Der Gemeinderat ergreift das Referendum gegen ein Ansinnen des Kantons.
Für gewöhnlich ist der Zürcher Gemeinderat ein Gremium, das sein Geld mit einigem Vergnügen ausgibt. Geht es etwa um Bauprojekte, finden auch Budgetposten in zwei- und sogar in dreistelliger Millionenhöhe eine solide Mehrheit. Das Sportzentrum in Oerlikon für 373 Millionen Franken ist bloss eines der Beispiele, die sinnbildlich für diese Tendenz stehen.
Schon aus diesem Grund stellte die Sitzung an diesem Mittwoch eine Ausnahme dar. Denn statt um Ausgaben ging es um die Einnahmen. Und anders als sonst zeigten sich vor allem linke und grüne Parlamentarier klamm. Sie beharrten strikte auf den bisherigen Einnahmen aus den Gewinnsteuern für Unternehmen und beschlossen das Gemeindereferendum gegen die Senkung des Steuerfusses, die der Kanton kürzlich verabschiedet hat.
Bevor die Grundsatzdebatte an die Reihe kam, wurde allerdings der SVP-Parlamentarier Martin Götzl verabschiedet. Er war seit 2014 Mitglied des Gemeinderats und zieht sich nun aus persönlichen Gründen von seinem Amt zurück. In den zehn Jahren seiner politischen Arbeit hat er 138 Vorstösse eingereicht, wie der Ratspräsident Guy Krayenbühl in seiner Laudatio vorrechnete.
Götzls Verabschiedung wurde mit einem Applaus besiegelt. Es sollte der letzte Moment bleiben, da die Ratsmitglieder einer Meinung waren.
Zürich sei schon attraktiv genug
Der Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne) argumentierte für das Referendum. Der Gewinnsteuersatz für Unternehmen sei bereits zum 1. Januar 2021 gesenkt worden – von 8 Prozent auf 7 Prozent. Dies habe für die Stadt zu Einbussen von rund 100 Millionen Franken pro Jahr geführt. Eine weitere Senkung der Steuer von 7 auf 6 Prozent würde der Stadt nun zusätzliche Einbussen von 110 Millionen bringen.
Leupi sieht die Steuersenkung im Zusammenhang mit der geplanten Revision der kantonalen Grundstücksteuer und dem bürgerlichen Angriff auf den Zentrumslastenausgleich. Diese beiden Faktoren würden, zusammengenommen, weitere 200 Millionen Franken kosten.
Allfällige neue Steuereinnahmen durch Firmen, die aufgrund der günstigeren Steuerpolitik nach Zürich ziehen würden, bewertete der Stadtrat dagegen als «ungewiss». Er machte geltend, dass der Steuerfuss bloss einer von vielen Faktoren in der Standortförderung sei. Zentraler für Unternehmen ist aus Leupis Sicht die hervorragende Infrastruktur der Stadt Zürich – und diese koste eben Steuergeld, so sagte er.
Beipflichtend äusserte sich Leupis Parteikollege Felix Moser. Für ihn ist klar, dass die Stadt Zürich bereits heute einen attraktiven Standort darstellt. Die Tatsache, dass das Technologieunternehmen Open AI am Mittwoch angekündigt hat, nach Zürich zu kommen, wertete er als Erfolg für die Stadt.
«Die ideologische Platte leiert»
Die Bürgerlichen und die GLP hielten dagegen. Sven Sobernheim (GLP) führte aus, dass die Steuersenkung der Stadt vielleicht nichts bringe, ihr höchstwahrscheinlich aber auch nicht schade. Das gehe aus den Jahresabschlüssen der letzten Jahre hervor. Mehrere Male habe man dabei Mindereinnahmen budgetiert und am Ende dennoch mit Mehreinnahmen dagestanden.
Tatsächlich hat sich Leupis Finanzdepartement zuletzt drei Mal in Folge verrechnet. Am eklatantesten war die Diskrepanz zwischen Budget und Schlussrechnung 2023: Für jenes Jahr war man von einem steuerlichen Defizit von 216 Millionen ausgegangen. Resultiert hat am Ende aber ein Plus von 231,3 Millionen Franken. Macht einen Unterschied von immerhin 447,3 Millionen.
Sven Sobernheim zog aus diesen Rechenfehlern eine deutliche Bilanz: «Die Stadt Zürich schwimmt im Geld!» Zu behaupten, dass Zürich sich die Steuersenkung nicht leisten könnte, ist seiner Meinung nach «schwarz auf weiss falsch». Das Referendum lehnte er deshalb ab.
Michael Schmid (FDP) versuchte aufzuzeigen, dass ein Referendum auch gar nicht nötig sei. Es handle sich dabei um eine reine Polit-Show: «Die Linken legen eine alte ideologische Platte ein weiteres Mal auf.» Doch die Platte leiere, so Schmid. Denn im Kantonsrat sei bereits ein Referendum zustande gekommen. Damit komme das Geschäft ohnehin vors Volk.
Doch auch mit diesem Votum vermochte Schmid die Mehrheiten nicht zu verschieben. Der Rat nahm das Gemeindereferendum gegen die Senkung der Gewinnsteuer für Unternehmen mit 69 zu 49 Stimmen an.