Der US-Präsident rüttelt an der Gewaltenteilung: Mit Entlassungen und Versetzungen beschneidet seine Regierung die Unabhängigkeit des Justizministeriums. Gerichte könnten Trump jedoch ausbremsen.
In Donald Trumps Augen setzt die Verfassung dem amerikanischen Präsidenten kaum Grenzen. Bereits 2019 in seiner ersten Amtszeit sagte er: «Ich habe den Verfassungsartikel 2, der mir als Präsidenten das Recht verleiht, alles zu tun, was ich will.» Nun scheint er in den ersten Tagen seiner zweiten Amtszeit nach diesem Prinzip vorzugehen.
Eigentlich hatte Trumps designierte Justizministerin Pam Bondi in den Anhörungen im Senat versprochen, das Departement nicht zu politisieren. Doch noch bevor die kleine Parlamentskammer sie im Amt bestätigt, vollzieht der interimistische Justizminister James McHenry bereits umstrittene Personalentscheidungen. Der Sonderermittler Jack Smith, der die Anklagen gegen Trump wegen der Unterschlagung von Geheimdokumenten und des «Putschversuchs» nach seiner Wahlniederlage 2020 erhoben hatte, kündigte bereits vor drei Wochen. Nun aber entliess McHenry am Montag auch über ein Dutzend Staatsanwälte, die unter Smith an den Ermittlungen beteiligt waren.
Mangelnde Loyalität als Entlassungsgrund
In dem Entlassungsschreiben warf McHenry den betroffenen Anwälten nicht Fehlverhalten im Amt vor, sondern bezog sich auf Trumps weitreichende Befugnisse aufgrund von Verfassungsartikel 2: «Da Sie eine signifikante Rolle bei der Strafverfolgung gegen den Präsidenten gespielt haben, glaube ich nicht, dass die Führung des Departements Ihnen vertrauen kann, wenn es darum geht, die Agenda des Präsidenten getreu umzusetzen», schrieb McHenry.
Die geschassten Staatsanwälte können die Entscheidung anfechten. Experten wie etwa der ehemalige Bundesanwalt Greg Brower sehen in der Kündigung ohne die Nennung eines Fehlverhaltens einen Verstoss gegen das geltende Beamtenrecht. «Ich denke, sie werden von ihrem Berufungsrecht Gebrauch machen», erklärte Brower gegenüber der «New York Times».
Bereits vergangene Woche wurden vier Mitarbeiter an der Spitze der Einwanderungsgerichte gefeuert. Ihnen unterstanden rund 700 Migrationsrichter, die über Asylverfahren entscheiden. Neben den Entlassungen versucht Trump die Führungsspitze des Justizministeriums aber auch mithilfe von Versetzungen umzubauen. Rund 20 führende Mitarbeiter aus den Abteilungen für nationale Sicherheit, für die Bekämpfung der Korruption, für den Schutz der Umwelt oder der Bürgerrechte wurden einer neuen Arbeitsgruppe zugeteilt. Diese soll gegen lokale Funktionäre in Städten vorgehen, die bei der Umsetzung von Trumps verschärfter Migrationspolitik nicht mit den Bundesbehörden kooperieren wollen.
Zu den versetzten Führungspersonen gehörte etwa der für Korruptionsfälle zuständige Corey Amundson oder der für ethische Fragen verantwortliche Bradley Weinsheimer. Beide arbeiteten seit Jahrzehnten unter verschiedenen Administrationen im Justizministerium. Womöglich erfolgten die Versetzungen mit der Absicht, die Betroffenen selbst zur Kündigung zu drängen. Amundson hat diesen Schritt bereits vollzogen. In seinem Kündigungsschreiben an McHenry meinte er: «Ich habe meine ganze Karriere dem apolitischen Vollzug des Bundesstrafrechts gewidmet.» Darauf sei er stolz.
Der von Trump eingesetzte Bundesanwalt Ed Martin kündigte am Montag derweil eine interne Untersuchung bei den Ermittlungen gegen die Capitol-Stürmer an. Der Präsident begnadigte an seinem ersten Amtstag praktisch alle verurteilten Randalierer des 6. Januar 2021. Nun will er offenbar auch noch gegen ihre Ankläger ermitteln. Martin half 2020 mit, die «Stop the Steal»-Demonstrationen gegen das Wahlresultat zu organisieren. Zudem verteidigte er als Anwalt mehrere angeklagte Capitol-Stürmer.
