Prinz William wünscht sich ein Ende des Krieges in Gaza und löst dadurch eine Kontroverse aus. Wo endet die aufrichtige Anteilnahme an einem bewegenden Thema, wo beginnt die unzulässige aussenpolitische Einmischung?
Er hat gesagt, was viele denken – aber darf er das? Prinz William hat diese Woche eine heftige Kontroverse in Grossbritannien ausgelöst. «Zu viele sind getötet worden. Ich möchte, wie so viele andere, so bald wie möglich ein Ende der Kämpfe sehen.» Mit diesen Worten zeigte sich der britische Thronfolger, wie er am Dienstag erklärte, «zutiefst besorgt über die schrecklichen menschlichen Kosten des Konflikts im Nahen Osten seit dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober.»
Die Worte waren, daran bestand kein Zweifel, mit Bedacht gewählt und zuvor mit der Regierung abgestimmt worden, wie diese bestätigte. Sie waren kein ungeschickter Ausrutscher, wie dies Williams Vater Charles während dessen langer Wartezeit als Kronprinz nach verschiedenen Vorfällen von kontroversen Sprüchen immer wieder vorgeworfen worden war. Warum also ausgerechnet jetzt ein öffentliches Statement des Prinzen zu einem der kompliziertesten, umstrittensten und emotionalsten internationalen Konflikte überhaupt?
Ein polarisierendes Thema auch in Grossbritannien
Wie emotional auch in Grossbritannien über den Krieg in Gaza gestritten wird, zeigte bloss einen Tag danach ein Eklat im Parlament. Die gesamte Fraktion der Konservativen marschierte am Mittwochabend unter Protest aus dem Unterhaus, nachdem der Speaker eine von Labour geforderte Abstimmung über einen Waffenstillstand Israels und der Hamas entgegen den parlamentarischen Gepflogenheiten zugelassen hatte. Viele Abgeordnete fordern nun den Kopf des Speakers Lindsay Hoyle. Der Streit war zwar primär aus parteipolitischen Motiven provoziert worden, dass er so weit eskalieren konnte, ist aber nur vor dem Hintergrund des polarisierenden Nahostkonflikts zu verstehen.
William äusserte sich also zu einer hoch umstrittenen Frage der Aussenpolitik. Solches hatte man von seiner Grossmutter, der allseits verehrten Königin Elisabeth II., während ihrer 70-jährigen Regentschaft nie auch nur andeutungsweise gehört. Es entspricht bis heute dem Verständnis der britischen Monarchie, dass sich das Königshaus gefälligst aus den tagespolitischen Debatten heraushält.
Was ist nur in den Prinzen gefahren, den so mustergültig kontrollierten und pflichtbewussten 41-jährigen Hoffnungsträger der britischen Monarchie? Manche erinnern daran, dass Kronprinzen generell eine grössere Freiheit genössen als Regenten. Während für König Charles ein solches Statement unmöglich wäre, übernehme William mutig die Aufgabe, sich zu einem Thema zu äussern, das die Bürger bewege, erklärte etwa die Chefredaktorin des Magazins «Majestät».
Die Zwänge der Informationsgesellschaft
Andere weisen darauf hin, im Zeitalter von sozialen Netzwerken und pausenlosen Nachrichtenflüssen würde ein stummer Prinz bei einem so wichtigen Thema nur sonderbar wirken. Zumal unter den jüngeren Briten, von denen viele ihre Sympathien für die in Gaza leidenden Palästinenser ausdrücken. Wieder andere wollen gar eine langfristige aussenpolitische Strategie des Prinzen erkennen, der bereits 2018 als erstes Mitglied der britischen Königsfamilie dem Westjordanland einen offiziellen Besuch abstattete.
Ist der britische Thronfolger also gezwungen, sich dem Zeitgeist anzupassen und woke Mehrheitspositionen zu demonstrieren, um den Anschluss an die junge Bevölkerung zu wahren? Eine solche Interpretation führt auf einen Irrweg. Ein woker Prinz Harry ist Belastung genug für das Königshaus, auch wenn er sich als «nicht arbeitender Royal» selbst auf ein Nebengeleise manövriert hat. Ein zweiter in direkter Thronfolge wäre riskant. Denn so, wie der Zeitgeist sich wenden kann, kann die Glaubwürdigkeit des ihm folgenden Prinzen zerfallen. Und damit seine Akzeptanz als künftiger König.