Allison Bailey / Imago
Die Proteste gegen die Eingriffe der amerikanischen Regierung in Forschung, Verwaltung, Justiz und Wirtschaft wachsen. Aber die breiten Massen erreicht der Widerstand nicht, wie eine Datenanalyse zeigt.
Woche für Woche schraubt Donald Trumps Regierung an einer neuen Version von Amerika und der Welt. Jüngst traktierte der amerikanische Präsident zahlreiche Länder mit hohen Strafzöllen. Im Gegensatz zu Europa, wo in Serbien und der Türkei Hunderttausende gegen ihre Regierungen demonstrieren, wirkte die amerikanische Opposition in den ersten Monaten der Trump-Regierung wie gelähmt. Die Demokraten in Washington duckten sich weg, auf den Strassen blieb es mehrheitlich still – bis vor kurzem.
Am 5. April protestierten laut Medienberichten Hunderttausende gegen die Trump-Regierung. Sie folgten unter anderem dem Aufruf der linken Parlamentarier Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez, die zuvor mit ihrer «Fighting Oligarchy Tour» Massen angezogen hatten. Nun waren breitere Proteste geplant – an 1400 Schauplätzen. Diese wurden von einer Koalition von linken Gruppen unter dem Titel «Hands Off Democracy», Hände weg von der Demokratie, organisiert. Allein bei den Mitorganisatoren «Indivisible» meldeten sich im Vorfeld rund 600 000 Menschen an. Das sind mehr, als in den USA gegen den Gaza-Krieg demonstriert hatten.
Die Zahlen sind nicht unabhängig verifizierbar, doch gemäss dem Forschungsinstitut Acled, das weltweit Proteste dokumentiert, wuchsen bereits vor dem 5. April die Demonstrationen gegen Trump deutlich an.
Demonstriert wird in den Hochburgen der Demokraten
Dabei begannen die Proteste nach Trumps Regierungsübernahme am 20. Januar zunächst verhalten – vor allem im Vergleich zu dessen erster Amtszeit, als am Tag der Inauguration eine halbe Million Menschen nach Washington strömten. Seit Februar ist der Widerstand stetig angewachsen.
Die Demonstranten mobilisierten gegen die Trump-Dekrete zur Massendeportation von Migranten, für Trans-Rechte und vor allem gegen die Kürzungen und Entlassungen durch das Spargremium «Department of Government Efficiency» von Elon Musk. Der Tesla-Gründer zog fast ebenso viel Wut auf sich wie der Präsident selbst. Kaum ein Tag vergeht ohne neuen Anlass zur Empörung. Doch darin lag ein Dilemma.
Der Widerstand ist ein Flickenteppich
Nicht die Demokratische Partei führt die Proteste auf der Strasse hauptsächlich an. Vor den «Hands Off»-Demonstrationen vom vergangenen Samstag hielten Dutzende Akteure des linken Spektrums im ganzen Land Demonstrationen ab.
Am stärksten mobilisierten bisher die Gewerkschaften. Von allen Massnahmen der Trump-Regierung sorgte dort insbesondere die angekündigte Privatisierung der Post für Aufruhr.
Grösseres Protestpotenzial entfalten auch Graswurzelbewegungen, die über die sozialen Netzwerke oder Plattformen wie Reddit zu Kundgebungen aufrufen. Die Anliegen der Gruppen sind jedoch vielfältig, der Zusammenhalt lose. So kämpft beispielsweise «Abolish ICE» für die Abschaffung der Einwanderungsbehörde ICE. «50 Proteste, 50 Staaten, 1 Tag» (50501) und «Indivisible» stellen sich derweil gegen alles, was sie als fundamentale Angriffe auf die Demokratie durch die Regierung betrachten.
Die Demonstrationen zeigten aber auch: Vor allem Bevölkerungsgruppen, die unmittelbar von Trumps Dekreten betroffen sind, trugen den Protest auf die Strasse. Vor dem 5. April waren das vorwiegend Latinos und Unterstützer der LGBTQ+-Anliegen, während andere Minderheiten sich noch zurückhielten.
Ausgerechnet Veteranen trifft Trumps Politik, die fast zu 60 Prozent Donald Trump gewählt haben. Jetzt spart die Regierung bei ihrem Gesundheitssystem, was einen Aufschrei und zahlreiche lokale Proteste auslöste. Veteranenorganisationen mobilisierten sogar mehr als Beamte, Lehrkräfte und Professoren, denen weitere Massenentlassungen drohen.
Aufflackern oder Flächenbrand?
Gerade weil es bisher an einer gemeinsamen Linie und an einem gemeinsamen Timing mangelte, war die Mobilisierung am vergangenen Samstag bemerkenswert: Erstmals vereinte sich die bunte Anti-Trump-Szene in dieser Grösse unter einer klaren Botschaft – «Hände weg von der Demokratie».
Das Weisse Haus reagierte gelassen – und noch ist offen, wie es mit der «Hands Off»-Bewegung weitergeht. Trump hingegen sorgt weiter für Unruhe: Mit seinen Zoll-Volten torpediert er die Märkte weltweit. Die wirkungsvollste Gegenwehr kam dabei nicht von der Strasse, sondern von der Börse – und von Investoren, unter ihnen etliche Trump-Geldgeber, die sich von ihm abwandten.