Der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil besucht auf seiner Sommerreise Vorzeigeunternehmen. Doch auch hier klappt es nicht. Ein Sägewerk zeigt, wie schwierig es ist, Ukrainerinnen in Jobs zu bringen.
Etwas verloren stehen die drei ukrainischen Frauen zwischen riesigen Holzplatten. Sie haben in einem Sägewerk am Rand des Schwarzwaldes Arbeit gefunden. Dort bessern sie auf zugeschnittenen Brettern Astlöcher aus. «Kosmetikabteilung» nennen die Firmenchefs diese Station. Es ist laut, heiss und staubig. Die Ukrainerinnen werden jetzt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vorgestellt – als gelungenes Beispiel für Integration.
Der Sozialdemokrat ist dankbar für solche Begegnungen, die zeigen sollen, dass der von ihm ins Leben gerufene Job-Turbo doch zündet. Solche Termine lenken ab von der Debatte über die abermals gestiegene Zahl der Empfänger von Grundsicherung, dem deutschen Bürgergeld. Mehr als die Hälfte von ihnen haben einen Migrationshintergrund, unter ihnen sind auch rund eine Million ukrainische Flüchtlinge.
Gerade erst hatte der Christlichsoziale Alexander Dobrindt verlangt, Ukrainer, die nicht arbeiteten, zurück in ihre Heimat zu schicken. Diese Forderung löste einen Sturm der Entrüstung aus, auch Heil kritisierte Dobrindts Einlassungen. Er spricht auf der Reise von einem «dumpfen Gefühl», mit dem Menschen gegeneinander ausgespielt werden sollen.
Allerdings gibt es offenkundige Probleme mit dem Bürgergeld, die Kritiker Dobrindts gerne verschweigen. Nur 22 Prozent der geflüchteten Ukrainer haben bislang eine sozialversicherungspflichtige Arbeit gefunden. Das ist im europäischen Vergleich eine der niedrigsten Quoten.
Die Bürgergeldkosten für die Ukrainer schlagen mit rund sechs Milliarden Euro im Bundeshaushalt zu Buche. Heil sieht sich trotzdem auf dem richtigen Weg. Er verweist stoisch auf die monatlich steigenden Zahlen arbeitender Ukrainer.
Ukrainische Mitarbeiterinnen wollen nicht zurück
Wie schwerfällig die Integration der Ukrainer vorankommt, zeigt auch das Beispiel im Sägewerk Buchenbach. Irina Prydatko kommt aus dem Westen der Ukraine nahe der Front. In einem Kulturhaus hat sie als Choreografin gearbeitet, wie sie erzählt. Jetzt hantiert sie mit Bohrer und Spachtelmasse.
Trotzdem fühlt sie sich wohl in dem kleinen Ort rund 15 Kilometer von Freiburg entfernt – so wohl, dass sie nicht mehr in die Ukraine zurückwill. «Ich will endgültig hierbleiben», sagt sie dem Minister. «Das werden nicht alle Ukrainer gern hören, aber mir geht es hier besser.» Ein wenig Deutsch versteht sie schon, aber es reicht nur für eine Hilfstätigkeit.
Das Holzwerk mit seinen rund 300 Beschäftigten sucht wie so viele Unternehmen händeringend Arbeitskräfte. Auch deshalb ist der Familienbetrieb eigene Wege gegangen, die zwar viel Geld kosten, aber zur Einstellung von 15 ukrainischen Mitarbeitern führten. Der Personalchef Martin Wiedemann berichtet über die Odyssee durch die Behörden. Die Bürokratie sei, «gelinde gesagt, eine Katastrophe», sagt er. Das Unternehmen organisiert auch Unterkünfte und Sprachkurse für die neuen Kollegen. Er sei inzwischen mehr mit der Akquise von Wohnungen als von Mitarbeitern beschäftigt, klagt Wiedemann.
Heil hört zu und nickt verständig. An dem Konzept des Job-Turbo will er aber nicht rütteln: Erst kommt der Sprachkurs und dann die Job-Vermittlung. Andere europäische Länder gehen den umgekehrten Weg und haben damit mehr Erfolg. Die deutsche Bundesregierung argumentiert, dass mit ihrem Konzept mehr Flüchtlinge in bessere Jobs gebracht würden, die ihrer Qualifikation entsprächen. Dass dies wohl eher selten gelingt, zeigt das Beispiel des Sägewerkes.
Besonders langsam geht es bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen voran. Insgesamt 700 Stellen fühlen sich in Deutschland dafür verantwortlich – es ist ein nicht zu entwirrendes Knäuel aus Zuständigkeiten bei Bund, Ländern und berufsständischen Organisationen. Mehrere Anläufe, die Dinge zu vereinfachen, sind im Sande verlaufen.
Keine Kürzungen bei Sozialausgaben im Haushalt
Die Sommerreise des Ministers durch Baden-Württemberg ist auch der Versuch, politische Normalität in aufgeheizten Zeiten zu präsentieren. Gerade erst hatte sich die Ampelkoalition auf dem letzten Meter zusammengerauft und Eckpunkte des Bundeshaushalts vorgelegt. Der Etat für Arbeit und Soziales ist bei weitem der höchste. Schmerzliche Einschnitte muss Heil – zumindest nach jetzigem Stand – nicht hinnehmen. Das ist ein Erfolg für den Minister, den er nicht öffentlich zelebriert.
Aber erst am kommenden Mittwoch legt Finanzminister Christian Lindner die Zahlen für den Haushalt vor. Auch das Parlament kann noch Änderungen vornehmen. Die Gefahr für Heils Budget ist also noch nicht gebannt.
Mit der angekündigten Verschärfung von Sanktionen bei der deutschen Grundsicherung kann Heil leben. Immerhin ist es zu keinen Leistungskürzungen gekommen. Das war für die Sozialdemokraten eine rote Linie. Schwarzarbeit wollte Heil schon immer vehementer bekämpfen, und das Schonvermögen beim Bürgergeld, das jetzt reduziert wird, hatten ohnehin die Grünen durchgesetzt.
Für politisch unklug hält der Minister die vorgeschlagenen Steuervergünstigungen für ausländische Fachkräfte, die zu heftigen Diskussionen geführt haben. «Das hätte ich so nicht reingeschrieben», sagt Heil. Den Vorschlag hatten FDP und Grüne durchgesetzt. Mit öffentlicher Kritik an den Koalitionspartnern hält sich Heil aber zurück. Regierungsintern übernimmt er lieber die Moderatorenrolle, um das Ampelbündnis bis zu den Wahlen im nächsten Jahr zu retten. Ob er das schafft, wird sich zeigen.








