Der Politiker steht im Verdacht, Geldzahlungen der russischen Propagandaplattform «Voice of Europe» angenommen zu haben. Jetzt wollen die EU-Staaten diese in die Sanktionsliste aufnehmen.
Es ist eine schwierige Woche für die AfD. Am Montag unterlag die Partei vor Gericht dem deutschen Verfassungsschutz. In zweiter Instanz wurde bestätigt, dass sie vom Inlandgeheimdienst als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet werden darf. Tags darauf wurde der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke für die Verwendung einer SA-Parole zu einer Geldstrafe verurteilt.
Ebenfalls am Dienstag wurden neue Vorwürfe gegen den Spitzenkandidaten der Partei für die Europawahl im Juni bekannt. Gemäss diesen verschaffte der AfD-Politiker Maximilian Krah einem Mann Zugang zum Europäischen Parlament, dem Spionage für Russland vorgeworfen wird. Krah machte dafür einen früheren Mitarbeiter verantwortlich.
An diesem Donnerstag folgten weitere schlechte Nachrichten für die Partei: Die Generalstaatsanwaltschaft München hat Ermittlungen gegen den Zweitplatzierten auf der Wahlliste der AfD für die Europawahl aufgenommen. Der Bundestagsabgeordnete Petr Bystron steht bereits seit einiger Zeit im Verdacht, Geldzahlungen aus Russland angenommen zu haben und Verbindungen zu prorussischen Netzwerken zu pflegen.
Es geht um den Anfangsverdacht der Bestechlichkeit und der Geldwäsche. Im Laufe des Tages durchsuchten elf Staatsanwälte sowie rund sechzig Beamte des bayrischen Landeskriminalamts Bystrons Abgeordnetenbüro in Berlin sowie mehrere Objekte in Bayern und auf Mallorca.
Laut der Generalstaatsanwaltschaft wurde auch bei Zeugen gesucht, die nicht als Beschuldigte im Verfahren gelten. Ziel sei es, Unterlagen und Datenträger zu sichern. Es gelte die Unschuldsvermutung.
Zuvor hatte der Bundestag Bystrons Immunität aufgehoben. Sämtliche Fraktionen stimmten zu, mit Ausnahme der AfD. Ein Abgeordneter geniesst während der Dauer der Mitgliedschaft im Parlament Immunität und darf nur mit Genehmigung des Bundestags wegen einer potenziellen Straftat zur Verantwortung gezogen werden – es sei denn, er wird während einer Straftat gefasst oder tags darauf wegen einer solchen festgenommen. Diese Bestimmung soll ihn unter anderem auch vor politisch motivierten Klagen schützen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Bystrons Immunität aufgehoben wurde. Bereits 2022 folgte der Bundestag einer Empfehlung des für Immunitätsfragen zuständigen Ausschusses. Damals ging es um die angebliche Verwendung von verfassungswidrigen Symbolen. Bystron wurde in der Sache freigesprochen. In einer ähnlichen Angelegenheit wurde im September 2023 die Immunität aufgehoben.
Die Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Alice Weidel und Tino Chrupalla, sehen die neuerliche Aufhebung der Immunität Bystrons kritisch. In einer Mitteilung schrieben sie: «Die Aufhebung der Immunität und die Durchsuchung der Büro- und Privaträume von Petr Bystron sind ein schwerwiegender Vorgang. Bislang wurden für die seit Wochen erhobenen Vorwürfe gegen Herrn Bystron keine Belege vorgelegt. Die AfD-Fraktion hofft daher auf einen raschen Abschluss der Ermittlungen, damit nicht der Verdacht entsteht, dass hier versucht wird, durch Behörden und weisungsgebundene Staatsanwaltschaften den Europawahlkampf zu beeinflussen.»
Bystron selbst begrüsste am Donnerstag in einem auf seinem Telegram-Kanal veröffentlichten Video die Ermittlungen. Jetzt werde seine Unschuld offenbar. Er habe bereits vor vier Wochen eine Aufhebung seiner Immunität beantragt. Die Regularien des Bundestages hätten dies aber nicht zugelassen.
