Die Ermordung von zwei engen Mitarbeitern der Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt erschüttert das Bild der Hauptstadt. Solche Anschläge waren dort bisher nicht üblich.
Zwei enge Mitarbeiter der Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt, Clara Brugada, sind am Dienstag auf einer Hauptverkehrsstrasse im Zentrum der Hauptstadt erschossen worden. Die Täter konnten fliehen. Spekulationen der Medien, dass das Drogenkartell Jalisco Nueva Generación (JNG) hinter dem Attentat steht, bestätigten die Ermittler nicht. Allerdings waren jüngst mehrere JNG-Mitglieder, aber auch Kriminelle der mächtigen Hauptstadt-Bande La Unión Tepito von den lokalen Sicherheitskräften verhaftet worden. War das nun die Rache dafür?
Die Nachricht über das Attentat erreichte Präsidentin Claudia Sheinbaum und ihren Sicherheitsminister Omar García Harfuch ausgerechnet an einer Pressekonferenz, in der sie die Erfolge ihres Kampfes gegen das organisierte Verbrechen vorstellen wollten. Wie die Bürgermeisterin gehören beide der linken Morena-Partei an. Sheinbaum hatte als Brugadas Vorgängerin gemeinsam mit dem damaligen Sicherheitssekretär Harfuch zwischen 2019 und 2023 dem Verbrechen in der Hauptstadt den Kampf angesagt.
Harfuch hatte Gewalt in Mexikos Hauptstadt vermindert
Dank moderner Technologie sowie kompetenten Polizeikräften und einer handlungsstarken Staatsanwaltschaft war es ihnen gelungen, die Gewalt tatsächlich deutlich zu senken. Seitdem gilt Mexiko-Stadt als Oase der Sicherheit und Sheinbaums Konzept als Vorlage für die landesweite Gewaltbekämpfung. Dem Sicherheitsminister Harfuch ist nun zum Kampf gegen die Drogenbanden auch das Militär unterstellt. Mit dem jüngsten Attentat fordert das organisierte Verbrechen den Staat nun allerdings offen heraus.
«Wir werden der Sache auf den Grund gehen, und es wird Gerechtigkeit geben», versprach die sichtlich schockierte Sheinbaum gegenüber der Presse. Die Tat erinnert an einen Anschlag auf Harfuch im Jahr 2020, der vom JNG-Kartell verübt worden sein soll. Harfuch hat laut Experten damals verhindert, dass sich das Kartell in der Hauptstadt ausbreiten konnte, während er dessen Rivalen, das Sinaloa-Kartell, habe gewähren lassen – ein Vorwurf, der stets auch Präsident Andrés Manuel López Obrador gemacht wurde, Sheinbaums Vorgänger und politischem Ziehvater.
So hatten Medien in den USA und Mexiko in den vergangenen Jahren über angebliche Beziehungen von López Obrador zum Sinaloa-Kartell berichtet. In den USA liefen Ermittlungen über Wahlkampfspenden des Kartells an López Obrador und dessen Morena-Partei. Allerdings wurde nie etwas Belastendes vorgelegt. Der amerikanische Präsident Donald Trump beschuldigte Mexikos Regierung trotzdem im Frühjahr, die schützende Hand über Drogenbanden zu halten. Auch militärische Aktionen gegen diese in Mexiko schloss Trump nicht aus.
Erneut Todes-Camp entdeckt
Sheinbaum hat bereits im Handelsstreit mit Trump und im Kampf gegen illegale Einwanderung und Drogenschmuggel über die amerikanische Grenze alle Hände voll zu tun. Sie forderte jüngst eine gemeinsame Sicherheitspolitik mit den USA und verkündete die Festnahme Tausender von Kriminellen und die Beschlagnahmung von grossen Mengen von Drogen. Doch ihre Bemühungen um ein positives Image ihrer Regierung im Kampf gegen die Kriminalität erhielten in letzter Zeit Rückschläge.
So wurde jüngst die Existenz eines Todes-Camps im Gliedstaat Colima, einem Hotspot der Drogengewalt, bekannt. Dort sollen von Banden zwangsrekrutierte Jugendliche hingerichtet worden sein. Ein Massengrab mit den sterblichen Überresten von mindestens 42 Personen wurde gefunden. Bereits seit rund eineinhalb Jahren sollen Forensiker dort gearbeitet haben, ohne dass man die Organisation der Angehörigen von vermissten Personen darüber informierte.
Bereits im März hatte die Existenz eines ähnlichen Todes-Camps im Gliedstaat Jalisco für Entsetzen gesorgt. Auf dem als Pferderanch getarnten Grundstück sollen ebenfalls zwangsrekrutierte Jugendliche umgebracht worden sein. Neben Kleidungsstücken wurden dort auch Öfen gefunden, die offenbar zum Verbrennen von Leichen genutzt wurden.
Beide Camps sollen vom JNG-Kartell betrieben worden sein. Experten, Medien und Angehörige von Verschwundenen werfen den Behörden in beiden Fällen schlampige Ermittlungen vor. Sheinbaums Regierung und die lokalen Behörden beschuldigten sich gegenseitig, die Ermittlungen zu behindern.
Widerstand des Militärs
Nachdem der damalige Präsident Felipe Calderón im Jahr 2006 den sogenannten Krieg gegen die Drogen ausgerufen hatte, war die Gewalt in Mexiko regelrecht explodiert. Neben Morden nahm auch die Zahl der Verschwundenen zu. Mittlerweile sollen es 120 000 sein. Angehörige beklagen sich seit Jahren, dass Politik und Behörden kein Interesse an der Aufklärung zeigen. Diese rechtfertigen die schleppenden Ermittlungen mit unzureichenden Kapazitäten.
Für Präsidentin Sheinbaum steht viel auf dem Spiel. Denn innerhalb ihrer Partei ist ihr Sicherheitskonzept umstritten. So löste der Ex-Präsident López Obrador einst die laut ihm inkompetente und korrupte Bundespolizei auf und übertrug die Verbrechensbekämpfung dem Militär. Sheinbaums Sicherheitskonzept setzt jedoch auf die Stärkung der Polizeiarbeit. Die für den Umbau des Sicherheitsapparates nötigen Gesetze liegen jedoch im Kongress auf Eis, obwohl Morena dort eine klare Mehrheit hat. Der Grund soll der Widerstand des Militärs gegen Sheinbaums Sicherheitskonzept sein.