In mehr als 90 Orten des ostdeutschen Bundeslandes wollte niemand mehr kandidieren. Derweil konnte die AfD bis zum Abend im ersten Anlauf keine Landratsämter oder Rathäuser gewinnen. Haben ihr die jüngsten Querelen geschadet?
Haben der AfD die Querelen der vergangenen Wochen um ihre Spitzenleute Maximilian Krah und Björn Höcke geschadet? So lautete eine Frage vor den Kommunalwahlen am Sonntag in Thüringen, die deshalb über das Bundesland hinaus Aufmerksamkeit genossen. Eine umfassende und verlässliche Antwort liess sich bis zum Abend nicht geben; ein belastbares Zwischenergebnis wird erst spät in der Nacht erwartet. Allerdings waren erste Trends sichtbar.
Aus der Wahl von Ortsoberhäuptern und Landräten gingen zunächst keine AfD-Kandidaten als Sieger hervor. In Weimar und Suhl, zwei der grösseren Städte in Thüringen, setzten sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die Amtsinhaber durch, während es in der Landeshauptstadt Erfurt mutmasslich am 9. Juni zu einer Stichwahl zwischen einem CDU- und einem AfD-Kandidaten kommt. Auffällig war, dass in vielen Städten und Gemeinden Bürgermeister gewählt wurden, die als parteilose Kandidaten oder für ein parteiunabhängiges Bürgerbündnis angetreten waren.
In den kommunalen Parlamenten, also den Kreistagen auf Landkreisebene und den Stadt- und Gemeinderäten, zeigte sich indes ersten Ergebnissen gemäss die CDU weiter als sehr stark. Doch insbesondere in einigen Kreistagen holte die AfD offenbar auf. Bei der Kommunalwahl vor fünf Jahren war die CDU landesweit auf 27,3 Prozent gekommen, die AfD auf 17,7 Prozent. Danach folgten die Linkspartei mit 14 Prozent und die Sozialdemokraten mit 13,4 Prozent.
Stimmungstest für die Landtagswahlen
Obwohl es bei Kommunalwahlen um die lokale Politik in Landkreisen, Städten und Gemeinden geht, galt die Abstimmung im Vorfeld auch als Stimmungstest für die Landtagswahlen in Thüringen am 1. September (gemeinsam mit Sachsen und Brandenburg). Vor allem das Abschneiden der AfD wurde mit Spannung erwartet. Die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei kommt bei Umfragen in Thüringen seit Monaten auf etwa 30 Prozent der Stimmen, vor der CDU mit 20 und der Linkspartei mit 16 Prozent. Trotz den Querelen der vergangenen Wochen um ihren Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, und um den Parteivorsitzenden in Thüringen, Björn Höcke, hatte die AfD in Umfragen zuletzt nur leichte Einbussen hinnehmen müssen.
Thüringen gehört mit 2,1 Millionen Einwohnern und 1,7 Millionen Wahlberechtigten zu den kleinsten Bundesländern Deutschlands. Seit zehn Jahren wird es mit kurzer Unterbrechung von Bodo Ramelow von der Linkspartei regiert. In den Städten und Gemeinden sind allerdings die Christlichdemokraten traditionell die stärkste Kraft. Das zeigte sich auch diesmal wieder. So trat die CDU ausserhalb der grösseren Städte wie Erfurt, Weimar, Suhl und Gera in 420 Gemeinden an, die AfD dagegen nur in 79. Von den 13 Landkreisen, in denen ein neuer Landrat zu wählen war, stellte die CDU bisher 8 der Amtsinhaber.
Zugleich zeigt sich in Thüringen eine Entwicklung, die auf wachsende Demokratieverdrossenheit in Deutschland schliessen lässt. In 91 Orten traten überhaupt keine Kandidaten mehr für das Bürgermeisteramt oder den Gemeinderat an. Die Wähler konnten deshalb den Namen eines Bürgers ihrer Gemeinde auf den Wahlzettel schreiben, unabhängig davon, ob er geeignet oder willens wäre, das Mandat zu übernehmen. In der Gemeinde Fretterode im Eichsfeldkreis beispielsweise führte diese Entwicklung dazu, dass der ehrenamtliche Bürgermeister, obwohl er nicht wieder angetreten ist, 72 Prozent der Stimmen bekam. Die grosse Mehrheit der Wähler hatte ihn auf den Stimmzettel geschrieben.