Wie Mexiko hofft auch Kanada, mit selektiven Gegenzöllen in Washington politischen Druck aufbauen zu können. Dies soll dazu führen, dass Trump die angedrohten Massnahmen wieder zurücknimmt.
Präsident Trumps Ankündigung, ab 1. Februar einen Zoll von 25 Prozent auf alle Waren aus den beiden Nachbarländern zu erheben, trifft Kanada nicht unvorbereitet. Trump hatte die Zölle bereits im November über die sozialen Netzwerke angekündigt, was damals in Kanada Schockwellen auslöste. Die USA sind bei weitem Kanadas wichtigster Handelspartner. Rund 75 Prozent der kanadischen Exporte gehen dorthin. Beim Erdöl, dem wichtigsten Exportgut, sind es gar über 90 Prozent.
Für die ohnehin schwächelnde kanadische Wirtschaft sind die Zölle deshalb eine grosse Gefahr. Der Präsident der kanadischen Zentralbank mahnte bereits im Dezember, die angedrohten Zölle würden dramatische Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes haben und sie in eine tiefe Rezession stürzen. Die Regierung Trudeau hat deshalb bereits vor Trumps Amtsantritt einen Drei-Stufen-Plan mit Gegenmassnahmen beschlossen, der in den Grundzügen bekannt ist.
Ottawa will Interessen des Landes energisch verteidigen
Kanadas Finanzminister Dominic LeBlanc erklärte am Montag nach Trumps Ankündigung im Oval Office: «Wir haben die letzten Wochen damit verbracht, in Zusammenarbeit mit den Provinzen und kanadischen Wirtschafts- und Gewerkschaftsführern mögliche Szenarien für eine Reaktion Kanadas vorzubereiten.» Kanada sei vollkommen bereit, auf alle möglichen Massnahmen zu reagieren. Auch die Aussenministerin Mélanie Joly sagte, die Regierung werde die Interessen des Landes und die Arbeitsplätze der Kanadier energisch verteidigen: «Wir werden hart kämpfen, und wir sind sehr mutig.»
Trump ist unberechenbar. Noch ist nicht sicher, wann und wie genau er die angekündigten Zölle einführen wird. Kanada hofft darauf, dass sie nicht auf einen Schlag, sondern graduell eingeführt werden. Möglich ist, dass der Zoll zu Beginn nicht auf alle Waren erhoben wird oder dass er tiefer angesetzt und anschliessend gestaffelt erhöht wird. Für Trump hätte dies den Vorteil, dass er die Folgen für die USA besser abschätzen könnte. Mit einem graduellen Vorgehen statt einem Paukenschlag könnte er verhindern, dass er seine Präsidentschaft möglicherweise mit einem Börsencrash und einer Flut negativer Schlagzeilen aus der Wirtschaftspolitik beginnt.
Die Strategie der Kanadier ist es, als Gegenmassnahme Zölle auf wichtige Exporte aus republikanisch regierten Staaten oder Swing States zu erheben. Dies mit dem Ziel, dass die dortigen politischen und wirtschaftlichen Führer Druck auf Trump machen, die Strafzölle gegen Kanada wieder aufzuheben. Mögliche Ziele könnten beispielsweise Orangensaft aus Florida oder Milchprodukte aus Wisconsin sein. Eine ähnliche Strategie verfolgt auch Mexiko, allerdings sind die Details dort weniger bekannt. Beide Länder haben ihre Strategien bereits in der ersten Amtszeit von Trump angewandt, als er selektive Strafzölle verhängte. Dies führte letztlich dazu, dass er die Zölle zurücknahm und das Freihandelsabkommen der drei Länder neu aushandelte.
Kanada plant Gegenmassnahmen in drei Stufen. In einem ersten Schritt sollen auf Konsumgüter aus den USA im Wert von rund 26 Milliarden US-Dollar Zölle erhoben werden. Die Liste der betroffenen Produkte ist geheim. Doch sie sollen so gewählt werden, dass die politischen Auswirkungen in den USA möglichst gross sind. Die Rede ist von Esswaren und Getränken, aber etwa auch von Geschirrspülern, Badewannen und Toiletten.
Führt dies nicht zu einem Umdenken Trumps, sollen in einem zweiten Schritt weitere amerikanische Produkte im Wert von gut 100 Milliarden US-Dollar mit Zöllen versehen werden. Zudem würde die kanadische Regierung dann auch Massnahmen prüfen, die den Export kanadischer Waren in die USA beschränkten, wie etwa Exportquoten oder Gebühren, die von der amerikanischen Seite zu tragen wären. Dies könnte beispielsweise auf Strom aus den Wasserkraftwerken in Quebec angewendet werden.
Beschränkung des Exports essenzieller Rohstoffe möglich
In einem dritten Schritt würde Kanada den Export von Rohstoffen in die USA beschränken. Darunter würden etwa Erdöl, Erdgas, Uran und gewisse Mineralien fallen. Allerdings ist dies in Kanada teilweise umstritten. Insbesondere die Regierungschefin (Premier) der Erdölprovinz Alberta, Danielle Smith, hat erklärt, dass sie keine Massnahmen unterstützen werde, welche die Schlüsselindustrie ihrer Provinz beeinträchtigten. Sie hat sich deshalb geweigert, eine gemeinsame Erklärung der Provinzpremiers zu unterzeichnen. Die Provinzen haben im kanadischen Regierungssystem, was die Wirtschaftspolitik anbelangt, relativ viel Macht.
Vorderhand hoffen Ottawa und die Provinzen aber immer noch, diese Zwangsmassnahmen gar nicht umsetzen zu müssen. Sie versuchen über informelle Kanäle, amerikanische Politiker und Wirtschaftsführer, welche nicht an einem Handelskrieg interessiert sind, dazu zu bringen, in Washington zugunsten Kanadas Druck auszuüben.