Für die AfD stellen die Ermittlungen eine weitere Belastung des Europawahlkampfs dar. Bereits der Wahlkampfauftakt Ende April war von Spionagevorwürfen gegen einen Mitarbeiter des Spitzenkandidaten Krah überschattet worden. Der mittlerweile entlassene Assistent Jian G. soll für einen chinesischen Geheimdienst tätig gewesen sein. Er sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Die Parteiführung entschied nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Einvernehmen mit Krah, keine Wahlwerbung mit ihm etwa auf Plakaten oder in Wahlfilmen zu machen. Er musste ausserdem dem Wahlkampfauftakt in Donaueschingen fernbleiben.
Innerparteilich war und ist diese Entscheidung umstritten. Ein Teil der Partei glaubt, dass man Krah und Bystron nie derart prominent hätte aufstellen sollen. Beide galten bezüglich ihrer Beziehungen zu Russland beziehungsweise China schon lange als angreifbar. Die Kritiker plädierten deshalb dafür, sich von beiden Kandidaten deutlicher zu distanzieren. Andere hingegen mutmassen, dass der politische Gegner mithilfe staatlicher Stellen versuche, Einfluss auf den Europawahlkampf der Partei zu nehmen. Sie pochen auf die Unschuldsvermutung für ihre beiden erstplatzierten Kandidaten. Jede Distanzierung lehnen sie deshalb ab.
Unklar ist, wie sich die jüngsten Vorwürfe und Ermittlungen gegen die beiden Spitzenkandidaten bei der Europawahl Anfang Juni auswirken werden. Die Stammwählerschaft dürfte der in der Partei weit verbreiteten Einschätzung folgen, dass man Opfer politischer Instrumentalisierung der Justiz sei. Auf unentschiedene Wähler freilich könnten Vorwürfe, gemäss denen sich Spitzenkandidaten der Partei möglicherweise vor allem ausländischen Interessen verpflichtet fühlen, abschreckend wirken. Einer Partei, die damit wirbt, in erster Linie deutsche Interessen zu vertreten, erwächst dadurch ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Für diese Einschätzung sprechen neue Umfragen. Gemäss einer an diesem Donnerstag veröffentlichten Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag von T-online verlor die AfD im Vergleich zum Vormonat April 2 Prozentpunkte. Die Partei würde bei der Europawahl aber mit 17 Prozent noch immer den zweiten Platz nach der Union einnehmen.
Anfang April hatte das tschechische Medium «Denik N» berichtet, Geld aus Moskau sei über ein Netzwerk an Bystron und weitere russlandfreundliche Europawahl-Kandidaten geflossen. Konkret ging es um das tschechische Portal «Voice of Europe». Dort wird prorussische Propaganda verbreitet. Politiker aus dem rechten bis rechtsextremen Spektrum fanden hier eine Plattform. Unter anderem wurden dort Interviews mit Bystron sowie mit seinem Parteikollegen Krah verbreitet.
Bystron bestreitet, zu irgendeinem Zeitpunkt von einem Mitarbeiter von «Voice of Europe» oder Personen aus Russland Geldzahlungen oder Kryptowährungen bekommen zu haben. Er sprach von einer Verleumdungskampagne.
Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass die EU «Voice of Europe» in die Sanktionsliste aufnehmen wird, wie die Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova auf X mitteilte. Neben «Voice of Europe» gelte dies für drei weitere mit dem Kreml verbundene Propagandanetzwerke: RIA Nowosti, «Iswestija» und «Rossijskaja Gaseta». Tschechien hatte «Voice of Europe» bereits nach den Geheimdienstermittlungen auf die nationale Sanktionsliste gesetzt.
Die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Sacharowa, warnte die EU vor diesem Schritt. Der Kreml werde Vergeltungsmassnahmen gegen westliche Korrespondenten in Moskau ergreifen, sagte sie am Mittwoch.
Die EU hat seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bereits mehrere prorussische Plattformen gesperrt, beispielsweise wurde die Website von Russia Today abgeschaltet.
Mit Agenturmaterial.