«Staubfrau» von Maria Milisavljević handelt von häuslicher Gewalt. Trotz schwerer Thematik bietet die Uraufführung im Zürcher Schiffbau auch Witz und Poesie. Nicht zuletzt dank den Schauspielerinnen.
Alles beginnt mit dem Ehemann; er ist das Problem. Allerdings ist er selbst nicht anwesend. Präsenz und Macht verleihen ihm in diesem Stück lediglich all die argwöhnischen und beleidigenden Worte, die seiner Frau im Gedächtnis geblieben sind.
Von einer Frauenstimme aus dem Off zitiert, ertönen sein Geschimpfe und seine Kränkungen anfangs wie eine bösartige Litanei. Sie solle nicht meckern und maulen, sagt er seiner Frau. Er arbeite den ganzen Tag für die Familie, und sie richte abends nur Vorwürfe an ihn. Sie sei nie zufrieden, sie erlaube sich alles, gebe ihm nichts. Das sei häusliche Gewalt und er das Opfer. So hält er sie auch für schuld an der Gegengewalt, die er ihr androht: «Siehst du, was du mit mir machst, wo du mich hintreibst?»
Die Worte des Ehemannes werden in Milisavljevićs Stück «Staubfrau», das als Auftragsprojekt des Zürcher Schauspielhauses in der Matchbox im Schiffbau uraufgeführt wird, später noch mehrmals erinnert und zitiert. Es bleibt allerdings nicht beim Drohen und Klagen. Der Mann erweist sich als Täter.
Furioser Text
Man möchte dieses simple, tendenziöse Männerbild am Ende zwar ablehnen oder zumindest infrage stellen. In «Staubfrau» aber ist man zunächst froh um die Eindeutigkeit in einem zwar furiosen, aber auch etwas überladenen Text, in dem man sich mitunter verliert. Es handelt sich um ein zwischen Witz, Poesie und Pathos changierendes Gespräch zwischen einer jungen Frau (Nancy Mensah-Offei), ihrer Mutter (Anita Iselin Soubeyrand) und der Grossmutter (Lola Dockhorn). Wobei die Protagonistinnen verschiedene weitere Instanzen zitieren: Common Sense, Wissenschaft, Medien. Und immer wieder den wütenden Ehemann.
«Staubfrau» hat einen erzählerischen Anker in einer unbestimmten Frühzeit, in der die Grossmutter ihre Freundin durch einen ungeahndeten Femizid verlor. Das Gespräch streift sodann auch das Eheleben der Mutter, die der Vater mit einer jungen Liebhaberin betrogen hat. Der Austausch der drei Frauen dreht sich vor allem aber um das derzeitige Schicksal der Jüngsten, deren Ehe abermals auf eine Katastrophe zusteuert.
Die deutsche Regisseurin Anna Stiepani lässt die drei Mütter zwischen Herd und Waschküche auflaufen (Bühne: Thurid Peine) – den Lebensräumen, in denen die Frau einst ihre Bestimmung zu finden hatte. Aber ist das, dank Feminismus und Emanzipation, nicht längst verstaubte Vergangenheit? In «Staubfrau» gären gerade im Graben zwischen feministischen Ansprüchen und patriarchaler Trägheit Zermürbung und Hohn.
Die Ironie erweist sich dabei als Ventil für Mütter, deren alltägliche Realität über Generationen hinweg einerseits durch die Ernährung und sonstige Betreuung des Nachwuchses bestimmt wird. Andrerseits haben sie auch den Ansprüchen ihrer schwierigen Partner gerecht zu werden. Dass sie sich dann auch noch ein bisschen in der Arbeitswelt betätigen, scheint hier eher eine zusätzliche Bürde denn berufliche Selbstverwirklichung.
In der Verständigung über alltägliche Probleme mit Kindern und Männern setzen die drei sehr engagierten Schauspielerinnen komödiantische Höhepunkte. Etwa wenn sie in Kinderrollen schlüpfen und über das Essen schimpfen. Oder wenn sie sich vorstellen, dass die Ehemänner das Geburtstagskuchenbacken oder das Adventsbasteln übernehmen sollten.
Böses Ende
Küche und Waschküche aber sind auf der Bühne umrankt von einem wuchernden Kräutergarten, mit dem Milisavljević ihr Stück mythisch verbrämt. Hier wachsen nicht nur die Pflanzen, aus denen die verletzten Frauenseelen das süsse Gift der Rache gewinnen wollen. Hier gedeihen auch die Ideen eines mythischen Zeitflusses, dem die Frauen den letzten Rest von Liebe schenken: auf dass sie in einer fernen, idealen Zukunft neu erblühen möge.
Die Gegenwart hält eben keine Befreiung, kein Happy End bereit. Vielmehr wird die junge Frau von ihrem Mann, den sie hat verlassen wollen, am Schluss getötet. Oder scheidet sie selber aus dem Leben? Ganz klar wird das zwar nicht, die Mehrstimmigkeit des Textes vernebelt zuletzt etwas die Pointe des anregenden Stücks. Eine deutliche Sprache aber spricht – an die Wand projiziert – die lange Liste von Femiziden, die in den letzten Jahren allein in der Schweiz stattgefunden haben.