanische Investitionen im Reich der Mitte erschwert, blickt China nämlich hoffnungsvoll nach Europa.
Chinas Wirtschaft auf schwerer See
Chinas Wirtschaft befindet sich auf schwerer See. Deshalb ist das Land mehr denn je auf Investitionen europäischer Firmen und offene Märkte angewiesen. Dies können die Europäer für die Durchsetzung ihrer Interessen nutzen. Macron dürfte sich hinter verschlossenen Türen entsprechend äussern. Zudem wird er mit grosser Wahrscheinlichkeit kritisieren, dass Peking Russland im Krieg gegen die Ukraine unterstützt.
Xis erster Europa-Besuch seit 2019 wird ihn nach Frankreich zunächst nach Serbien und dann nach Ungarn führen. Diese Besuche dürften für Xi deutlich weniger heikel werden, stehen beide Länder doch sowohl enger an der Seite Chinas als auch Russlands. Ausserdem teilen Serbien und Ungarn Pekings Misstrauen gegenüber einer von den USA geprägten Weltordnung.
Chinas Staatschef dürfte Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban und den serbischen Regierungschef Aleksandar Vucic von den Vorzügen engerer wirtschaftlicher Beziehungen zu China zu überzeugen versuchen.
China investiert in Ungarn
Chinesische Firmen investieren inzwischen in grossem Stil in Ungarn. So baut der chinesische E-Autohersteller BYD eine Fabrik; ausserdem wird erwartet, dass Xi und Orban den Bau eines Werks des Automobilkonzerns Great Wall Motor verkünden werden. Das chinesische Unternehmen CATL, ein Hersteller von Batterien für Elektroautos, zieht bereits gemeinsam mit Mercedes-Benz eine Fertigung in Ungarn hoch.
In Belgrad wird Xi just an dem Tag eintreffen, da sich die Bombardierung der dortigen chinesischen Botschaft durch amerikanische Kampfflugzeuge zum 25. Mal jährt. Der Vorfall führte zu massiven Protesten gegen die USA und beförderte das chinesische Misstrauen gegenüber der Nato.