An dem Online-Format «Fake Train» ist neben dem Influencer Rezo der Rapper Xatar beteiligt. Dieser war nach einem schweren Raubüberfall zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Die Bundeszentrale für politische Bildung steht abermals in der Kritik.
Die deutsche Regierung sorgt sich um das Wuchern und Wabern falscher Informationen im Netz. Die grüne Familienministerin Lisa Paus unterstützt im Rahmen ihres Lieblingsprojekts «Demokratie leben» Initiativen, die tatsächliche oder vermeintliche Fake News aufspüren.
Nun hat auch die dem Innenministerium unterstellte Bundeszentrale für politische Bildung Steuergeld in die Hand genommen. Ein sechsteiliges Streamingformat soll, wie es heisst, «die Medienkompetenz von Jugendlichen und jungen Erwachsenen fördern». Das Ergebnis namens «Fake Train» sorgt jedoch für viel Kritik – nicht zuletzt deshalb, weil ein ehemaliger Schwerstkrimineller daran beteiligt ist.
Eine Komikerin und das «Nippelpiercing»
Formal kommt die von dem Berufsjugendlichen Rezo moderierte Reihe wie ein Quiz daher mit Gästen, die innerhalb des Zielpublikums als prominent gelten. Sie heissen Naomi Jon oder Parshad Esmaeili, Twenty4tim oder Anna Gazanis und firmieren als Sängerin, Komikerin, Creator, Streamerin. Rezo, der Mann mit der blau gefärbten Tolle, zählt 31 Lebensjahre.
Er erlangte einige Bekanntheit, als er 2019 in einem Video zur «Zerstörung der CDU» aufrief und bisweilen in die Graubereiche des Kontrafaktischen geriet. Dass die Bundeszentrale für politische Bildung ihn mit dem Moderatorenjob beauftragte, nährt einen Verdacht, mit dem sich die seit 24 Jahren von dem Sozialdemokraten Thomas Krüger geleitete Behörde oft konfrontiert sieht: Sie sei unter Krügers Führung von dem Willen beseelt, eine linke Weltanschauung unters Volk zu bringen.
Prompt sagt in der ersten Folge von «Fake Train» Parshad Esmaeili, die für das öffentlichrechtliche Jugendangebot «Funk» arbeitet, das seinerseits vor politischer Einseitigkeit nicht zurückschreckt: Sie, Esmaeili, «gucke eher auf Instagram Storys von Aktivistinnen oder Aktivisten», wenn sie «bestens informiert sein will». ARD und ZDF stehen also selbst bei jemandem, der für sie arbeitet, als Nachrichtenquelle nicht hoch im Kurs. Auch das will Rezo im Auftrag der Regierung ändern.
Nach einem albernen Fragespiel, bei dem zur Erhöhung der Medienkompetenz geklärt wurde, dass Esmaeili über kein «Nippelpiercing» verfügt, werden die guten von den schlechten Medien geschieden. Lernziel: Alles, was ARD und ZDF und Deutschlandradio anbieten, ist seriös; bei konkurrierenden Privatanbietern kann es sich um «rechtsradikalen Shit» (Rezo) oder russische Propaganda handeln. Rezo freut sich über die oft, aber nicht immer korrekte Brandmarkung der Störmedien. In einer weiteren Folge sollen eingespielte Videoschnipsel in die Kategorie «Tatsache» oder «Meinung» eingeordnet werden. Der Schwierigkeitsgrad ist niedrig.
Die Bundeszentrale gibt sich arglos
Ihren Namen hat die sechsteilige Reihe von ihrer Kulisse erhalten. In einem ausrangierten und umgebauten Waggon sitzt das Publikum, wuselt Rezo und schnattern die jeweils zwei Gäste. Bisher wurden vier Folgen publiziert, die beiden letzten folgen am kommenden Freitag. Dann wird zu sehen sein, wie sich Xatar schlägt. Die Bundeszentrale wirbt mit seiner Beteiligung. Xatar aber ist nicht nur Musikproduzent und Rapper und singt in dieser Eigenschaft über «Berlin-Schwanzlutscherei», «platzt ins Geschäft wie beim Banküberfall» oder erklärt: «Ich bin Kurde, bei uns ist Kämpfen Tradition.»
Der 1981 in Iran geborene Xatar ist auch verurteilter Straftäter. Freiheitsberaubung, schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung brachten ihm 2011 eine Verurteilung zu acht Jahren Haft ein. Xatar hatte mit Komplizen einen Goldtransporter überfallen und dessen Insassen gefesselt in einem Wald ausgesetzt. Das Gold ist verschollen. Im Auftrag der Bundesregierung folgt Xatar, wie er im Trailer zu dem Format sagt, einer höheren Mission: «Denn Fakt ist, ihr wisst jetzt, was Fake ist und was real.»
Ist Xatar nach seiner kommerziell geglückten Resozialisierung der richtige Gewährsmann für den staatlichen Einsatz gegen Falschinformation? Hätte die Bundeszentrale sich seine Dienste wirklich sichern sollen? Die Zweifel mehren sich. Der CDU-Politiker und Bundestagsabgeordnete Marc Henrichmann, stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums der Bundeszentrale, fragt: «Wird mit ‹Fake Train› nicht eine viel zu enge Zielgruppe angesprochen? Setzt das Engagement eines wegen Raubes vorbestraften Rappers in diesen aufgeladenen Zeiten nicht falsche Signale?»
Ausserdem will Henrichmann von der Bundesregierung wissen, ob Wirksamkeit und Reichweite des Formats ermittelt worden seien. Diese Fragen, so Henrichmann zur NZZ, sollten «bei einer Investition von knapp 470 000 Euro Steuergeld dringend mal beantwortet» werden. Zuvor hatte bereits der hessische Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten Manfred Pentz bei bild.de erklärt: «Den Rechtsstaat durch einen verurteilten Straftäter kommentieren zu lassen, ist so, als ob man Putin die Demokratie erklären liesse.»
Bei der Bundeszentrale gibt man sich auf Nachfrage arglos. Xatar zähle zu jener «Vielzahl von Personen», mit denen «Fake Train» zusammenarbeite, «um eine möglichst breite Zielgruppe anzusprechen». Rezo moderiere, weil die Produktionsfirma das Projekt «mit Einbindung von Rezo als Moderator im Rahmen eines öffentlichen Wettbewerbs» erfolgreich eingereicht habe. Weitere Folgen seien nicht geplant. Die «kleine Gameshow» (Rezo) rollt dann wieder auf das Abstellgleis.