Mit ihrem neuesten Hilfspaket schicken die Amerikaner rund 100 weitere M2 Bradley in die Ukraine. Diese werden dringend gebraucht – denn die Dynamik auf dem Schlachtfeld hat sich geändert.
Vor einem Jahr noch galt der Kampfpanzer Leopard 2 als eines der zentralen Waffensysteme, die für die Ukrainer eine Wende im Krieg gegen den russischen Aggressor herbeiführen sollten. Ende März 2023 trafen 21 Leopard 2A6 in der Ukraine ein (18 aus Deutschland und 3 aus Portugal). Sie sollten, zusammen mit weiteren westlichen Kampfpanzern, einen entscheidenden Beitrag leisten bei der ukrainischen Gegenoffensive zur Vertreibung der Russen aus dem besetzten Südosten.
Ein Jahr später ist die Bilanz der Leopard-Panzer durchzogen. Die Offensive der Ukrainer ist gescheitert, inzwischen sind die Russen wieder auf dem Vormarsch. Zwar ist der Leopard 2, was die Feuerkraft und den Schutz der Besatzung angeht, den russischen Kampfpanzern überlegen. Doch die Ukrainer hatten in den letzten zwölf Monaten einen ungewöhnlich hohen Prozentsatz an Ausfällen zu verzeichnen. Von den insgesamt 73 Leopard-Panzern unterschiedlicher Typen sind laut dem als zuverlässig geltenden niederländischen Militärblog Oryx mehr als die Hälfte zerstört, beschädigt oder zurückgelassen worden, unter ihnen mindestens 11 der 21 Leopard 2A6, des modernsten Typs.
Die hohe Ausfallrate dürfte nicht zuletzt mit der Art und Weise zusammenhängen, wie die Ukrainer die Leopard-Panzer verwendet haben. Ihre volle Kampfkraft erreichen diese, wenn sie im Verbund bei einem mechanisierten Angriff eingesetzt werden. Die Ukrainer haben sie jedoch oft einzeln eingesetzt: zur reinen Feuerunterstützung der Infanterie und ohne Ausnützung der hohen Geschwindigkeit von bis zu 70 km/h.
Dies machte die Leopard-Panzer verwundbarer – nicht zuletzt, weil in der Ukraine mittlerweile eine grosse Zahl von Kleindrohnen das Gefechtsfeld dominiert, die diese Panzer rasch entdecken und gezielt bekämpfen können. Auch beim Durchqueren der Minenfelder scheiterten die Kampfpanzer. Gestoppt oder abgebremst durch Minen, breite Gräben und Drachenzähne (bis zu einem Meter hohe Betonpyramiden), wurden sie zu einer leichten Beute der russischen Panzerabwehr.
Leichter und wendiger als ein Kampfpanzer
Inzwischen ruft die Ukraine nicht mehr in erster Linie nach weiteren Leopard-Kampfpanzern, sondern vielmehr nach leichteren Schützenpanzern. Besonders beliebt ist beim Militär der amerikanische M2 Bradley. Mit einem Gewicht von 22 Tonnen ist er fast 40 Tonnen leichter als der Leopard 2A6. Er gilt als sehr wendig, bei einer Maximalgeschwindigkeit von gut 60 km/h. Neben der Besatzung von drei Mann kann er bis zu sieben Infanteristen im Gefechtsfeld geschützt transportieren. Mit der Lieferung von rund 100 zusätzlichen Bradley im neuesten Hilfspaket haben die Amerikaner den Ukrainern inzwischen mehr als 300 solche Schützenpanzer übergeben.
Der Bradley wurde 1981 erstmals von den USA in Dienst genommen und seither kontinuierlich modernisiert. Die Mannschaft ist besser gegen Beschuss geschützt als in den vergleichbaren russischen Schützenpanzern vom Typ BMP-2 und BMP-3. Neben einer Aluminiumwanne verfügen die in der Ukraine zum Einsatz kommenden Bradley über eine sogenannte Reaktivpanzerung mit speziellen Kacheln, die Sprengstoff enthalten. Trifft ein Projektil auf diese, explodiert der Sprengstoff und schleudert ihm die Metallplatte entgegen. Dadurch wird die Wirkung des Projektils abgefedert. Die Bradley gelten gegen den Beschuss aus Waffen bis zum 30-mm-Kaliber als geschützt.
Der Bradley ist aber auch geeignet für die Bekämpfung gegnerischer Panzer und gepanzerter Fahrzeuge. So wurden etwa während des Irakkrieges mehr irakische Panzer durch Bradley-Schützenpanzer zerstört als durch die zusammen mit ihnen eingesetzten Kampfpanzer M1 Abrams.
Die Hauptbewaffnung des Bradley besteht aus einer 25-mm-Maschinenkanone vom Typ M242 Bushmaster mit einer maximalen Reichweite von 2 Kilometern und einer hohen Feuerrate von bis zu 200 Schuss pro Minute. Daneben verfügt er über drahtgelenkte Panzerabwehrraketen vom Typ TOW mit einer Einsatzdistanz von bis zu 4,5 Kilometern und ein Maschinengewehr mit Kaliber 7,62 mm. Mit einem eingebauten Wärmebildgerät können Ziele in einer Entfernung von bis zu 8 Kilometern erkannt werden.
Schutz für die Soldaten und Gefahr für feindliche Panzer
Beliebt sind die Bradley beim ukrainischen Militär vor allem aus zwei Gründen. Der massive Einsatz von Kleindrohnen über dem Gefechtsfeld hat die Verschiebung von Soldaten an die Front und von dort zurück stark erschwert. Wird ein Kämpfer von der Kamera einer Kampfdrohne einmal erfasst, so kann er sich vor dieser kaum mehr schützen, wenn sich in der Nähe keine Deckungen befinden – was in der Ukraine oft der Fall ist.
Auch der massive Beschuss mit Artillerie durch die Russen macht Verschiebungen auf dem Gefechtsfeld gefährlich. Der Bradley hingegen ermöglicht einen weitgehend vor Drohnen und Granateinschlägen geschützten Transport der Mannschaft. Selbst wenn ein Schützenpanzer getroffen wird, haben die mitfahrenden Soldaten in der Regel gute Überlebenschancen. Beliebt sind die Bradley auch für den Transport von Verwundeten von der Front zur medizinischen Behandlung im rückwärtigen Raum.
Gleichzeitig haben die Bradley in der Ukraine aber auch im Einsatz gegen gegnerische Kampfpanzer gute Erfolge vorzuweisen. Anfang Jahr wurde sogar ein Fall bekannt, bei welchem es zwei Bradley bei einem Scharmützel in der Nähe der Stadt Awdijiwka gelang, einen russischen T-90-Kampfpanzer mit ihren Maschinenkanonen auszuschalten. Es handelt sich dabei um den modernsten russischen Panzertyp. Bei russischen Panzerbesatzungen ist der Bradley gefürchtet. Sie meiden Gebiete, in welchen sie den Schützenpanzer vermuten. Trotzdem sind natürlich auch die Bradley nicht unverwundbar. Laut Oryx wurden von den 2023 gelieferten rund 200 Stück 79 zerstört, beschädigt oder zurückgelassen.
Das verstärkte Interesse der Ukrainer an den Bradley ist natürlich auch eine Folge der neuen Lage an der Front. Die Leopard 2 waren in erster Linie von Interesse für eine mechanisierte Grossoffensive. Nachdem die Ukraine dieses Jahr wieder in die Defensive geraten ist, haben die Bradley zusätzliche Bedeutung erlangt.