Mit seinem Vorgehen sorgt Trump innerhalb des Justizministeriums für Angst und Schrecken. «Es fühlt sich an wie ein gewaltloser Krieg», sagte ein anonymer Mitarbeiter gegenüber «Politico». Die Leute seien schockiert und am Boden zerstört. «Nichts dergleichen passierte in Trumps erster Amtszeit.» Die Angst werde sich wie ein Virus in der Institution verbreiten, erklärte der frühere stellvertretende FBI-Direktor Andrew McCabe gegenüber CNN. Die Justizbeamten würden sich künftig die Frage stellen, ob sie tun sollten, was das Weisse Haus ihnen sage oder was ihnen das Gesetz vorgebe.
Die Demokraten sehen das Land in einer Verfassungskrise
Trump testet die Grenzen der Gesetze indes nicht nur mit Entlassungen im Justizministerium. Am Freitag setzte Trump in fast allen Ministerien die unabhängigen Generalinspekteure ab. Da diese unabhängigen Aufseher vom Senat bestätigt werden, hätte der Präsident den Kongress frühzeitig über seine Absicht informieren müssen. Die Inspekteure sind dazu da, um Missstände in der Verwaltung ohne politische Scheuklappen zu untersuchen. Der Präsident will die Stellen mit neuen Leuten besetzen. Aber einer der entlassenen Inspekteure meinte gegenüber der «Washington Post»: «Wen immer Trump nun vorbringt, gilt als Loyalist. Und das untergräbt das ganze System.»
Am Montag griff das Weisse Haus zudem auch in die Budgethoheit des Kongresses ein. Gemäss der Budget and Impoundment Control Act von 1974 sollte der Präsident öffentliche Gelder gemäss den Vorgaben des Parlaments ausgeben. Am Montag liess Trump jedoch sämtliche Förderprogramme einfrieren, die keine Mittel direkt an einzelne Personen auszahlen. Gemäss dem Nationalen Rat Gemeinnütziger Organisationen könnten etwa Forschungsprojekte an Universitäten, Notunterkünfte für Obdachlose oder Hotlines für Suizidprävention in Mitleidenschaft gezogen werden. Es geht um viele Milliarden von Dollar.
Die Regierung ordnete alle Behörden an, sämtliche Darlehen und Unterstützungsleistungen zu identifizieren, die nicht mit Trumps Agenda vereinbar sind: «Die Verwendung von Bundesmitteln zur Förderung marxistischer Chancengleichheit, von Transgenderismus und grünen Steuerungsmassnahmen sind eine Verschwendung von Steuergeldern, die das tägliche Leben nicht verbessert.» Bereits am Freitag stoppte das Aussenministerium zudem vorübergehend praktisch die ganze Entwicklungshilfe, um diese neu auszurichten. Am Montag wurden rund 60 Führungskräfte der dafür zuständigen Agentur USAID beurlaubt, weil sie die Anweisungen angeblich nicht umsetzten.
Der demokratische Senator Jeff Merkley meinte am Dienstag: «Wir befinden uns in einer Verfassungskrise.» Die «Macht des Geldbeutels» liege in den Händen des Kongresses, betonte seine Senatskollegin Patty Murray. Und der demokratische Senatsführer Chuck Schumer kündigte Klagen gegen «diesen Horror» an. Murray sieht die Budgetverhandlungen im Kongress gefährdet. Diese seien völlig sinnlos, wenn der Präsident sie nicht respektiere. «Wir können nicht als Demokratie funktionieren, wenn wir uns nicht an die im Kongress gemachten Vereinbarungen halten können.»
Eine erste Klage von Nichtregierungsorganisationen war am Dienstagabend zumindest teilweise erfolgreich. Eine Bundesrichterin in Washington blockierte das Einfrieren laufender Förderprogramme bis am nächsten Montag. Sie setzte für diesen Tag eine weitere Anhörung an, um die nächsten Schritte zu entscheiden.